Samstag, 21. April 2012

Al-Quseir, 9.April 2012











Um 5 Uhr morgens müsse ich gehen, findet der Hotelangestellte, wenn ich den Bus um 7 Uhr erreichen wolle. Einen Fährmann finde ich sofort. Zu Fuss gehe ich durch den noch kühlen Morgen bis zum Bahnhof, den ich um halb sechs erreiche. Ich trinke in der Strasse Kaffee und komme mit einem Mann ins Gespräch, der auf einem Nilkreuzfahrtschiff arbeitet. Ja, die „Isis Amarante“, das sei ein schnelles Schiff. Auch der Felukka-Kapitän gestern hat dies gesagt und die ganze Besatzung damals sowieso, denn die Nilkapitäne lieben es, sich ihre Zeit mit Rennen zu verkürzen. Merkwürdig finde ich das schon etwas, denn das Schiff gehört nicht zu den neusten.
Warum ich denn kein Privattaxi nähme nach Al-Quseir, meint mein Gesprächspartner? Ich antworte, weil ich keine Lust habe, einen Preis auszufeilschen und hier sowieso immer übers Ohr gehauen werde. Wie viel ich denn bezahlen wolle? 200 Pfund. Der Mann verschwindet auf dem Bahnhofplatz. Als er zurückkommt, meint er, nein, für 200 mache das niemand, für 300 wäre möglich. Immerhin sind es hin und zurück 600km, die gebotenen 40 Franken waren wenig, vor allem jetzt, wo es Probleme mit dem Benzin gibt. Also gut, sage ich, halt 300. Ein klapperiger Peugot mit zwei Fahrern erscheint. Ob ich denn in die zwei Vertrauen haben könne, gute Fahrer und so? Doch, doch, Freunde, kein Problem, ich verabschiede mich. Und werde später erfahren, dass mein Gesprächspartner die beiden gar nicht gekannt hat.

So richtig gut fühle ich mich nicht in dem Wagen. Laute arabische Musik plärrt aus den Lautsprechern in meinem Rücken, bei der ersten Tankstelle fahren wir vorbei, müsste schon reichen, das Benzin, auf meine Frage, ob sie denn genug hätten durch die Wüste. Erst fahren wir das Niltal hinunter, stark besiedelt, viel Verkehr. Auffällig sind die vielen Strassenlampen, die auch über Land die Fahrbahn säumen. Stromsparen, das scheint hier ein Fremdwort zu sein. Unterwegs immer wieder Herumfragen nach Benzinpreisen und Tankstellen, die Antworten sind negativ. Wir biegen ab in die Wüste, es wird einsam, doch die Strasse bleibt gut und wir sind nicht ganz alleine, immer wieder Fahrzeuge, ich sage mir, falls wir stecken bleiben, komme ich schon irgendwie weiter. Wohl ist mir nicht wirklich, denn die beiden Typen machen andauernd anzügliche Bemerkungen und ich muss immer wieder grob werden, damit sie begreifen.

Die Wüste, eine Steinwüste, keine Sanddünen, hat zusammen mit meiner Fahrgelegenheit etwas vollkommen Unwirkliches. Der Fahrtwind ist um 10 Uhr morgens bereits derartig heiss, dass man das Gefühl hat, er entweiche einer Backofentür. Dornengestrüpp manchmal in den Senken und zwischendurch immer wieder Gebüsch, das erstaunlich grün leuchtet. Ab und zu auch Gebäuderuinen mitten im Nichts. Sind das verfallene Häuser oder solche, die nie fertig gestellt wurden? Spuren von Bergarbeiten, Kratzer, Wunden in der Landschaft, Phosphat soll hier abgebaut werden, auch sonst an Mineralien reich soll die Gegend sein. In einer Kurve ein umgekippter Lastenzug mit Anhänger. Im Schatten des Gefährts schläft ein Mann.
Nach rund drei Stunden Fahrt schliesslich ein Polizeiposten, wir erreichen Al-Quseir. Der Fahrer muss aussteigen, etwas mit den Papieren sei nicht in Ordnung, nein, ich solle sitzen bleiben. Als die beiden zurückkommen, meinen sie, 50 Pfund hätten sie bezahlen müssen um weiter fahren zu können. – Ob ich das gesehen habe, fragt mich später der Besitzer des Hotels „Quseir“? Die brächten das immer.
Im Ort angekommen stelle ich fest, dass die beiden keine Ahnung von der Stadt haben, obwohl sie das Gegenteil behaupten. Dreimal sind wir insgesamt am Hotel vorbei gefahren ohne dass sie es bemerkt hätten. Hunger, finden die beiden, den habe ich auch langsam, es geht gegen Mittag, ich habe nichts dagegen, mit ihnen etwas essen zu gehen. Sie bestellen gewaltig, Krebssuppe, dann Fisch. Die beiden essen nicht die Hälfte der Speisen, der Preis ist hoch, ich werde wütend, diese Verschwendung. - Normal sei das hier, wird mir später der Westschweizer sagen, der im selben Hotel wohnt. Die Leute würden immer einen grossen Teil der Speisen übrig lassen, denn der sei für die Frauen und Kinder bestimmt.
Endlich kommen wir doch noch im Hotel an. Die beiden finden nun 300 Pfund sei zu wenig, der Benzinpreis, die Busse, das gehe doch nicht. Ich bin zwar nicht zufrieden, denn überlegen, ob sich die Fahrt für 300 Pfund lohne, das hätten sie ja vorher machen können. Schimpfend rücke ich dann nochmals Geld heraus, insgesamt hat mich die Fahrt schliesslich 500 Pfund gekostet. Ich beschliesse, zukünftig nur noch mit öffentlichen Bussen zu fahren. Die waren bisher zuverlässig und billig.

Das Unwirkliche des Tages geht weiter. Ich stelle fest, dass ich meinen Pass im Hotel in Luxor nicht zurückbekommen habe. Sofort erklärt sich der ältere Mann an der Rezeption bereit, ihn holen zu gehen. Er kenne den Mann in Luxor, Familie. Das ist kein schlechtes Angebot, mich würde das wieder ein Vermögen kosten. Oder zwei Reisetage im Bus. Er meint, er könne die Fahrt hin und zurück für 200 Pfund machen mit dem Taxi. Beunruhigt bin ich trotzdem etwas. Bisher war selten etwas gratis und ohne Hintergedanken in Ägypten. Viel hilft es mir nicht, dass ich hier immer erzähle, dass ich einen Mann habe und ein Foto von Ali vor den Pyramiden zeige.

Mutig sei ich, findet der Mann aus dem Welschland, in Ägypten alleine herum zu reisen als Frau. Er lebt schon seit Jahren im Sinai, in Dahab nördlich von Sharm-el-Sheich. Frühpensioniert, meint er, spricht Arabisch und war bereits vorher sehr viel in Ägypten herum gereist. Wieder einmal unterwegs ins Niltal. Ein Reisevogel wie ich, wir verbringen den Abend zusammen und stellen fest, dass wir ganz ähnlich funktionieren. Zuschauer werden beim Reisen, eintauchen ins Wundersame.
Al-Quseir selber schockiert mich mit seiner vegetationslosen Kargheit und türkisblau ist das rauschende Meer vor dem Fenster auch nicht. Doch die Palme gefällt mir, der Ausblick, die Einrichtung des alten Hotels. Einzig die mangelnde Sauberkeit stört mich, da scheine ich typisch Frau zu sein. Denn der Mann aus dem Welschland hat nichts davon bemerkt und der Hotelbesitzer meint zu mir, er habe es gerne sauber. Trotzdem, ich finde, dass der ausserordentlich hübsche junge Mann, der hier die Zimmer macht, wohl anderes besser kann als putzen.

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