Sonntag, 22. April 2012

Marsa Alam, 18.April 2012









Ich bin früh aufgebrochen, Ägypter scheinen vorsichtige Leute zu sein, um halb sechs Uhr solle ich mich auf den Weg machen. Der Bus fährt schliesslich um sieben, wieder warte ich gut eine Stunde in der Station. Das Ticket wird im Bus verkauft, ich bezahle 30 Pfund, soviel habe ich vorher dem Taxifahrer gegeben - ohne dass er dies verlangt hätte, er war freundlich - schliesslich kam ich vom Mövenpick Ressort. Das verlangt andere Preise.
Der Billetverkäufer im Bus verkauft mir ein Ticket, das bestimmt schon dreimal verwendet worden ist und entsprechend viele Löcher und Einrisse hat. In den eigenen Sack geht der Verdienst, das ist hier normal, die Leute kennen keine Loyalität ihrem Arbeitgeber gegenüber. - Wie sollten sie auch, meistens ist ihr Lohn extrem gering, die versuchen, so viel wie möglich nebenher zu verdienen.
Ich frage mich, ob die Tatsache, dass Ägypten ein sehr altes Tourismusland ist - die Engländer sind schon vor 200 Jahren gerne hierher gereist, die Kunstschätze und die angenehmen Winter haben den Tourismus früh zur Blüte gebracht – zwangsläufig zu all diesen Auswüchsen führen musste. Dazu führen musste, dass man es normal findet, Fremden schamlos bis zum Zehnfachen des eigentlichen Preises abzuknöpfen. Dieses ewige Bedrängen der Gäste mit Angeboten, die sie gar nicht wollen, die oft aggressiv eingeforderten Trinkgelder. - Doch kann dies nicht der einzige Grund dafür sein, denn schliesslich ist auch die Schweiz ein sehr altes Tourismusland und bei uns kennt man das nicht.
In dieser Beziehung ist Ägypten ein mühsames Reiseland, ähnlich wie andere Länder Nordafrikas. Vielleicht liegt das an der arabischen Mentalität. Tourismus nimmt den Leuten überall ihre Unschuld. Doch selten in dem Ausmass, wie das hier geschah.
Umgekehrt – und das möchte ich betonen – ist Ägypten auch extrem angenehm zum Reisen. Gerade für Individualtouristen wie mich. Die Kriminalitätsrate ist sehr gering, mit Raubüberfallen muss man kaum rechnen. Und dies sogar jetzt, wo das Land immer noch keine funktionierende Regierung hat und eine wenig leistungsfähige Polizei. - Immerhin sei die Polizei seit der Revolution angenehmer geworden, meinte der Hotelangestellte in Luxor. Hätten die früher Bürger grundlos verhaftet und tagelang im Gefängnis behalten, so komme solches nun nicht mehr vor. Die Polizei sei vorsichtiger geworden, überlege sich gut, wie sie die Bürger behandle.

Die Busfahrt das Niltal hinunter dauert ewig. Wir fahren an wüst qualmenden Schornsteinen vorbei, das müsste Kom Ombo sein. Eine Zuckerfabrik, nehme ich an, Fuhrwerke mit eben geerntetem Zuckerrohr fahren in das Areal hinein. Nach gut einer Stunde bräuchte ich eine Toilette, Kaffee habe ich im Hotel noch gekriegt, auf der Bushaltestelle zwei Glas Karkade. Ich frage eine Frau nach einem „Hamam“, WC. Sie antwortet mir in gutem Englisch. Als ich ihre Sprachkenntnisse rühme, meint sie, sie sei Englischlehrerin und lacht stolz. Bei einem nächsten Stopp getraue ich mich nochmals aus dem Bus, der Hunger langsam, hier weiss ich nie, wann es weiter geht, die meisten Leute bleiben sitzen. Im Bus ist es um 9 Uhr morgens bereits unerträglich heiss. Ich schaue einem Mann zu, der seinen Vorplatz fegt und den Abfall etwa einen Meter weit auf die Strasse schiebt. Und bestelle einen Falafel. Gut ist er und kostet nur 2 Pfund. An Orten, wo selten Touristen vorbei kommen, bezahlt man keinen Spezialpreis.

Der Bus fährt an nubischen Siedlungen vorbei, das weiss ich nun, die Häuser immer blau gestrichen, verschiedene Blaus, das ist nicht wie bei den Griechen, häufig mit Malereien darüber. Zeichnungen aus dem Alltag. Am frühen Morgen werfen die Leute Wasser auf die Erde vor ihren Häusern, versuchen damit den Staub zu beruhigen - für eine gewisse Zeit. Ich überlege mir, wie viel anders doch das Leben in trockener Hitze ist als in tropischer. Viele Häuser sind nur ganz dürftig mit Wellblech oder Holzlatten oder Palmblättern oder Stofffetzen gedeckt, die müssen nicht dicht sein. Und Motorräder haben häufig schön geschmückte Stoffsessel mit Zotteln. Bei Regen wäre das nicht praktisch. Doch hier regnet es eigentlich nie.
Die Katzen und Hunde Ägyptens, wilde Hunde auch, vor allem an Touristenorten, sehen gesünder aus als anderswo. Hautkrankheiten scheinen hier weniger verbreitet zu sein, meist haben die Tiere ein schönes Fell. Bei Eseln und Kamelen fällt mir auf, dass sie oft geschoren sind, manchmal werden kunstvolle Muster ins Fell geschnitten. Doch auch nackte Streifen, die von Verletzungen her stammen müssen, teilweise Tätowierungen. Insbesondere Kamele werden oft „verziert“.

Auf dem Landstreifen zwischen Hauptstrasse und Bewässerungskanal wachsen zwischen dem Gras Tagetes, Bougainvilleas und manchmal junge Bäume. Zufällig sieht das erst aus, doch später sehe ich Arbeiter, die pflanzen und jäten und bewässern, entlang der Hauptstrasse soll eine Blumenpracht entstehen. – Strassen sind übrigens in Ägypten, genauso wie das Stromnetz, erstaunlich gut unterhalten. Die gut 200 km Wüste zwischen Niltal und Rotem Meer werden an verschiedenen Stellen von einer Strasse durchschnitten. An der kaum irgendeine Ortschaft liegt, die hätte erschlossen werden müssen.

Unterwegs durch die Wüste kommen wir an einem verlassenen Ort vorbei. Ruinen von Häusern. Wahrscheinlich eine ehemalige Goldgräberstation, Gold wird seit der Pharaonenzeit in dieser Gegend geschürft.
Goldgräberstimmung auch in Marsa Alam. In all diesen Orten die für den Tourismus neu aus der Erde gestampft wurden. Hier ist noch alles möglich, noch alles billig, hier kann man es versuchen. Diese Orte locken Leute aus dem ganzen Land an. Nicht immer die besten und erfolgreichsten, Abenteurer vor allem. Die soziale Kontrolle fehlt komplett. Häufig leben nur die Männer hier, die Frauen bleiben Zuhause. – Auch Mohammed will hier sein Glück versuchen und ein Beduinenzelt mit Veranstaltungen, Kaffee und Kräuterverkauf betreiben. Und fragt mich um einen Kredit. Doch dazu kenne ich ihn zu wenig. Und finde zusätzlich die Art von Tourismus, die hier an der Küste des Roten Meeres betrieben wird, vollkommen unnötig. Nicht für Ägypter, die Arbeit suchen. Aber für die Umwelt. 

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