Montag, 2. April 2012

Kairo, den 22.März





Die Leute hier hätten einen bösen Blick, findet Ali, während wir in einer kleinen Beiz im Islamischen Viertel „Kushari“, die Nationalspeise essen - einen, finde ich, faden Eintopf aus Linsen und Teigwaren und weiterem. Das erstaunt mich etwas, dass er das sagt, mir ist es am Anfang genauso ergangen. Liegt es an den Gesichtern, den gebogenen Augenbrauen über den oft kohlenrabenschwarzen, irgendwie glühenden Augen? Obwohl, gerade bei den Frauen gibt es auch solche mit einem verschleierten, abwesenden und so eher sanften Blick. Dunkle Augenringe darunter. Ist es wohl dies, was ihnen dieses schlafzimmerhafte, irgendwie brünstige gibt? Obwohl: die Ägypter. Das ist ja ein riesiges Völkergemisch. Was ich hier beschreibe, ist einzig der dunkle arabische Typ. - Ali, der einen Tag im Oman verbracht hat, findet, dort seien die Leute freundlicher. Dunklere Haut zwar, aber der Blick weniger streng. Alis Augen übrigens wirken gegen die Araberaugen hier geradezu hell. Vielleicht liegt das am geringeren Kontrast, der dunklen Haut.

Im Koptischen Museum gestern Nachmittag sind mir die einfachen, aber schönen, ohne Plastizität und damit etwas der pharaonischen Kunst ähnelnden Figuren aufgefallen. Und bei ihnen insbesondere die Augen. Auch hier eindringliche Blicke aus grossen runden Augen unter schweren gebogenen Brauen, dunkle Schatten unterhalb. – Und trotzdem ein anderer Ausdruck, als bei den Menschen hier, es waren ja schliesslich auch Heilige.

Die Kopten gehören zu den ältesten Einwohnern Kairos und sollen jetzt noch rund 10% der Bevölkerung Ägyptens ausmachen. Gestern Nachmittag bin ich mit der Metro ins Koptische Viertel, etwas südlich des heutigen Zentrums gelegen, gefahren. Kirchen und Paläste, einer davon zu einem Museum umgestaltet. Wohnen tut in dem Viertel niemand - ausser Mönchen. Von Mauern umgeben, Strassensperren am Eingang, viel Polizei und Militär, die Kopten wurden ja kürzlich vermehrt angegriffen, man scheint sie zu schützen. Anfangs Woche ist übrigens der beliebte Pope der Kopten gestorben. Eine verbindende Figur, wie es heisst, der habe nicht gegen den Islam gehetzt. - Die Gebäude der Anlage sind bestens unterhalten oder stehen in Renovation. Man scheint seine Berechtigung im islamischen Kairo bekräftigen zu wollen. Das erinnert mich etwas an die vielen durch Saudis gesponserten neuen Moscheen in Sansibar und auch in Teilen Chinas.
Ich verweile lange in den einsamen düsteren Sälen des Museums, die Holzschnitzereien der Decken und Balkonausgucke sind wunderbar, desgleichen die leuchtenden bunten Glasfenster. Doch vor allem bleibe ich hier, weil es in dem Gebäude wunderbar ruhig ist und einsam.

Gestern Mittag bin ich ins islamische Viertel gezügelt. Ein Kulturschock, eigentlich bin ich erst jetzt in Kairo angekommen, denn ganz sicherlich wohnt eine weit grössere Anzahl Bewohner der Stadt unter diesen Bedingungen. Eng, schmutzig, lärmig, da ist selbst Daresalaam ein Vorwort davon. Auf den Strassen stockt der Verkehr, und selbst in den Gassen, hier ist gleich das Bazarviertel, kommt man nur langsam vorwärts. In den Metrostationen dann war es geradezu beängstigend, ich mag keine Menschenmengen in engen Räumen. Beängstigender als in China an vergleichbaren Orten, obwohl dort noch mehr Menschen zusammenkommen. Doch die Chinesen sind eben immer irgendwie distanziert und diszipliniert. Das ist hier anders, gedrängt wird wie verrückt. Mir kommen die Unfälle in Mekka in den Sinn, wo sich Pilger hysterisch niedergetrampelt haben in den Menschenmassen. Zum Glück ist es hier nur ganz punktuell so gedrängt, an und für sich ist die Metro gut und nicht extrem voll und sicherlich die schnellste Art, sich in Kairo fortzubewegen. Und die billigste. 1 Pfund die Fahrt. Da sind die Taxifahrer schon mühsamer, jedes Mal dieses Feilschen, das ist nicht mein Ding. Und trotzdem habe ich überall – sei es auch nur, wenn ich einen Tee trinke – das Gefühl, sicherlich doppelt soviel zu bezahlen, wie ein Einheimischer. Doch das ist für mich nicht ganz einfach auszumachen. Kaffees, wenn ich schon die einzige Frau bin, wähle ich die schönsten, häufig mit toller, wenn auch gealterter prunkvoller Einrichtung. Das kostet bestimmt mehr als in einem dunklen Loch.

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