Vor dem Lukmaan läuft heute nicht viel. |
Um 7 Uhr früh gehe ich quer durch die Stadt. Es ist sehr ruhig, nur wenige Menschen draussen, praktisch alle Geschäfte und Restaurants sind verriegelt, einzig der Lukmaan bleibt offen. Ich esse zwei Samosas und trinke Tee, sitze mit dem Handwerker Abu auf der Terrasse und beobachte die Strasse und wir scherzen über die Angsthasen, alles besten so far. Auf dem Rückweg hinter dem Markt in Darajani sammeln sich ein paar Männer, einer mit Stock, eher eine gereizte Stimmung, doch bald bin ich zu Hause.
Die leere Marktstrasse. |
Um 10 Uhr, hören wir etwas wie Gewehrsalven, Naima meint rasch, das seien Schreckschusspatronen, doch ich muss zugeben, dass ich Schiss kriege, denn manche davon sind sehr nah. Ich fülle ein Becken mit kaltem Wasser und lege zwei Frottiertücher daneben, feucht auf das Gesicht gedrückt soll das helfen bei Tränengas und Pfefferspray. In meiner Wohnung kann ich kein einziges Zimmer luftdicht abschliessen.
Ich muss zugeben, dass mir nun doch etwas mulmig zumute ist. Ich, die bereits Angst vor dem Knallen von Feuerwerkskörpern hat. Offensichtlich hat die Opposition ihre Drohung wahr gemacht, und versucht, in die Wahllokale einzudringen, die heute nur für Regierungsmitglieder geöffnet sind.
Knapp elf Uhr, die schwarzen Wolken über der Stadt bringen wirklich Regen, kein Riesenguss, doch hoffe ich, das dies die Gemüter abkühlt.
Unterdessen versuche ich, den Post vom Vortag hochzuladen, und merke, dass das Internet nun doch abgestellt wurde, verständlich, denn damit kann man die Leute sehr rasch sammeln und verschieben und das wäre in der angespannten Situation nicht gut. Wenn ich daran denke, was für Videos bereits am Sonntag auf Youtube zu finden waren, befürchte ich, dass dies einen Teil der Bevölkerung in Panik versetzen würde und den anderen Teil vielleicht noch mehr anstacheln. Sobald der Regen etwas nachlässt, erneut Schüsse und von fern das Schreien von Frauen, einzig die Katzen scheinen vor solchem nicht gross Angst zu haben.
11:30, der Ton, der die eingehenden mails ankündigt, erklingt, offenbar funktioniert das Internet wieder - für ein paar Minuten. Komisches Gefühl, in dieser Situation von der Welt abgeschnitten zu sein.
12:15, nach längerer Ruhe, glaube ich ganz nahe Kampfgesänge zu hören und denke für mich, diese Idioten, das kann nicht gut kommen. Doch dann merke ich, dass meine Nerven blank liegen. Langsam kristallisiert sich in meinem Gehirn der eindringliche Gesang eines einsamen Muezzins heraus, es ist Mittagsgebetszeit.
Um 13 Uhr erneut ein Regenguss, diesmal ein richtiger, Donnergrollen, auch davor habe ich Angst, heute bleibt uns wirklich nichts erspart. Wenigstens kaum Wind, so dass das Risiko einer Überschwemmung meiner Wohnung gering bleibt. Weil der Regen auf die Blechdächer hämmert, ist es sowieso nun sehr lärmig, Gewehrsalven oder Geschrei wären nicht hörbar. Hoffentlich dämpft solcher Regen das ganze Geschehen ab. Im Haus sprechen wir per Telefon miteinander, der einzige Weg der Kommunikation. Wir finden heraus, dass wenigstens die SMS immer noch funktionieren.
Ich telefoniere mit Hidjam, dem Mann, der auf dem Grundstück wohnt, in das wir die kleinen Kätzchen gebracht haben. Ob er die füttern könne, ich möchte im Moment niemanden quer durch die Stadt schicken. Er meint ja. Und auf meine Frage, wie die Situation denn dort sei, ob der Lukmaan immer noch offen? Nein, auch der sei nun geschlossen worden.
15 Uhr, nur schwacher Regen, ruhig draussen, ich rieche Essengerüche, Naima oder Mgeni scheint zu kochen, ich esse ein Stück Sauerteigbrot mit Salzbutter. Dann ein Telefon mit Fahmi, ich solle die App VPN herunterladen, dann könne ich ins Internet. Schon gut, doch wie tut man dies ohne Leitung? Damit würde facebook und WhatsApp und alles ganz schnell laufen, meint er. Die Nachbarn kämen bei ihm vorbei und er haben eben eine Gruppe Bewaffneter mit Hunden herum laufen sehen. Algeciras, die Arabische Fernsehstation habe über Unruhen in Sansibar berichtet. - Salum wiederum meint, er nutze die Zeit zum Schlafen. Nein, keine News schaue er, Mgeni schaue ihre Filme. Er scheint von nichts wissen zu wollen. Auch ich will versuchen zu schlafen. Doch was war das Grollen, das man vorhin durch den Regen hindurch gehört hat? Vielleicht doch die Tankwagen, die manche bereits vor Tagen gesehen haben wollten?
Sogar das Abendrot wirkt heute bedrohlich. |
16 Uhr, wieder Gebetszeit, der Himmel klart etwas auf und die Welt draussen erwacht. Ich gehe Fahmi besuchen und trinke Kaffee mit ihm. Immer wieder schauen Nachbarn hinein, die Türe zur Strasse bleibt offen. Die Wahllokale seien ab 4 Uhr geschlossen, auch die Krawallmacher müssten schliesslich einmal essen und zu ihren Familien gehen und schlafen. Jetzt könne ich schon hinaus gehen und zu den Kätzchen in Vuga schauen. Fahmi leiht mir Ahmed’s Velo aus und rät mir, auf der Hauptstrasse durchs Touristenquartier zu fahren, so sei ich sicher. Ich folge seinem Rat, und effektiv schnappen auf der Strandpromenade ein paar Einheimische frische Luft und plaudern und ein paar Touristen laufen im Shanghaniquartier herum. Das Serena Hotel, das Hyatt und das Tembo Hotel haben offen, aus dem Afrika Haus klingt Musik, einzig zwei kleine Lastwagen mit Militär stehen herum und erinnern an die Unruhen vom Morgen. In Pemba habe es 9 Tote gegeben, vernimmt man, die Männer, die ich draussen antreffe, geben sich locker, sogar Fussball wird gespielt.
Ein Schiff der Armee ankert vor dem Touristenquartier. |
Bis zum Abendgebet. Ab 18:30 und damit dem Niedersinken der Dunkelheit, sind die Strassen bereits wieder leer und es ist unheimlich still, das Nachtgebet um 19:30 dröhnt ungewohnt in vollkommene Stille.
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