Samstag, 21. April 2012

Marsa Alam, 13.April 2012








Eigentlich wollte ich mir ja noch ein paar komfortable Tage in einem guten Hotel leisten. Doch irgendwie ergeben sich die Sachen anders. Jetzt sitze ich in einem zwar durchaus korrekten Hotelzimmer. Rücken gegen das Fenster - die Ägypter stellen die Betten gerne so, sie ziehen ja die Vorhänge sowieso nie auf - Blick Richtung Fernseher. Zu sehen gäbe es hier effektiv nur ein Gebäude im Rohbau vis-a-vis. Das ganze ist nochmals billiger geworden, ich zahle nur noch 17 Franken. Und bin nun wohl erstmals in einem wirklich ägyptischen Hotel abgestiegen, ich denke nicht, dass hier viele Ausländer vorbei kommen.

Die Fahrt 160km der Küste entlang südwärts empfand ich wieder einmal als gänzlich surreal. Die Wüste - immer noch eine Steinwüste - die bis zum Meer reicht. Alle Paar Kilometer ein Ressort, eingefriedete Städte eigentlich, Mauern um ein riesiges Geviert. Die Architektur manchmal kitschig, mit Dornröschentürmen und Aquaparks, im „Cinderella“ etwa, häufig aber von weitem gar nicht so schlecht, in nubischem Stil mit Kuppeln und Tonnengewölben. Doch selbst die Grasflächen wirken in ihrem satten Grün in dieser Gegend kitschig, die bunten Bougainvilleen und  Blumenrabatten ebenfalls. Am passendsten sind noch die Palmenalleen, die vielerorts bis zu den Eingangstoren führen. Ich kann mir absolut nicht vorstellen, wie man sich an solch einem Ort wohl fühlen kann, das ist alles vollkommen künstlich in dieser Mondlandschaft.

Doch, doch, wird Mohammed Solimann später sagen, für Leute, die einfach hierher kämen um sich zu erholen, gerade auch mit Kindern, da sei das ideal. Sonne das ganze Jahr über, er verstehe, dass die uns im Winter fehle. Immer gutes Klima, im Sommer meist ein erfrischender Wind, das könne schon ein Ort zum Entspannen sein, man müsse sich um nichts kümmern.

Nach knapp zwei Stunden Fahrt im Kollektivtaxi erreichen wir eine Ansammlung von Häusern, einen Kreisel, ich bitte, hier auszusteigen. Ich gehe der staubigen Strasse entlang südwärts, eine Toilette und einen Kaffee brauche ich, „Bakery“ ist rechts angeschrieben, ich folge dem holperigen Weg, mein Koffer springt über die Steine. Hinter dem Wasserturm steht ein erstaunlich gut gebautes Haus, doch wirkt alles verschlossen. Schliesslich finde ich eine offene Türe und gelange in einen angenehmen Raum und frage, ob ich hier frühstücken könne. Der einzige Gast meint in gutem Englisch ja, fragt mich, was ich denn wolle und bestellt beim Kellner auf Arabisch. Ich fühle mich in den Film „Out of Rosenheim“ versetzt.

Neskaffee mit Milch, Brot, eine Art Feta, Gurken, Tomaten und eingelegtes Gemüse kriege ich zum Frühstück, das passt mir bestens. Und Gespräche mit Mohammed, er arbeitet seit sechs Monaten hier, betreut Italienische Touristen, holt sie vom Flughafen ab und macht Touren mit ihnen. Mohammed spricht auch perfekt Deutsch, mit einem hübschen französischen Akzent. Wir sprechen den ganzen Morgen über Politik. Er sei schon immer politisch aktiv gewesen. Und nein, aus dem nichts sei diese Revolution nicht gekommen, das sei schon lange im Gange gewesen. Mit 20 habe er an der Uni eine junge Deutsche kennen gelernt und später geheiratet. Auch eine Weile in Deutschland gelebt, noch sehr jung sei er damals gewesen. Ein Kulturschock, ganz klar, doch er sei froh darum. Nein, dass die Muslimbrüder nun so stark seien, das gefalle ihm gar nicht. Er gehöre zu den 20 Prozent Liberalen. Dann gebe es noch 10% Kommunisten und 5% Leute in der Mitte. Doch klar, die Geistlichen seien nun in der Übermacht, das sei gar nicht in seinem Sinne. Am Fernseher laufen Bilder vom Trahir-Platz, eine riesige Menschenansammlung heute wieder. Man wehrt sich dagegen, dass ein Kandidat aus der ehemaligen Mubarak-Regierung vom Militär aufgestellt wird. Da hätte man ebenso gut den Mubarak behalten können, meint Mohammed.
Später kommt im Fernsehen die Übertragung des Freitagsgebetes aus der Al Aznar-Moschee. Der Polizist und die wenigen übrigen Männer, die im Kaffee waren, sind bereits zur Moschee gegangen. Ob er nie bete, habe ihn der Polizist gefragt, meint Mohammed. Nein, er sei nicht gut auf die Muslimbrüder zu sprechen.

In manchen Augenblicken ist man froh, wenn die Dunkelheit die Hässlichkeit verschluckt. Nachdem mir Al-Quseir karg vorgekommen ist nach dem Niltal, finde ich Marsa Alam schon fast schmerzhaft hässlich. Ein gänzlich neuer Ort in einer Strassenkreuzung in die Wüste geklotzt, kaum die Hälfte der Gebäude sind fertig gebaut, der grösste Teil steht noch im Rohbau. -  Mubarak, der habe in Sharm-el Sheik investiert und in Hurgada. Der habe die Entwicklung hier gebremst und als Konkurrenz empfunden, erklärt mir Mohammed. Deshalb sei man noch nicht weiter. Die Entwicklung ist also stecken geblieben, vermutlich nicht nur wegen Mubarak, jetzt, nach der Revolution, fehlt sowieso das Geld, zu wenige Touristen. Obwohl, meint Mohammed, es für Europäer immer noch interessant sei hier zu investieren. In Orten, wo die Entwicklung gefördert werden solle, bezahle man in Ägypten die ersten 5 Jahre keine Steuern. Laufe es nicht besonders gut, auch die nächsten 5 Jahre noch nicht. Geld nehme der Staat vor allem aus den Gebühren des Suez-Kanales ein, nicht aus den Steuern.
 
Ich spaziere durch diese Geisterstadt ans Meer hinunter. Abfall überall, den das Meer an den Strand geschwemmt hat. Der Wind ist immer noch sehr stark und kühl, ich kann mir unmöglich vorstellen, hier ins Wasser zu gehen. Zur falschen Zeit am falschen Ort.
Schliesslich macht der schon fast kitschig schöne Sonnenuntergang über der Wüste vieles wett und versöhnt mich etwas mit dem Ort. Und diesmal klingt der Ruf des Muezzins irgendwie tröstlich in die Nacht, so habe ich das vorher noch nie empfunden.

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