Dienstag, 17. April 2012

Abu Simbel, den 4.April 2012














Im Endeffekt sind eigentlich vor allem die Wohnorte wichtig, die Hotels, in die man sich zurückziehen kann beim Reisen. Insbesondere hier in Ägypten, wo das Draussen immer Lärm und häufig Belästigung bedeutet. So fällt es mir nach drei Tagen bereits schwer, Abu Simbel zu verlassen. Auch weil ich im Ort ein paar Freundschaften gemacht habe. Vor allem jedoch, weil das Hotel Eskaleh ein Gebäude ist, in dem ich mich sehr wohl fühle. Und gut arbeiten kann. Nicht in dem Stil gestaltet, den reiche Araber mögen. Kein Prunk, kein Kitsch, kein Fernseher. Dafür kühles Dämmerlicht, luftige Arkaden und Ausblicke auf die Landschaft von der Dachterrasse aus. Und als Geräusche das Quaken der Frösche, Vogelgezirpe, leise Musik der Oud, Klassik oder Jazz. Keine laute Arabische Musik, die ich kaum mehr hören kann. Kein Gehupe, kein Autolärm. - Nicht der staubige Wüstenort, der sich Mühe gibt, sich dank Bewässerung in ein Paradies zu verwandeln, ist es, der mir den Abschied schwer macht. Ich bin immer noch kein Wüstenkind, ich mag es üppiger.
In den Abendstunden trifft der Bus nach einer staubig heissen Fahrt durch die Wüste in Assuan ein. Das Abendlicht wirft einen rötlichen Schleier über die Gebäude, eine schöne Stadt, der Nil mit seinen schwarzen buckeligen Felsen mittendrin, die ein früher Reisender als Elefantenrücken interpretiert haben soll, das üppig grüne Ufer gegenüber und die bizarren kahlen Hügel und goldenen Sanddünen dahinter, die mit ihrer Farbe auch den Nil in einen Goldfluss verwandeln.
Ich habe bereits das Gefühl, nach Hause zu kommen, ich kenne mich aus, ich weiss, wohin gehen, Kareem mein junger charmanter Sitznachbar hilft mir an der richtigen Stelle auszusteigen, ich muss nicht bis zum Busbahnhof hinaus fahren. Er ist auf dem Rückweg nach Luxor, zu seiner Familie. Dort hat sein Vater mehrere Touristenshops. Und sein älterer Bruder einen in Abu Simbel, wo er zwischendurch aushilft. Er zeigt mir die Fotos all seiner Geschwister und Freunde auf seinem Telefon, auch Fotos von Pistolen sind darunter, da schaltet er kommentarlos weiter und bietet sich gleich an, mich ans Rote Meer zu begleiten. Obwohl er charmant ist und gut aussieht lehne ich ab. Nicht nochmals ein Muslim, das ist mir zu kompliziert.
In Assuan gehe ich wieder ins Marhaba Hotel, ein anständiges Hotel, etwas verlottert zwar, wie an vielen Orten in Ägypten merkt man, dass das Geld fehlt.
Nach einer ausführlichen Dusche gehe ich in die Bazargegend essen, dann Tee trinken am Rande dieser belebten Fussgängerstrasse - etwas aussergewöhnliches in Ägypten - und den Leuten zuschauen. Dem Menschenfluss, der sich beständig durch diese Strasse ergiesst. Die Frauen tragen zwar meistens einen Schleier, doch ist ihre Mode daneben äusserst vielfältig. Von traditionell schwarz und schlicht bis keck und bunt, mit viel Westlichem darunter, asymmetrische Rocksäume scheinen bei jungen Frauen der Hit zu sein. Natürlich werden darunter Hosen getragen, gerne auch Jeans. Auch das Kopftuch wird sehr vielfältig getragen, eine Art rüschchenbesetztes Tuch scheint gerade Mode, das habe ich in Sansibar noch nie gesehen, dicke Haartrachten darunter vergrössern die Silhouette. Vor mir sitzt eine Gruppe junger Männer, es wird gestikuliert, gedroht auch, heute scheinen mir die Männer nervös zu sein, bereits zweimal kam es fast zu einem Handgemenge. Einmal als ich auf mein Essen wartete und sich Kellner und Koch in die Haare gerieten. Ich habe mich aus dem Lokal gestohlen und nicht auf das Essen gewartet. Der Wirt, den ich später gekreuzt habe, war nicht wütend darüber, sondern hat sich entschuldigt.
Ein 12- bis 14-jähriges Mädchen, noch unverschleiert und in engen Jeans, kurvt auf seinem Rollbrett die Strasse auf und ab. Zwischen den Passanten hindurch. Und kurvt immer wieder ganz nahe vor den jungen Männern hindurch, die vor mir sitzen, mir den Rücken zuwendend, ebenfalls mit Blick auf das Treiben. Ganz unschuldig scheint mir die Jugendliche nicht mehr zu sein. Jedes Mal, wenn sie vor uns vorbeikurvt, wedelt sie neckisch mit den Hüften und schaut die Männer an.
Zurück im Hotel, versuche ich den Strassenlärm auszublenden. Assuan ohne Lärm, das wäre eine wundervolle Stadt. Merkwürdigerweise wird mein Tinitus von dem Lärm nicht überdeckt sondern dröhnt trotzig ums lauter.

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