Donnerstag, 29. Oktober 2020

26.Oktober 2020

Wegen aktuellem Geschehen spule ich den Film etwas vorwärts, es sind Wahlen. Diesmal auch ohne viele Fotos, das Internet ist meistens abgestellt, der Upload von Bildern praktisch unmöglich.


In zwei Tagen sind Wahlen, die Schulen sind seit Samstag geschlossen, überhaupt scheint das Leben etwas erstorben. Gestern Abend, als wir von Makunduchi zurück in die Stadt gefahren sind, kriegte ich erstmals Angst. An allen grossen Kreuzungen war Militär postiert, bis zu den Zähnen bewaffnet, verhüllt, und dies nicht wegen Corona. Schuhe lagen irgendwo auf einer Kreuzung herum, ein Mann lag regungslos auf dem Bauch in einem Lastwagen des Militärs. Heute war der letzte Kampagnentag. Im Taxi im Verkehrschaos stecken zu bleiben, gab mir ein mulmiges Gefühl.
Fahmi - er ist doch geblieben, man könne nicht feige fliehen -  erzählt mir später, dass nach dem Umzug der Regierungspartei, die Teilnehmer feiern wollten, wie das so Brauch sei, viele würden sowieso nur wegen dem Johlen und Trinken teilnehmen. Das Militär habe die Leute aber brutal vertreiben. Komisch, bei der Regierungspartei. Ganz offenbar ist das vom Festland hierher gebrachte Militär sehr nervös.

Später kriege ich ein Video zugeschickt - diesmal mit einem Umweg über Europa - das einen massiven Angriff auf das Militär zeigt, grosse Steine werden geworfen, da hätte man in der Schweiz auch reagiert. Und Salum meint, das Problem sei gewesen, dass die Opposition gleichzeitig mit der Regierungspartei eine Veranstaltung durchgeführt habe. Die einen im Süden der Stadt, die anderen im Norden. Nach dem Ende der Veranstaltungen habe die Polizei versucht, die zwei Gruppen nicht aneinander vorbei kommen zu lassen und den Verkehr umzuleiten versucht. Das sei kläglich gescheitert, die Leute seien wütend geworden, bis dann das Militär haben eingreifen müssen. - Das tönt schon wieder ganz anders. Beide Gruppierungen geben derartig martialische Sprüche von sich, dass bei einem Zusammentreffen effektiv Schlimmes zu erwarten war.


Hier in der Stone Town merkt man wenig davon. Die Leute warnen mich aber, in den nächsten Tagen noch spät draussen zu bleiben. Ajba erklärt mir, dass sie sich überlegt hätten, den Lukmaan zu schliessen, sich jedoch entschieden hätten, während den Wahltagen offen zu halten. Mit all den Leuten, die wegen der Wahlen hier auftauchen würden, vielleicht sogar gute Tage. Der Lukmaan  hat sich politisch nie positioniert - wie die meisten Leute hier. Gerade mal ein Viertel, die ich gefragt habe, wollen abstimmen gehen. Im Festland sei das anders, meint man. Nicht wegen der Präsidentschaftswahl - sowieso eine Farce - aber bei der Wahl der Abgeordneten, da könne man schon etwas bewirken.


Der Mann, der mir zwei Mal pro Woche kleine Fischchen für die Katzen bringt, fragt heute, ob ich nicht gleich für drei Mal einkaufen wolle, denn in den nächsten Tagen komme er nicht auf den Markt.  Und Fahmi rät mir, genügend Essen und Wasser Zuhause zu haben, man wisse ja nie. So denke auch ich langsam vorsorgen zu müssen. Morgen ist dieser ominöse Wahltag der Regierung. Die Opposition befindet, dann gehe sie auch gleich an diesem Tag abstimmen, obwohl die allgemeinen Wahlen erst am Folgetag angesagt sind. Das lässt Ungutes befürchten, wahrscheinlich besser, nicht in der Nähe von Wahllokalen vorbei zu kommen. Am zweiten Tag dann die richtigen Wahlen und schliesslich der Tag danach mit den Wahlergebnissen, der wohl der gefährlichste werden könnte. Will heissen, dass man schlimmstenfalls erst wieder am Freitag einkaufen kann.



Doch ein Affe vereitelt, dass ich mir einen Notvorrat anlegen kann. Als ich die Kätzchen in Vuga füttern gehe, macht der Affe des Nachbarn die Bäume unsicher und kommt neugierig immer wieder in den Unterstand mit den Kätzchen, manchmal berührt er sie, was sie mit einem quietschenden Schreien quittieren. Ich frage den Tierarzt, was zu tun sei? Er will vorbei kommen. So warte ich etwa eine Stunde dort, bis schliesslich alle Läden geschlossen sind, ich wollte mir noch Salzcrackers und Salznüsse holen. Der Affe geht bei Einbrechen der Dunkelheit in die Bäume zurück schlafen und Goodluck meint ankommend, der werde den Kätzchen nichts tun, ausser sie zu erschrecken. So gehe ich durch das Shanghiquartier und will mir noch ein Bier genehmigen. Sowohl das Livingstone, dieses ohne Kommentar, wie das Marumaru, „wegen ausserordentlichen Umständen momentan geschlossen“, wie das Upendo, ebenfalls mit Schild, wollen mir irgend etwas anbieten. Es wird langsam ernst und ich bereue es jetzt, nicht doch irgendwo einen Notvorrat angelegt zu haben. - Zum Glück hat mir Salum jede Menge Früchte vorbei gebracht, sogar Trauben, die sind ausserordentlich gut, also verhungern werde ich sicherlich nicht in den nächsten Tagen.
Es wird ein merkwürdig ruhiger Abend. Kein Kindergeschrei - wie machen sie das nur - kein lauter Fernseher, keine Musik, überhaupt keine Geräusche, selbst die Katzen sind ausnahmsweise verstummt, Stimmen nur gedämpft, die Ruhe vor dem Sturm?


Das Internet funktioniert noch, ich müsste profitieren, viele sind darüber erstaunt. Die Regierung würde das gerne abdrehen, meint man, doch heute seien die Banken, die Regierung selber, überhaupt alle Geschäfte derartig davon abhängig, dass das wohl nicht mehr zu machen sei.

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