Montag, 27. Januar 2014

22.Januar 2014






CNN News, Tannen und Schnee, Davos lese ich, Gespräche über Syrien und die Rolle des Iran am World Economic Forum in Davos. Es heimelt etwas, mindestens am Bildschirm, der Ort selbst, das einzige Restaurant am International Airport von Daresalaam, ist derartig uncharmant, dass es schon fast schmerzt. Seit es gegenüber der tiefgekühlten Wartehalle mit Scheiben abgetrennt ist, schwitzt man hier, die Ventilatoren schieben feuchte heisse Luft im Raum herum, zuhinterst im Lokal finde ich neben dem Fernseher ein geöffnetes Fenster, der Wind streicht freundlich herein, hier ist mein Platz für die nächsten zwei Stunden.
Seit etwa zwei Wochen denke ich häufiger an Zuhause, die Hitze wurde mir manchmal zuviel, auch die Baustelle, die kulturellen Missverständnisse, alles von dem ich fühle, dass wir es nie schmerzlos zusammen bringen werden, meine stickige schmutzige Bleibe auch. - Obwohl ich nun doch nicht sicher bin, ob die Kälte besser sein wird als die Hitze hier.
Syria peace conference in Montreux, Ban Ki-Moon, Montreux, Switzerland, vielleicht habe ich etwas verwechselt, eine lange Nacht steht bevor, wenn ich nur etwas besser schlafen würde, im Flughafen von Sansibar kaufe ich noch Nelkenöl. Auch mit der Vermarktung der Gewürznelken beschäftigt sich eine NGO. Mindestens für einen guten Zweck also, falls nicht heilend, Nelkenöl soll gesund sein gegen Gelenkschmerzen.

Die letzen zwei Tage waren mühsam, irgendwie schaffe ich es immer, Salum im Unfrieden zu verlassen, das war immer so. Unzufrieden bin ich, weil im Malindi House nichts so weit gekommen ist wie erhofft, ich kann im Annex nicht einziehen, noch nicht gereinigt, der Schreiner ist nicht fertig geworden, auch im Badezimmer wird noch einiges verbessert werden müssen, noch einmal packe ich alles provisorisch.
Vielleicht auch diese Bockigkeit. Diese afrikanische Starrköpfigkeit. Seit Tagen möchte ich, dass die Schreiner die Türen und den Schrank fertig machen, doch gestern finde ich die beiden dabei, am Treppengeländer herum zu basteln. Ein weiterer hoffnungsloser Versuch, das kann nicht gut kommen. Weshalb warten sie nun nicht auf Silvano? Eigentlich habe ich doch ihm das Treppenhaus anvertraut. Ich verstehe das nicht, habe das Gefühl, man wolle mich nur nerven, doch vielleicht ist das etwas anderes, etwas, das ich einfach nicht verstehe. Auch Salum hat Mühe, kritisiert zu werden, obwohl er sich da stark verbessert hat. Ebenso viel Mühe hat er jedoch damit, offen Kritik auszuüben.  Das tut man in Afrika nicht, die Leute sind sofort in ihrer Ehre verletzt. Auch dies erleichtert das Verständnis zwischen den Kulturen nicht.
Mir ist nicht recht wohl mit Silvano und den Einheimischen. Wird er nicht bald einmal anecken, zuviel verlangen, zu präzise sein, die Fundis mit seinen genauen Anweisungen nerven? Mich mindestens, hat er damit. Soviel über technische Details will ich gar nicht wissen. Silvano und seine Frau. Mir ein Rätsel. Sie extrem freundlich, ich würde sie gerne besser kennen lernen, doch ich komme nicht an sie heran, nicht in dieser kurzen Zeit, gänzlich im Schatten dieses Mannes, der mir schon fast krankhaft arbeitswütig zu sein scheint. - Oder braucht Silvano dringend Geld? Beides ist möglich. Vielleicht auch beides zusammen.
Ob das gut gehen wird? Ich habe Salum zwar mehrfach gefragt, ob er sich nicht bevormundet fühle, jetzt wo ich Silvano angestellt habe, ob ihm das den Spass am Bauen nicht verderb? Natürlich nicht, meint er, obwohl ich das Gefühl habe, es nerve ihn. Afrikaner sagen ja nie etwas direkt. Die technischen Sachen, das sei gut, wenn das der Silvano übernehme, das könne er nicht. Er kümmere sich um die Arbeiter und um die Beschaffung des Materials. Eine mögliche Aufteilung? - Warum muss ich alles organisiert haben, sehe immer Probleme? Vielleicht sind die Dinge hier ja ganz anders. Ein ungutes Bauchgefühl, das bleibt.

Samstag, 25. Januar 2014

19.Januar 2014




Ein paar Regentropfen am Morgen, merkwürdig, seit Weihnachten erstmals, es ist nun Trockenzeit. Die Rasenflächen sind braun gebrannt, alles sieht etwas trostloser aus, der kleine Park beim Africa House besonderes, die Rasenflächen in den Forodhani Gardens sind noch etwas grüner. Vielleicht funktioniert ja das unterirdische Bewässerungssystem sogar noch, dem ich, als es mir von dem südafrikanischen Gartenarchitekten damals erklärt wurde, eigentlich nur eine kurze Lebensdauer zuschrieb. Der Rasen hingegen, ein eleganter englischer Rasentyp, dem ich noch weniger Überlebenschancen gab, der wurde inzwischen durch den tropischen, viel robusteren, breitblättrigen Rasen ersetzt.

„Bi Hawa“, „Mama Lukmaan“, in der touristischen Gegend auch „Miss Kanga“, das sind all meine Namen hier. Wenn ich durch die Altstadt oder dem Meer entlang schlendere, werde ich häufig begrüsst. Wenn mir das in Bern passieren würde. Hier ist es kleiner, man kennt sich, beziehungsweise eher, man kennt mich. Othman meint, in der Stone Town, da kenne man jeden Mzungu, der dort wohne. Nicht unangenehm, muss ich sagen, so langsam fühle ich mich heimisch hier. Wenn ich aus dem Haus gehe, finde ich immer jemanden, mit dem ich sprechen kann. Auch dies gefällt mir, man muss nicht gross mit jemandem abmachen, wenn man Lust auf Gesellschaft hat. Das hat natürlich auch damit zu tun, dass man wegen dem Klima viel mehr draussen lebt und sich nicht in die Häuser verkriecht.
Mein Swahili, das in den ersten Tagen in Sansibar wie ausgelöscht war, merkwürdig dies, ich hatte fast das Gefühl, irgend einmal in meinem Gehirn ein Blackout gehabt zu haben ohne das bemerkt zu haben, das ängstigte mich, ist ohne grosse Anstrengung, ich habe nur in den ersten Tagen morgens etwas repetiert, später kam ich nicht mehr dazu, die Sprache nun, ganz erstaunlich, die ist mit den Tagen zurück gekehrt und jetzt schon fast wieder auf ihrem ehemaligen Stand. Auch mit Leuten, die kein Englisch sprechen, ist ein einfaches Gespräch wieder möglich.

20.Januar 2014





Kurz vor meiner Rückreise will ich endlich die mitgebrachten Kleider zu Salums Familie nach Mangwapani bringen. Hier leben die Mutter und ein paar Geschwister mit ihren Familien. Danach besuchen wir kurz den Ort, wo Salum für die omanische Besitzerin des Hauses in Shangani eine Moschee zu bauen angefangen hat. Hier ist ihr Geburtsort, die Moschee ein Geschenk als Dank - allerdings ist inzwischen das Geld ausgegangen.
Anschliessend noch ein letztes Bad im Meer, häufig war das diesmal ja nicht, die Bucht bei Mangwapani ist mein Lieblingsbadeort bei Flut, die Landschaft ist hier noch unverbaut und eindrücklich. 

18.Januar 2014



Es hat Nachwuchs gegeben in meinem Haus. Als ich im grossen Raum, in dem das Holz und weiteres wertvolles Material gelagert wird, eine Kartonschachtel aufheben will, die scheint mir leer, also nutzlos, ich will sie wegwerfen, finde ich darin liegend eine Katze die mich anblickt. Bei näherem Hinschauen sehe ich im Dunkeln auch die Kleinen, zwei oder drei Tiere sind es, die Katzen vermehren sich hier ebenso unkontrolliert wie die Menschen. Strassenkatzen im Moment. Ob sie hier einmal Hauskatzen werden? – Salum winkt ab. Keine Katzen mehr, dafür wolle er nicht die Verantwortung übernehmen. Das traurige Erlebnis mit Laila, dem Kater der vergiftet wurde - seine Gesänge waren manchmal etwas gewagt, das konnte schon nerven - das hat Salum nachhaltig geprägt. 

Dienstag, 21. Januar 2014

17.Januar 2014






Ein Geschenk vom Präsidenten. Nachdem bereits Weihnachten und Neujahr mit Feiertagen beehrt worden sind, was bedeutet, dass alle Beamten und Angestellten in Büros und Banken frei hatten, also etwa 20 Prozent der Bevölkerung, eher weniger, für die anderen geht das Leben normal weiter, 7- Tagewoche wie gewohnt, verkündete der Präsident anlässlich der Feierlichkeiten zum 50-Jahre-Jubiläum der Revolution am Sonntag Abend, dass die Bevölkerung am Montag einen zusätzlichen freien Tag erhalten solle, grosszügig wie er ist. Damit hatten dann alle offiziellen Stellen bis Mittwoch geschlossen, den der Dienstag, der auch war ein Feiertag, nämlich der Maulid, der Geburtstag des Propheten. – Was hätte das wohl in Europa für ein Geschrei gegeben, wenn am Sonntag Abend vom Präsidenten persönlich und eigenmächtig beschlossen worden wäre, dass alle Leute mit einem regulären Arbeitsvertrag am folgenden Tag frei hätten und dies von den Arbeitgebern, der grösste hier ist der Staat, bezahlt werden müsse? Nicht auszudenken was wäre, wenn deshalb kurzfristig alle Schulen, die Post, alle Ämter und Banken für insgesamt vier Tage nacheinander nicht öffnen würden. – Entsprechend überfüllt war es dann am Mittwoch auf der Bank, ein Chaos, alle brauchten Geld, oder wollten welches einlegen und auch bei Zantel, wo ich mein Internetabonnement für eine weitere Woche verlängern wollte, war der Teufel los. Es bleib nur eines: Warten. – Erst wollte ich aufgeben, doch weil ich dringend Geld brauchte und nochmals eine Woche im Internet arbeiten wollte, entschied ich mich zu warten. Und merkwürdig, man gewöhnt sich daran. Irgendeinmal habe ich mich nicht mehr darüber aufgeregt, mit diesen beiden Sachen praktisch den ganzen Tag zu vertun.

Ein ähnlicher Entscheid ohne Weitsicht war derjenige der Stadtregierung, die Daladala-Station, den Platz wo die Gemeinschaftsbusse zu warten pflegten, aufzuheben. Dieser Ort, zwischen der eigentlichen Altstadt und etwas neueren Quartieren gelegen, dort wo jetzt ein grosser Teil des Geschäftslebens stattfindet, war durch diese vierspurige, ständig verstopfte Strasse auf eine ungute Art entzwei geteilt.
Die Idee war vernünftig, doch bei der Ausführung haperte es dann gewaltig. Das wurde von einem Tag auf den anderen umgesetzt und die Staus, die dadurch verursacht werden, beschäftigen die Stadt seit Tagen. Keine alternativen Haltestellen waren vorgesehen und auch keine neuen Fahrwege für die Busse. Die halten nun mitten auf den breiten Ausfallstrassen und warten auf ihre Passagiere. Um ihren gewohnten Kurs fahren zu können, bleibt ihnen nichts anderes übrig, als auf den vierspurigen Strassen gewagte Wendemanöver vorzunehmen. – Ein Lichtblick im ganzen ist einzig, dass sich das bis in rund einem Monat eingespielt haben wird. Die neuen Wege sich gefestigt, die Passagiere sich daran gewöhnt und die übrigen Automobilisten sich darauf eingerichtet, nun andere Wege benutzen zu müssen, wenn sie nicht in den Stau kommen wollen. Solches wiederum funktioniert in Afrika perfekt. Man ist gut im Improvisieren, da braucht es keinen Staat.

Zurück zu Zantel, einer der boomenden Telefongesellschaften. Die mit Ezy Pesa, „leichtem Geld“ übersetzt, das kann man ja fast erraten, auch einen Geldtransferdienst per SMS anbietet. Wie das funktioniert weiss ich nicht genau, habe aber gelesen, dass dies, von Kenia herkommend, in ganz Afrika ein Riesenerfolg sei. Die Telefongesellschaften sind zukunftsorientiert und die Schalterangestellten, fast immer Frauen, gut ausgebildet, höflich und kundenorientiert. Da weht ein ganz anderer Wind als in den staatlichen Büros. Auch das Wartesystem wurde hier professionalisiert. Traditionell musste man fragen, wenn man hereinkam, „wer ist der letzte“ und wusste dann, auf wen man schauen musste um zu sehen wann man daran war. Vergangenheit hier, merke ich, auf den reichlich vorhandenen Fauteuils, schliesst man nun hinten an und jedes Mal, wenn ein Schalter frei wird, gibt es ein grosses Sesselrücken. Eine Aufsichtsperson, dies meist ein Mann, ordnet an, dass sich nun jeder auf den nächsten Platz bewegen müsse. Ich sehe das zum ersten Mal und finde diese gymnastische Übung extrem lustig. Da gibt es doch ein Kinderspiel, bei dem man immer wieder seinen Platz wechselt. Allerdings – so habe ich das mindestens in Erinnerung – hat es dann immer einen zu wenig, was hier nicht der Fall ist.

Mein Insektenschutzmittel ist ausgegangen, auch die Gesichtspflege ist rar geworden, dafür habe ich noch Sonnencrème für zwei Jahre. Die brauche ich hier kaum, man sucht sich sowieso immer die schattigsten Wege. In fünf Tagen reise ich bereits ab und frage mich nun, ob es notwendig sei, nochmals Mückengift zu kaufen, oder ob ich es für die letzten Tage so machen solle wie die Einheimischen, nämlich nichts tun. Und statt Gesichtscrème, die reichlich vorhandene wenn auch bereits fast ranzig gewordene Sonnencrème verwenden.

Freitag, 17. Januar 2014

14.Januar 2014









Vom Verhältnis der Leute hier zu Materiellem. Ich ärgere mich darüber, dass die Fundis absolut keinen Respekt für die Arbeit ihrer Kollegen haben. Der Maurer schmeisst seinen Zement ohne Rührung in einer Art, dass die neuen Holzarbeiten, die Dächer ebenfalls, bereits vor Gebrauch gänzlich verschmutzt sind und mühevoll gereinigt werden müssen. Kein Respekt vor der Arbeit der anderen? Vielleicht sogar: Kein Respekt vor Materiellem im Allgemeinen. Die Leute hier schauen auch zu ihren eigenen Sachen schlecht, da ist der Moddy ein Paradebeispiel dafür. Kleider, Autos, fast alles und von den meisten Leuten, wird ohne jegliche Sorgfalt gebraucht. Man versteht nicht recht, was wir Mzungus für ein Theater machen, wenn etwas kaputt geht. - Sicherlich führt dies zu einem grossen Missverständnis zwischen unseren Kulturen. Und gewiss ist dies ein Hindernis für jegliche Zusammenarbeit, das beginnt bei der so häufig absolut nutzlosen, nicht nachhaltigen Entwicklungshilfe. Wie man es besser machen könnte, das weiss ich auch nicht. Einzig vielleicht, dass man Leute wie Salum, allgemein Sansibaris, die lange im Ausland gelebt haben, fördern und unterstützen sollte. Sorgfalt ist ein Verhalten, das erlernt werden kann.

Vorausschauen ebenfalls. Und damit das Bewusstsein, dass Unterhaltsarbeiten billiger sind, als der komplette Wiederaufbau oder Neukauf. Auch dies scheint man lernen zu können. Kulturell und historisch bedingt ist es natürlich anders. Die Häuser wurden nicht für Generationen gebaut, die Lehmhütten mit Palmblattdächern, die mussten sowieso regelmassig wieder neu aufgebaut werden, die Natur hier mit Hitze und heftigen Niederschlägen, mit dem vielen Ungeziefer auch, dass sich irgend einmal einnistet, die ist unbarmherzig. Auch lese ich irgendwo, dass eine Hütte, wenn der Besitzer verstorben, nie neu besiedelt wird, sondern aufgegeben, dem Zerfall überlassen. Wie soll man da zu unserem Verständnis von Dauerhaftigkeit kommen?

Heute nimmt mich Salum mit zu dem Ort, wo er den „lime“ herstellt, ein spezielles Kalkgemisch für die Pflasterung der Fassaden. Das muss mindestens 6 Monate reifen, Silvano meint, die alten Römer, die hätten gar 2 Jahre gewartet vor dem Gebrauch.
Salums Bruder, der Ustazi, hat sein Haus verkauft und sich ein neues Stück Land gekauft. Mir gefällt die Gegend besser, grüner noch, doch rückt die Stadt auch hier unablässig näher, letzte Palmenhaine verschwinden und der holprige Weg bis zu einer befestigten Strasse ist enorm weit. Zum Glück haben wir unseren electronic punda, unseren motorisierten Lastesel, wie ich ihn nenne. Die meisten Sansibaris würden meinen Vergleich übel nehmen. Salum versteht, ich finde den Suzuki ein geniales Gefährt.
Ein Haus mit zwei Räumen wurde auf dem Land erstellt, einen dritten Raum werde es bald brauchen, meint Salum, einen Raum für die Eltern, einen Raum für die Mädchen und jetzt wo der Sohn grösser werde, brauche es auch noch einen Raum für die Männer. Das Gehöft sieht etwas provisorisch aus mit all dem Wellblech, kunstvoll auch, finde ich, mit den zinnenartig geschnittenen Stücken, Zufall meint Salum, nicht Dekoration, das sei das alte Dach des Malindi Hauses, da habe es eben schräg geschnittene Dachkanten gegeben. Drinnen Hühner, keine Pflanzen, die würden von den Hühnern alle gefressen meint man. Warum werden die nicht eingesperrt? Salum befindet, dass seine Verwandten eben faul und keine Bauern seien. Statt Gemüse, Bananen und Papayas zu pflanzen, was auf dem fruchtbaren Boden hier einfach wäre, gäben die lieber die Hühner schuld.

Die beiden Frauen sind äusserst nett, erinnern sich noch gut an mich und begrüssen mich herzlich. Jung aussehend immer noch, finde ich, die Frau und ihre ledige Schwester sind um die 40, die sehen kaum älter aus als die 12-jährige Pflegetochter, vielleicht macht das auch der extrem zierliche Wuchs. Die Ehefrau darf ich nicht fotografieren. Warum, frage ich? Der Mann wolle das nicht, deshalb, nicht Religion sei das. Das Grundstück ist mit einem Wellblechzaun in zwei Flächen geteilt, im vorderen Teil ist die gemauerte Grube, in der das Kalkgemisch zubereitet und gelagert wird. Wir holen wieder etliche Kübel davon, damit die Maurer weiter arbeiten können.

Mittwoch, 15. Januar 2014

13.Januar 2014






Anlässlich der Revolutionsfeierlichkeiten gab und gibt es auch verschiedene Messen, die Wirtschaft und Regierungsarbeit von Sansibar ins beste Licht rücken sollen, eine davon habe ich kurz vor meinem Kranheitsausfall besucht. Auf Anregung Mohammeds, er ist Direktor des Ministeriums für Land, Wasser, Liegenschaften und Energie mit seinen vielen Unterabteilungen, also ein hohes Tier, gehe ich an die Messe in Bububu (das Wort kommt von der ehemaligen Eisenbahnlinie, die dorthin fuhr und natürlich nicht mehr fährt und dieses Geräusch verursachte). Auf einer grossen Sandfläche direkt am Meer sind ganze Reihen von Ständen aufgestellt, in deren Abteilen sich die verschiedenen Aussteller darstellen. Kunterbunt durcheinander gewürfelt, ich erkenne keine Struktur, einzig die Ämter, die sich mit der Justiz befassen, sind alle am selben Ort untergebracht. Dazwischen weisse Ziegen, überhaupt erinnert mich das ganze an die BEA, fette Hühner ebenfalls, solche habe ich in Sansibar noch nie gesehen, mit offenem Schnabel, die vertragen keine Hitze, Pflanzenbau, ich sehe die chinesische Chilipflanze die ich in die Schweiz gebracht habe, dass es die hier auch gibt wusste ich nicht, Zantel ist hier und die übrigen, stark boomenden Telefongesellschaften, die Postbank, Western Union und weitere Banken und Versicherungen und ein Stand, der mit Atomic Energy angeschrieben ist. Auf den Tafeln dann etwas über die Tsetesefliege, ich verstehe nicht und frage, wo hier der Zusammenhang. Nein, Atomkraftwerke, die gebe es nicht, die Bevölkerung habe Angst vor dieser Technologie. Man habe ja genug Energie mit den Wasserkraftwerken, das brauche es nicht (was nicht ganz stimmt, der kommt vom Festland, Sansibar hat keine eigenen Kraftwerke, obwohl immer wieder Gedanken nach Unabhängigkeit auftauschen). Der Zusammenhang mit der Tsetse-Krankheit interessiert mich nun doch, diese Fliegen eben, die würden mit Atomenergie zerstört, sagt man mir. Schulen sind repräsentiert, die Universität ebenfalls, leere Stände auch einige, jedoch bereits mit den vorgesehenen Ausstellern angeschrieben, dass das denen nicht peinlich ist, Polizei, Feuerwehr, Schifffahrt und Rettungshilfe bei Tauchunfällen und Schiffbruch, Wasser, Strom und Gewürznelken, alle sind anwesend, selbst die Tayloring Academy stellt sich vor, viele Frauenprojekte, sehr viele, NGO’s präsentieren sich ebenfalls, reichlich vorhanden, eigentlich gibt es für jeden Bereich bereits eine NGO, gegen Malaria, gegen Aids, für die Kinder und gegen Drogen, gegen die häusliche Gewalt, alles ist schon vorhanden, eigentlich müsste Sansibar ein Paradies sein. Nachdem man all das gesehen und gelesen hat.
Othman meint dazu, sie Afrikaner, sie seien eben gut im Planen. Nur bei der Ausführung der Ideen, da hapere es häufig, das Geld dazu sei meist bereits versickert vor dem Beginn.

Montag, 13. Januar 2014

12.Januar 2014








50 Jahre sind seit der Revolution in Sansibar vergangen, das wird gross gefeiert, der Sturz der Regierung im Januar 2014, gestern Nacht gab es ein Feuerwerk, das ich jedoch nur im Bett mit angehört habe, es war um Mitternacht angesagt, das war mir zu spät. Aufgeregte Menschenmassen, viel Militär, gepanzerte Lastwagen fahren herum wie bei schlimmen Demonstrationen in der Schweiz, gerade beruhigend ist das nicht. Trotzdem beruhige ich Salum, der bereits wieder schwarz sieht, all dies erinnere an die Revolution damals, ein neuer Putsch, viele hohe Regierungsmitglieder seien nicht glücklich mit dem Kompromiss des neuen Zweiparteiensystems, da würden die Pfründe aufgeteilt, der Selbstbedienungsladen etwas eingeschränkt.

Silvano meinte gestern - wir sprachen über Honorarforderungen für seine Mitarbeit - die 15% Steuern hier in Sansibar, die möchte er nicht unbedingt bezahlen, da unterstütze er lieber die Leute direkt. Im Moment baut er zwei Klassenräume für eine Schule in Pemba. Auch in Italien, wo er hauptsächlich versteuere, findet er, werde das Geld schlecht angelegt, da verschwinde doch viel zu viel in der Bürokratie in Rom. Aber dort gehe es nicht mehr anders, er werde das Honorar versteuern, die seien sehr genau geworden mit den Kontrollen. Wir vereinbaren, dass ich einen Teil hier bar auf die Hand bezahlen werde und einen Teil offiziell in Italien.

Der Junge, der mich grandma nennt, das könnte gut stimmen, er geht noch zur Schule, wir haben bereits öfter in den Forodhani Gardens zusammen gesprochen, meint, jetzt werde gefeiert. Er werde am Sonntag auch an die Militärparade im Amani-Stadium gehen. Viele Leute hätten damals ihr Leben geopfert. Ich werfe ein, das wohl mehr gemordet, als gestorben worden sei damals, schliesslich hat die schwarze Mehrheit der Sansibaris, die unter den Briten herrschende Klasse der Araber, Inder und Weissen hinausgeworfen, und deren Güter konfisziert, das war nicht ganz unblutig. Nachdem Sansibar ein Jahr vorher von den Briten in die Freiheit entlassen wurde und ein Mehrparteiensystem installiert worden war, bei dem alle beteiligt waren. Der Junge lacht weiter, er lacht immer, ich denke nicht, dass er versteht. Gerne möchte ich wissen, was denen heute in der Schule über die Revolution erzählt wird.
Ein Ende der Vorherrschaft der Weissen, Araber und Inder ist jedoch bis heute nicht abzusehen. Nachdem viele anfangs weggezogen sind, ist die Stone Town bereits wieder mehrheitlich in den Händen derselben Leute.  Manche der konfiszierten Häuser wurden den Besitzern zurückerstattet, andere verkaufte der Staat, man braucht Geld, und weitere dem Staat gehörende zerfallen vor sich hin, man hat kein Geld, leider. Mindestens für dies. Einheimische Schwarze können sich die aufwändige Renovation dieser ehrwürdigen Häuser gar nicht leisten. Ob es dann doch wieder einmal zu Neid gegenüber der besitzenden Klasse kommt? Ich bin nicht ganz sicher, ob ich den Mut hätte, in Afrika in grossen Stil zu investieren. Mein Projekt hier ist à fonds perdu, einzig meine Ferienwohnung zuoberst im Haus, die würde ich verlieren, einen finanziellen Nachteil hätte ich nicht.

Im Mercureys wird heute Morgen am Fernsehen die Parade im Amani-Stadion übertragen. Erstaunt sehe ich eine militärische Truppe, die roten Hüte und veralteten Uniformen sollen wohl Omanis darstellen, die lächerlich und übertrieben Marschschritte und Übungen exerziert, dauernd das Gebell der Vorgesetzten und ein Typ spielt den Hanswurst im Verein, einen Soldaten, der nichts kapiert und dauernd aus dem Takt fällt. Das finde ich erstaunlich, eine Komödie hätte ich hier nicht erwartet. Das Publikum im Mercureys lacht schallend, die Fernsehkamera wird auf das Publikum im Stadion gerichtet, Präsident und Minister, recht viele versteinert, nicht alle scheinen das lustig zu finden. Später dann exerziert eine heutige Truppe der sansibarischen Armee. Ebenso lächerlich das Brüllen der Vorgesetzten, finde ich, ebenso lächerlich die zackigen Übungen, aber kein Hanswurst im Verein. Niemand im Publikum lacht nun. Das scheint man – im Gegensatz zu mir - nicht lustig zu finden, das ist ernst.


10.Januar 2014







Ausser Betrieb gesetzt fühle ich mich. Wie schnell ich mich doch immer an etwas gewöhne. Nachdem ich einen Tag lang zu vollkommener Ruhe gezwungen wurde, habe ich dann drei Tage lang mit Nichtstun verbracht. Bin in der schönen Gartenanlage herumgewandelt, am Strand war es meist zu heiss, erst am Abend war ein Spazieren ausserhalb des lichten Schattens der Pflanzen möglich, schwimmen etwas, obwohl, das war eher ein im Wasser Herumplantschen, viel herumliegen, dösen, in der grössten Hitze drinnen im Dämmerlicht unter dem Ventilator oder oben in der Krone des Baobabbaumes, der dem Wind gut ausgesetzt ist, lesen auch, vor allem in der Nacht. Nach Wochen des Herumrennens, Planens, Skizzierens und Diskutierens. Eigentlich habe ich heute gar keine Lust, auf die Baustelle zu gehen und mich erneut Problemen zu stellen, mein Rhythmus ist vollkommen verlangsamt.

Die verschiedenen unangenehmen Gerüche in meiner Wohnung, der Kanalisationsgeruch ist nicht wegzukriegen, auch wenn die Fenster zum Glück dauernd offen stehen, belastet mich, daran wird meine Nase sich erst wieder gewöhnen müssen, der Blick an die Hofmauer, immerhin mit Pflanzen, die ich als erstes wässere, ist auch nicht mehr so frei wie derjenige auf das Meer, trotzdem, ich habe Mühe aufzustehen, mich von meinem Buch zu lösen und zu beginnen.
Die Nase funktioniert also noch, immerhin, im Mund habe ich dauernd einen ekligen Geschmack, das muss vom Medikament gegen Amöben stammen. Auch sonst macht mein Körper zwischendurch Ungewohntes. Als ich unter der Dusche aufblicke und mir das Wasser ins Gesicht prasseln lasse und dabei die Augen schliesse, bleibt es – mir scheint es eine Ewigkeit lang – schwarz als die Augen bereits wieder geöffnet, so lange mindestens, dass ich mich ängstige, ob ich wohl das Augenlicht verloren habe. Schwankend, aber erleichtert stelle ich den Wasserhahn ab.

Freitag, 10. Januar 2014

8.Januar 2014








Die Fumba Beach Lodge ist bevölkert von einer gewaltigen und geräuschvollen Tierwelt. Am Morgen mache ich einen Spaziergang durch die grosszügig gestaltete Anlage, auf deren Rückseite noch ein Streifen ursprünglichen  Waldes stehen geblieben ist. Kein üppiger Tropenwald, kurzstämmig und buschartig, wir sind hier bereits auf kargem Korallenboden, wunderbare Baobabs zwischendurch, in einem ist ein Sitzplatz untergebracht, der dem erfrischenden Kazkaziwind ausgesetzt ist. Im Busch huschen riesige, etwas plumpe Echsen davon, von einem Baum schimpft ein Eichhörnchen mit dem Schwanz schlagend wütend herab, die zwei Hunde der Besitzer schauen deprimiert und müde und strafen meine Annäherungsversuche mit arroganter Verachtung, als Wachhunde angestellt wohl, Schmetterlinge flattern herum, lange schaue ich einem schwarzen Reiher zu, der auf einem Felskopf an der Küste steht, ebenso starr und unbeweglich geworden wie er. Die zufriedene Ruhe in mir ist wieder eingekehrt. Unterstützt durch den Medikamentencocktail.

Da waren die Tiere der Nacht schon weniger gemütlich. Ein Kakerlakenbaby fällt vom palmblattgedeckten Dach auf mich hinab, direkt über meinem Kopf, werde ich am Morgen feststellen, ist ein Loch im Moskitonetz. Auch eine Mücke hat den Weg in das riesige Netz gefunden, das, einem Zelt gleich, im Raum steht. Habe ich mindestens bei einem meiner häufigen Wachzustände das Gefühl. Später sehe ich die Mücke nicht mehr und höre sie auch nicht. Auch ein Geist? Durch die Nacht dringt von ferne das Bellen von Hunden, Hähne scheinen die ganze Nacht über das Nahen des Tagesanbruches zu fühlen, Buschbabys lärmen in der Nähe herum und bei Tagesanbruch rast eine Horde Affen über das Dach. Daneben viele undefinierbare Stimmen, kein Zivilisationslärm, von fern einzig das Plätschern der Wellen, kaum Wind, leider, Fumba hat den Kazkazi im Rücken, der dringt nur träge durch das dichte Gebüsch.
Nachdem ich am Vortag 24 Stunden lang mehr oder weniger geschlafen habe, scheint mein Kopf diese Nacht nicht mehr anhalten zu wollen. Gedanken so viele, andere Reisen kommen mir in den Sinn, die Geräusche und süssen Gerüche der Blumen bringen dumpfe und wehmütige Erinnerungen hoch, die Hängematte am Strand die Schifffahrten auf dem Amazonas zurück, die Chumbe Island Lodge, auf einer Insel etwas weiter nördlich gelegen, steht wieder vor mir, die Gebäude dort sind noch schöner gestaltet, eine richtige Ökolodge.
Obwohl sich auch die Fumba Lodge umweltfreundlich gibt und es, mit Verzicht auf Klimaanlagen und weiterem Komfort, ja auch ist. Hier wird ebenfalls, wie ich lese, vorwiegend lokales Personal eingesetzt, man entschuldigt sich für eventuelle Missverständnisse wegen nicht perfekten Englischs, ich jedoch denke, an der Sprache liegt es nicht, kulturelle Probleme sind es schon eher. Der Kellner lacht laut - wahrscheinlich verlegen - als ich sage, ich sei allein hier und weist mir einen Platz vor den übrigen Gästen zu und mit dem Rücken zu ihnen. Ich werde heute darauf beharren, genau umgekehrt platziert zu werden, denn ich liebe es, Leute zu beobachten und mir dazu meine Geschichten zu machen. Am Nebentisch höre ich die Frau sagen, nein, nein, so alt sei sie denn auch wieder nicht, auch dies wohl eine nicht ganz passende Bemerkung. Aber freundlich ist das Personal und gesprächig.

Doch eigentlich war ich ja immer noch in tiefer Nacht, in der ich von einer unheimlichen Unruhe getrieben wurde. Als ob all meine Lebensgeister sich wehren würden nochmals in einen dämmrigen Abgrund geworfen zu werden, lange Zeit wollte der Schlaf nicht kommen. Einmal eingenickt wurde ich alsbald von einem Albtraum geweckt. Später war es ein Tier. Das dauerte so bis in den Morgen hinein. Vielleicht ist eben doch wahr, was Salum sagt. Dass in den Häusern Geister wohnen, die einen gerne zur Begrüssung etwas erschrecken kommen. In der Stone Town mindestens sind Albträume selten geworden.

Der Frühruf des Muezzin kommt hier ab Band, da scheint keiner gerne zu singen - vielleicht fehlt es ja auch an freiwilligen Frühaufstehern - das Band läuft zu langsam, die Stimme ist schleppend und kaum als Muezzinruf zu erkennen.

Mit Tieren habe ich Glück. Bei Sonnenuntergang laufe ich im Gelände des Hotels in eine Horde Affen hinein. Einer sitzt etwa einen Meter neben dem Weg und schafft es, beharrlich an mir vorbei zu starren, ich scheine ihn weder zu ängstigen noch zu interessieren, blasiert schon finde ich sein Verhalten. Irgendeinmal springt er in den Baum hinauf und beginnt grüne Beeren zu fressen. Alle Affen kratzen sich dauernd, diese Tiergruppe schafft es nie wirklich, mir sympathisch zu sein. Später sehe ich ein Tier ungefähr in der Grösse einer Ratte, mit etwas längeren Beinen, demselben Schwanz und einer sehr feinen lang zugespitzten Schnauze. Insektenfresser und zur Nagergruppe gehörend, selten in allgemeinen, hier aber häufig anzutreffen, erfahre ich später von einem der Besitzer der Lodge, der auf der Durchreise nach Selous, später Johannesburg ist, wo er andere zur Gruppe gehörende Lodges besuchen wird. Er reise viel herum, meint der ältere Engländer und kann mir auch sagen, dass die Buschbabies, hier Komba genannt, ebenfalls zu der Familie der Affen gehören. Ich habe das Glück, auch noch ein solches aus der Nähe zu sehen, im allgemeinen muss man froh sein, wenn man deren Augen im Schein von Taschenlampen aufleuchten sieht. Das Tier sieht eher wie ein Raubtier aus, etwas katzenartiges, jedoch mit einem buschigen Schwanz wie ein Eichhörnchen. Hier werden die nachtaktiven Früchtefresser bei der Bar im Baobab oben gefüttert und sind so im Schein der Lampen gut zu sehen. Lange habe ich darauf gewartet, ein Komba aus der Nähe zu sehen. Selten ist das, obwohl das laute Geschrei dieser zierlichen Tiere allgegenwärtig ist.

7.Januar 2014





Eine magere, auf dem Rücken liegende halbierte Zitronenscheibe ist der Mond erst und bringt doch bereits soviel Licht, dass mein Körper Schatten wirft. Mindestens hier draussen, in dem lauschigen Garten der Fumba Beach Lodge, wo der Mond wenig Konkurrenz hat. Einzig die Sterne am Himmel, die in Sansibar immer besonders hell leuchten, und auf dem Meer goldene Punkte, Fischerboote auf der Jagd nach Sardinen und anderen Schwarmfischen, die vom Licht angezogen werden. Tropisches Paradies. Wie immer nicht unbedingt gemacht für Einzelreisende, Honeymooner hat es vor allem und ältere Ehepaare, eine deutsche Familie mit lästig quängelnden Pubertierenden, allein angereist ist ausser mir einzig ein älterer Herr. Älter als ich, muss ich nun wohl sagen. Und im Paradies bin ich, weil das Jahr leider nicht gerade gut angefangen hat, gestern hatte ich das Gefühl, dass dieses nicht mehr gar weit, derartig geschwächt war ich und hatte das Gefühl, dass das Leben aus mir heraus rann.

Der Jahresanfang war hart, Rückschläge auf der Baustelle, der Sanitär konnte seine Toilette nur mitten im Raum und unter der Dusche montieren, derartig intelligent war sein Loch im Boden platziert. Ich habe das vermutet, jedoch gehofft, dass es dann schon irgendwie gut komme. Der Terrazzo war nun gegossen und poliert, die Plättli gelegt, das ist sehr gut gekommen, der Plättlileger hat mich positiv überrascht, doch was nun? Nach langen und intensiven Diskussionen blieb nur der Schluss, den Boden wieder aufzureissen. Dies wiederum – oder die Art, wie ich mich über dieses Missgeschick aufgeregt habe - hat den Sanitär derartig in seinem Ehrgefühl verletzt, dass er von da an nicht mehr gesehen wurde, die Sache also bis heute nicht geregelt ist. Und eigentlich ist es ja klar: Wie sollte der arme Kerl wissen, wo dieses Loch genau hingehört? Die meisten Einheimischen haben nur einen kleinen Raum mit Betonboden als Toilette, einem Loch darin, irgendwo, einem Wasserhahn, auch irgendwo und einem Plastikkübel. Da ist die Lage dieses Loches nun wirklich nicht zentral. Oder eben doch der Einfachheit halber meistens zentral.
Irgendeinmal im Dezember habe ich die Bekanntschaft eines italienischen Architekten gemacht, der sei 20 Jahren in Tansania arbeitet und hier das wohl schönste Hotel der Stone Town umgebaut hat. Wenn man nicht auf verspieltere Sachen wie die Renovationen von Emerson steht oder gar kitschiges Zeugs liebt, wie es die Inder gerne haben. Item, Silvano Alberghini war also bereit, einen Rundgang durch das Malindi House zu machen. Als Freund, meinte er, eigentlich dachte ich ja, dass ich ihm einfach einmal mein Haus zeigen wolle. Er jedoch war von Anfang an ganz Berufsmann und sah jedes Detail. Er wusste jedes Kleinod des Gebäudes zu schätzen, sah aber auch überall, wo die Handwerker gepfuscht hatten und kam mit einer Checklist, woran man alles hätte denken sollen. Bei der Liste standen wir gut da. Ausser einer Fernsehantenne und einem Wireless Lan, beides gibt es absichtlich nicht, fehlte nichts. Doch fand Silvano verschiedene Pfuscharbeiten der Schreiner, die man ausbessern muss und die Sanitärinstallationen nannte er „afrikanisch“. - Wer hätte das gedacht?  Am schlimmsten jedoch war für mich, dass nun bereits ein Teil der Sanitär- und Elektrizitätsleitungen mit Beton zugeputzt wurde. Dieser jedoch geht mit dem alten Stone Town Gemäuer keine wirkliche Bindung ein, sondern falle, laut Silvano und anderen Experten, recht rasch wieder ab. Beton ist einfacher anzuwenden als „mave“, übersetzt Schmutz, das Lehmgemisch, das ursprünglich eingesetzt wurde. Weshalb die Fundis dann gerne behaupten, dass es nicht möglich sei, damit zu arbeiten. Was soll man da als Nichtfachmann tun? Salum, beziehungsweise Ali, ihr wisst das ja gar nicht, Ali war sein  falscher Name in der Schweiz, richtig heisst Ali Salum. Da niemand hier Ali zu ihm sagt und es zudem tonnenweise Alis gibt, nenne ich ihn lieber Salum und werde das fortan auch in meinem Blog so machen. Neues Jahr, alles neu, mindestens ein bisschen. Salum also, erhielt das Kompliment, er habe den Bau ohne fachmännische Kenntnisse erstaunlich gut geleitet. Jedoch, befand Silvano, wäre eine Supervision sicher gut. Da Salum damit auch einverstanden ist, werden wir mit ihm einen Vertrag abschliessen. Insbesondere die Treppenhäuser, die ursprünglich in der Stone Town halbe Leitern waren und gänzlich neu geplant werden müssen, sind komplizierte Sachen, die ein fundi nicht so einfach planen kann. Auch die Warmwassersolaranlage möchte ich nicht mehr unserem Sanitär überlassen, das ist mir zu riskant.

Vor drei Tagen nun fühlte ich, dass mit meinem Bauch etwas nicht stimmen konnte, Messerhiebe, kam es mir vor, nur mit Mühe konnte ich herum laufen, dachte aber erst an eine Darmkolik. Die Aufregung, meine Eingeweide sind sensibel, das wäre nicht das erste Mal gewesen. Gegen Abend dann wurde mir klar, dass etwas wirklich nicht mehr stimmte, schlecht war mir auch aber erbrechen konnte ich nicht, dafür die ganze Nacht Durchfall. Am Morgen war ich so schwach, dass ich kaum mehr aufsitzen konnte, Salum brachte mich zum Arzt. Der behielt mich dann gleich dort und machte Infusionen mit Flüssigkeit. Und Antibiotika. Schon wieder, hatte ich doch die letzten Tabletten wegen der Bronchitis kaum vor einer Woche eingenommen. Am Abend fühlte ich mich immer noch extrem schwach, wollte aber nach Hause. In Afrika ist es nämlich so, dass Verwandte einen Patienten ins Spital begleiten und dort für ihn schauen. Den ganzen Tag über hat niemand gefragt, ob ich vielleicht etwas trinken möchte oder auf die Toilette müsse, stundenlang war ich mit meiner Infusion allein im Zimmer, so wollte ich nicht die Nacht verbringen. Der Arzt entliess mich dann mit weiteren Antibiotika zum einnehmen, einem Medikament gegen Amöben und Paracetamol gegen das Fieber. Ohne irgendwelche Blutuntersuchungen, einzig der Malaria-Test wurde gemacht, er war negativ, darin ist man hier geübt. Medikamente gibt man offensichtlich gegen alles was irgendwie möglich sein könnte, ohne eine genaue Diagnose ist man so auf der sicheren Seite, nur habe ich das Gefühl, dass ich nun bereits für das ganze Jahr voll gestopft bin mit Antibiotika und weiterem Zeugs, das, falls nicht wirklich notwendig, nur den Körper belastet.

Und so kam ich eben ins Paradies. Da ich keine Lust hatte, in meiner stickigen und Kakerlaken verseuchten Wohnung die notwendigen Erholungstage zu verbringen, hat mich Salum nach Fumba gebracht. Wirklich ein schöner Flecken Erde und ich hoffe, morgen auch das exquisite Essen noch etwas geniessen zu können.




Donnerstag, 2. Januar 2014

30.Dezember 2013







Wie abgemacht, stehe ich um neun Uhr morgens vor dem Malindi House und sehe, dass bereits eine ganze Gruppe von Handwerkern vor dem Haus herum sitzt. Mein Plattenleger ist allerdings noch nicht dabei. Ich bereite ihm seine Arbeit vor und gehe dann ins nahe gelegene Mercureys, das wird sicherlich mein Stammlokal werden - ist es schon - einen Kaffee trinken. Viele der Fotos vom Meer habe ich übrigens aus diesem Restaurant aufgenommen, jetzt mit dem angenehmen Nordostpassat ist es am Morgen perfekt kühl dort. Schon wieder läuft ein Fährschiff nach Daresalaam aus. Viele neue Boote. Kleiner als die früheren, dafür, scheint mir, verlässt nun bald im Stundentakt ein Schiff den Hafen Richtung Daresalaam, jetzt gerade die Kilimanjaro IV. Da gab es doch diese erste Kilimanjaro, das ist auch noch nicht lange her. Ein grosses Schiff und eine Fehlkonstruktion, die musste mit Wassertanks auf dem Deck stabilisiert werden. War sie es wohl, die auf dem Weg nach Pemba gesunken ist? In den vergangenen zwei Jahren gab es zwei grosse Fährunglücke bei Sansibar. Ein Schiff ist in der Meerenge zwischen Sansibar und Pemba gesunken, einer immer aufgewühlten See, Unwetter sogar sei damals gewesen. Das zweite Unglück passierte direkt im Hafen von Sansibar. Eines dieser flachen Fährschiffe, die normalerweise am Strand landen, sei in den Hafen dirigiert worden, viele Passagiere darauf, wo dies eigentlich auf diesen Schiffen gar nicht erlaubt sei, die hätten kontrolliert werden sollen. Im tiefen Hafen dann ist das Schiff beim Aussteigen der Passagiere umgekippt, praktisch alle Insassen sind ertrunken. – Jetzt sehe ich im Hafen nur noch zuverlässig aussehende neue Schiffe und mache mir keine Sorgen, nächstens nach Daresalaam zum Einkaufen zu fahren.

Gleich östlich des Mercureys beginnt der eigentliche Hafen, normalerweise nicht unbedingt eine attraktive Angelegenheit, hier jedoch, bezaubert mich dieser Ort völlig, stundenlang könnte ich zuschauen. Erst die Anlegestelle für die Fährschiffe, dahinter dann ein Quai an dem nun wieder grosse Containerschiffe entladen werden können, beziehungsweise ein einziges aufs Mal. Direkt vor dem Restaurant und Richtung Westen, den Forodahni Gardens, ein kleiner Sandstrand, am Abend immer bevölkert von Einheimischen, davor dümpeln Fischerboote im Wasser, ab und zu fährt ein Dahu Richtung Shanganispitze, heute mit dem guten Wind flitzt es gar und hüpft über die Wellenberge.

Dann wieder dieses wunderbare Gefühl in mir, das ich schwer beschreiben kann. Das Schwebende, das leicht Entrückte, das mich überkommt. Das grelle Licht, die tiefen Schatten, der schwüle Wind, ein Film, ich Beobachterin, alles irgendwie in Zeitlupe abgespult jedoch nicht im geringsten langweilig, ein Gefühl des Wohlseins, des nicht  mehr Bedürfens, das sich ab und zu bei mir auf Reisen einstellt, häufig hier in Sansibar. Die Zeit hat keine Bedeutung mehr. Überhaupt nichts hat mehr Bedeutung, einfach sein. 

Mittwoch, 1. Januar 2014

29.Dezember 2013







Zum Frühstück schneide ich eine Passionsfrucht entzwei und löffle das gelbliche Fruchtfleisch aus. Das erinnert mich an Eieressen. Frohe Ostern.

Ich sagte Ali gestern – er trägt wieder einmal einen Kanzu, traditionelle Männerkleidung, einen crèmegoldenen, das finde ich besonders hässlich – dass ich es nicht mag, wenn er Kanzu trägt - er tut das nur noch ganz selten - weil mich das an seine erste Zeit hier erinnert, als nichts gelingen wollte und er deprimiert war. Die Interviews aus dieser Zeit schaue ich nur ungern an und habe fast keine in meinem Film verwendet. So mochte ich den Ali nicht zeigen, ganz neutral ist man ja nie.
Jetzt gehe es ihm doch gut, er sei glücklich. Erfolgreich in der Gesellschaft ja, aber glücklich? Er habe sich angepasst, meint er, mache mit, lüge wenn notwendig, Bestechungsgeld manchmal, alles gegen seine Grundsätze, er sei halt geworden wie die anderen. Mindestens fähig, das Treiben zu ignorieren. Sonst halte man es hier nicht aus. Dem Druck der Gesellschaft, dem könne man nicht lange widerstehen. – Auch Mohammed kürzlich wollte sich nicht als glücklich bezeichnen. Zufrieden sei er, dass er das Gefühl habe, hier doch etwas bewirken zu können. Aber glücklich?

Man gewöhnt sich an alles. Den Hustensirup, den ich anfangs kaum schlucken konnte, zwar süsslich, aber mit einem widerlichen Abgang, den trinke ich nun ohne Probleme. Meine Geschmacksnerven scheinen betäubt zu sein.

Mohammed ist heute zurückgekehrt, die grauen Schuhe mit den keck blauen Schuhbändeln standen plötzlich wieder im Eingangsraum. Da habe ich aber Glück gehabt, erst heute Morgen hat die Putzfrau die Blutspuren in der Küche gereinigt und überhaupt seine ganze Wohnung geputzt.
Mohammed ist wieder der alte Mohammed, so wie ich ihn aus Europa kenne. Wie lange wird das anhalten?