Dienstag, 15. Dezember 2015

15.Dezember 2015




Windböen vertreiben mich von meinem Hochsitz im TeaHouse, die zwei Rollos, die ich zum Schutz vor Regen heruntergelassen habe, schlagen wild in der Luft, rasch rolle ich sie wieder hinauf. Lieber nass drinnen, als dass diese aufwändigen und immer noch nicht perfekten home made Schutzstoren abgerissen werden. Kein starker Regen, aber solche Sturmböen habe ich hier noch nie erlebt. Lose Teile könnten in der Luft herum fliegen, das wird mir zu gefährlich, ich flüchte einen Stock tiefer,  und schliesse in meinem Palastzimmer die Türe und die Fensterläden Richtung Meer. Im Dämmerlicht schreibe ich nun und höre draussen immer noch dumpfes Donnergrollen. Der Regen ist ein leichter Landregen geworden, Internet hat es keines. Auch der Strom fällt nun aus, kein Licht, die Nähmaschine kann ich vergessen, selbst zu düster , als dass man lesen könnte. - Draussen höre ich ein Hämmern, Kindergeschrei auch wieder. Und rieche den Geruch von frisch zubereitetem Essen. Die Welt ist doch noch nicht untergegangen.

Das beständige Rauschen des Regens dämpft den Lärm der Schleifmaschine unseres Nachbarn, er zimmert Möbel. Ich denke an unseren Nachbarn in Shangani, den ehemaligen deutschen Konsul. Er hat sich immer über den Möbelschreiner auf der anderen Seite seines Hauses beklagt. Der beste in ganz Sansibar, meinte er, doch könne er ihn trotzdem nicht empfehlen. Zu nervig der Lärm. – Nun habe ich hier also auch meinen Schreiner. Und vertreiben wollen wir die ursprüngliche Bevölkerung des Quartiers ja nicht, also muss ich mich wohl oder übel daran gewöhnen. Auch daran, dass viele unserer Nachbarn Nachtmenschen sind, Fernseher, Radio, laute Gespräche bis tief in die Nacht. – In Shangani war es dafür der Lärm der Discos und Bars. Oder der Superpower, der wieder einmal sturzbesoffen herumjohlte. Jedem Quartier sein Übel, bzw. seinen Lärm.

Das graue Wetter drückt auf die Seele, rheumatische Rückenschmerzen halten auch nicht dagegen, ich denke, heute ist ein Tag für einen Gin Tonic. Beim Sonnenuntergang, der sich heute ziert, doch immerhin, der Himmel hat sich etwas geöffnet, sitze ich im Livingstone direkt am Meer. Die Wellen wüten, ein Getöse, ich bin froh, dass mein Haus etwas zurückversetzt ist. Laute Brandung erinnert mich immer an einen Aufenthalt mit dem Sere in Portugal. Der wollte dort wieder einmal „clean werden“. Vier grässliche Tage, er total deprimierend, ich ebenfalls kraftlos, in einem Hotel direkt über der Brandung. Und als wir zurück in Lissabon waren, hat sich der Sere sofort wieder davongeschlichen, der nächste Schuss lockte zu sehr.


Vor dem Eindunkeln drängen sich die Strassenverkäufer vor der Absperrung des Livingstone. An Toreros erinnern sie mich, als sie ihre Tücher schwenken um letzte Käufer zu finden. Wie Mosquitos, die genau um diese Zeit am aufdringlichsten sind.

Recht gut besucht, das Livingstone, ich bezahle für meinen Gin Tonic 10'000.-TS. Zweimal habe ich heute gleich viel an Bettler verteilt, das schlechte Wetter, und für denselben Preis noch einen grossen Regenschirm gekauft. 12'000.- wollte der Mann zuerst, doch war er sofort mit dem gebotenen Betrag zufrieden, der Erlös war immer noch gut.


Zwei Männer sitzen wie ich alleine an einem Tisch und blicken auf das Meer. Einer schwarz, einer weiss, beide in mittlerem Alter und mit Brille. Und wirken dadurch wie, oder sind Intellektuelle. Blick in die Ferne, abwesend, an was, wen wohl verloren, ich fühle mich ihnen verwandt. Die leise Melancholie der Dämmerung.
Auf dem Nachhauseweg werde ich in den Gassen immer noch freudig begrüsst von Leute, die mir dieses Mal erstmals begegnen. Balsam für meine Seele.

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