Dienstag, 17. April 2012

Luxor, den 6.April 2012






Im 1.Klasszug von Assuan nach Luxor reisen erstaunlich viele junge, für hiesige Verhältnisse frech gekleidete Frauen. Beliebt sind Sommerkleider, auch mit Rückenausschnitten. Doch bleibt die Einsich trotzdem beschränkt, denn die Frauen tragen darunter enge langärmlige T-shirts. Auch alleine reisen sie. Das erstaunt mich etwas, nach meinen Erfahrungen bei Busfahrten. Da war ich meist die einzige Frau.

Der Zug ist geräumig und hat erstaunlich komfortable Sitze, klimatisiert ist er auch. Einzig die vielen Sprünge in den Scheiben, die von gezielten Steinwürfen her stammen, geben mir nicht gerade ein gutes Gefühl. Eingeschlagene Scheiben habe ich gestern auch an öffentlichen Gebäuden in Assuan gesehen. Die Leute sind nicht zufrieden, die Benzinknappheit. - Alles Ablenkung, wird mir später der Hotelangestellte in Luxor sagen, das Militär wolle nur, dass die Leute mit ihren kleinen Problemen beschäftigt seien, stundenlang – teils gar über Nacht – auf Benzin warten müssten, das sei die Absicht. Auch Aufruhr sei erwünscht, damit wolle man bezwecken, dass die Leute sich nach einem starken Mann sehnen würden. – Effektiv höre ich oft, wenn dann der neue Präsident gewählt sei, dann sei es besser. Der Mangel, die Demonstrationen, der fehlende Tourismus. Für alles hofft man auf den neuen Präsidenten. – Merkwürdig scheint mir, dass jetzt, wo die Mubarak-Familie sich nicht mehr aus dem Geldtopf bedienen kann, noch weniger Geld vorhanden ist. Eigentlich müsste das Gegenteil der Fall sein.

In meinem Abteil reist eine Familie aus Luxor. Zwei Brüder mit ihren halbwüchsigen Töchtern und kleinen Söhnen. An eine Hochzeit sei man gegangen, die Tochter des einen wurde in Assuan verheiratet. Und die Mütter? Die seien Zuhause, da gäbe es immer zu tun. – Ich scheine mit einer gebildeten Familie zu reisen, eine Sicherheitsfirma habe er, wird mir später der eine sagen, die Brotbrösel seines jüngsten Sohnes kratzt er sorgfältig aus dessen Männerrock und wirft sie in den Aschenbecher. Und zu Boden geworfen wird auch sonst nichts.

Die Ankunft in Luxor wird einfacher, als ich mir das vorgestellt habe. Ohne allzu grosse Belästigung gelange ich mit meinem Gepäck bis zur Fährstelle, denn ich will diesmal am Westufer wohnen. Auf der Fähre komme ich mit einem jungen Mann ins Gespräch, der mir weniger mühsam erscheint als die meisten. Er fragt mich, in welches Hotel ich gehen wolle. Ich gebe ihm den Namen an. Er schlägt mir ein anderes vor. Wenn es mir nicht gefalle, dann werde er mir helfen, mein Gepäck bis zu demjenigen, das ich eigentlich aufsuchen wollte, zu tragen. Kein schlechtes Angebot, finde ich, denn lange Fussstrecken mit Rucksack und Koffer liegen in der Hitze für mich nicht mehr drin. Das Hotel gefällt mir dann sofort - obwohl ich der einzige Gast bin - und der Preis ist gut, weshalb ich mich dankend von meinem Führer verabschiede.
Für einmal habe ich Glück gehabt. Doch manchmal halte ich es kaum mehr aus, mich dauernd gegen all diese mühsamen Anquatscher wehren zu müssen, und werde richtig grob. Und fühle mich nachher schlecht deswegen. Doch anders überlebt man leider nicht in den Touristenorten Ägyptens. Immer will jemand etwas von einem, will Geld, einem begleiten und quatscht einem die Ohren voll.

Das Nachtessen nehme ich im „Tout Ankh Amon“, nahe der Schiffsanlegestelle auf der Westbank ein. Der Besitzer war Koch bei einem französischen Grabungsteam und spricht die Sprache perfekt. Vieles habe sich geändert, meint der Mann, der gleich alt ist wie ich. Früher habe es fünf Nilschiffe gegeben, jetzt 500. Und auch wenn momentan nur etwa 100 davon arbeiten, so ist das Brummen ihrer Motoren am gegenüberliegenden Ufer immer noch unheimlich laut und in der Luft liegt dauernd ein hustenreizender, grauer Rauch. Das müsse sich ändern, meint der Mann, die Schiffe müssten auf den Nassersee verbannt werden. Oder die Stadt müsste genügend Strom an den Ankerplätzen zur Verfügung stellen – den hat man ja – und den Schiffen verbieten, ihre Motoren im Stillstand laufen zu lassen, finde ich.

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