Eine
magere, auf dem Rücken liegende halbierte Zitronenscheibe ist der Mond erst und
bringt doch bereits soviel Licht, dass mein Körper Schatten wirft. Mindestens
hier draussen, in dem lauschigen Garten der Fumba Beach Lodge, wo der Mond wenig
Konkurrenz hat. Einzig die Sterne am Himmel, die in Sansibar immer besonders
hell leuchten, und auf dem Meer goldene Punkte, Fischerboote auf der Jagd nach
Sardinen und anderen Schwarmfischen, die vom Licht angezogen werden. Tropisches
Paradies. Wie immer nicht unbedingt gemacht für Einzelreisende, Honeymooner hat
es vor allem und ältere Ehepaare, eine deutsche Familie mit lästig quängelnden
Pubertierenden, allein angereist ist ausser mir einzig ein älterer Herr. Älter
als ich, muss ich nun wohl sagen. Und im Paradies bin ich, weil das Jahr leider
nicht gerade gut angefangen hat, gestern hatte ich das Gefühl, dass dieses
nicht mehr gar weit, derartig geschwächt war ich und hatte das Gefühl, dass das
Leben aus mir heraus rann.
Der Jahresanfang war hart, Rückschläge auf der Baustelle, der Sanitär konnte seine Toilette nur mitten im Raum und unter der Dusche montieren, derartig intelligent war sein Loch im Boden platziert. Ich habe das vermutet, jedoch gehofft, dass es dann schon irgendwie gut komme. Der Terrazzo war nun gegossen und poliert, die Plättli gelegt, das ist sehr gut gekommen, der Plättlileger hat mich positiv überrascht, doch was nun? Nach langen und intensiven Diskussionen blieb nur der Schluss, den Boden wieder aufzureissen. Dies wiederum – oder die Art, wie ich mich über dieses Missgeschick aufgeregt habe - hat den Sanitär derartig in seinem Ehrgefühl verletzt, dass er von da an nicht mehr gesehen wurde, die Sache also bis heute nicht geregelt ist. Und eigentlich ist es ja klar: Wie sollte der arme Kerl wissen, wo dieses Loch genau hingehört? Die meisten Einheimischen haben nur einen kleinen Raum mit Betonboden als Toilette, einem Loch darin, irgendwo, einem Wasserhahn, auch irgendwo und einem Plastikkübel. Da ist die Lage dieses Loches nun wirklich nicht zentral. Oder eben doch der Einfachheit halber meistens zentral.
Irgendeinmal im Dezember habe ich die Bekanntschaft eines italienischen Architekten gemacht, der sei 20 Jahren in Tansania arbeitet und hier das wohl schönste Hotel der Stone Town umgebaut hat. Wenn man nicht auf verspieltere Sachen wie die Renovationen von Emerson steht oder gar kitschiges Zeugs liebt, wie es die Inder gerne haben. Item, Silvano Alberghini war also bereit, einen Rundgang durch das Malindi House zu machen. Als Freund, meinte er, eigentlich dachte ich ja, dass ich ihm einfach einmal mein Haus zeigen wolle. Er jedoch war von Anfang an ganz Berufsmann und sah jedes Detail. Er wusste jedes Kleinod des Gebäudes zu schätzen, sah aber auch überall, wo die Handwerker gepfuscht hatten und kam mit einer Checklist, woran man alles hätte denken sollen. Bei der Liste standen wir gut da. Ausser einer Fernsehantenne und einem Wireless Lan, beides gibt es absichtlich nicht, fehlte nichts. Doch fand Silvano verschiedene Pfuscharbeiten der Schreiner, die man ausbessern muss und die Sanitärinstallationen nannte er „afrikanisch“. - Wer hätte das gedacht? Am schlimmsten jedoch war für mich, dass nun bereits ein Teil der Sanitär- und Elektrizitätsleitungen mit Beton zugeputzt wurde. Dieser jedoch geht mit dem alten Stone Town Gemäuer keine wirkliche Bindung ein, sondern falle, laut Silvano und anderen Experten, recht rasch wieder ab. Beton ist einfacher anzuwenden als „mave“, übersetzt Schmutz, das Lehmgemisch, das ursprünglich eingesetzt wurde. Weshalb die Fundis dann gerne behaupten, dass es nicht möglich sei, damit zu arbeiten. Was soll man da als Nichtfachmann tun? Salum, beziehungsweise Ali, ihr wisst das ja gar nicht, Ali war sein falscher Name in der Schweiz, richtig heisst Ali Salum. Da niemand hier Ali zu ihm sagt und es zudem tonnenweise Alis gibt, nenne ich ihn lieber Salum und werde das fortan auch in meinem Blog so machen. Neues Jahr, alles neu, mindestens ein bisschen. Salum also, erhielt das Kompliment, er habe den Bau ohne fachmännische Kenntnisse erstaunlich gut geleitet. Jedoch, befand Silvano, wäre eine Supervision sicher gut. Da Salum damit auch einverstanden ist, werden wir mit ihm einen Vertrag abschliessen. Insbesondere die Treppenhäuser, die ursprünglich in der Stone Town halbe Leitern waren und gänzlich neu geplant werden müssen, sind komplizierte Sachen, die ein fundi nicht so einfach planen kann. Auch die Warmwassersolaranlage möchte ich nicht mehr unserem Sanitär überlassen, das ist mir zu riskant.
Vor drei
Tagen nun fühlte ich, dass mit meinem Bauch etwas nicht stimmen konnte,
Messerhiebe, kam es mir vor, nur mit Mühe konnte ich herum laufen, dachte aber
erst an eine Darmkolik. Die Aufregung, meine Eingeweide sind sensibel, das wäre
nicht das erste Mal gewesen. Gegen Abend dann wurde mir klar, dass etwas
wirklich nicht mehr stimmte, schlecht war mir auch aber erbrechen konnte ich
nicht, dafür die ganze Nacht Durchfall. Am Morgen war ich so schwach, dass ich
kaum mehr aufsitzen konnte, Salum brachte mich zum Arzt. Der behielt mich dann
gleich dort und machte Infusionen mit Flüssigkeit. Und Antibiotika. Schon
wieder, hatte ich doch die letzten Tabletten wegen der Bronchitis kaum vor
einer Woche eingenommen. Am Abend fühlte ich mich immer noch extrem schwach,
wollte aber nach Hause. In Afrika ist es nämlich so, dass Verwandte einen
Patienten ins Spital begleiten und dort für ihn schauen. Den ganzen Tag über
hat niemand gefragt, ob ich vielleicht etwas trinken möchte oder auf die
Toilette müsse, stundenlang war ich mit meiner Infusion allein im Zimmer, so
wollte ich nicht die Nacht verbringen. Der Arzt entliess mich dann mit weiteren
Antibiotika zum einnehmen, einem Medikament gegen Amöben und Paracetamol gegen
das Fieber. Ohne irgendwelche Blutuntersuchungen, einzig der Malaria-Test wurde
gemacht, er war negativ, darin ist man hier geübt. Medikamente gibt man
offensichtlich gegen alles was irgendwie möglich sein könnte, ohne eine genaue
Diagnose ist man so auf der sicheren Seite, nur habe ich das Gefühl, dass ich
nun bereits für das ganze Jahr voll gestopft bin mit Antibiotika und weiterem
Zeugs, das, falls nicht wirklich notwendig, nur den Körper belastet.
Und so kam ich eben ins Paradies. Da ich keine Lust hatte, in meiner stickigen und Kakerlaken verseuchten Wohnung die notwendigen Erholungstage zu verbringen, hat mich Salum nach Fumba gebracht. Wirklich ein schöner Flecken Erde und ich hoffe, morgen auch das exquisite Essen noch etwas geniessen zu können.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen