Dienstag, 28. April 2015

Sansibar, den 26.April 2015




Suleiman meint, viele hier würden glauben, er komme vom Festland, da sei ich nicht alleine. Er sei jedoch ein richtiger Sansibari. Denken würden die das, weil er häufig mit seiner Arbeitskleidung unterwegs sei, immer irgendwo Bauarbeiten mache. Das wollten die Sansibaris nicht machen, das seien im allgemeinen Leute vom Festland. - Auch ich habe gedacht, dass er vom Festland komme. Allerdings nicht wegen seiner Arbeit, sondern weil er keinen Bart trägt und sich auch sonst nicht wie ein Muslim kleidet. Und während der Gebetszeiten nicht von der Baustelle verschwindet. - Das waren vielleicht seine Jugendjahre bei Emerson, das muss ihn geprägt haben. Oder seine Affäre mit einer Dänin. Wie lebt er wohl seine Ehe mit einer Einheimischen? - Er habe vier Kinder. Seine Frau sei auch etwas „crazy“, meint er, die trage keinen Schleier, die kümmere das nicht. Eigentlich finde ich es erstaunlich, wie er es geschafft hat, vom Herumhänger mit Touristen zu einem Brotjob als Bauarbeiter zu finden. Und dabei fröhlich wirkt. Eben schleift er draussen die Terrazzo Terrasse ab, sie soll anschliessend versiegelt werden. Eine staubige und lärmige Arbeit. Grässlich für den Rücken. Fröhlich vor sich hin plaudernd.
Ich spreche gerne mit Suleiman. Er dient mir als Brücke zum Denken der Sansibaris, das mir auch jetzt noch nach 11 Jahren häufig sehr fremd ist.

Sansibar, den 22.April 2015





Der Morgen beginnt mit erfrischendem Wind, die zerrissenen Plastikplanen des Nachbarhauses knattern unbändig, alles ist vergänglich, dass dieser Regenschutz nicht lange bestehen würde war voraussehbar. Dunkle Wolken verdüstern den Himmel. Heute bin ich vorsichtig und verschiebe meinen Spaziergang. Gestern habe ich mich vom Regen überraschen lassen. Kaum war ich aus dem Haus, begann ein unheimlicher Guss, auch ein Regenschirm hätte mir nichts genutzt. Da bleibt nichts anderes übrig als unter einem Dach zu warten, bis die schweren Tropfen nicht mehr hinunter trommeln und die reissenden Bäche in den Strassen einen Abfluss gefunden haben. Das dauerte rund 20 Minuten. Ein paar Knaben nutzen diese Zeit für ein erfrischendes Fussballspiel.

Sheih Salum, so wird er von vielen Leuten nun genannt, ist nun ein angesehener und sehr beschäftigter Mann, man sieht ihn kaum Zuhause. Allerdings auch selten auf meiner Baustelle oder in einem seiner Restaurants. Sein Telefon klingelt ununterbrochen.
Da wir so keine Zeit mehr für Ausflüge haben, treffe ich mich häufiger mit Moddy. Gestern Abend auf der Terrasse des „Africa House“ erzählt er mir, dass er nun neue Kunden habe. Chinesen von „Huawei“, die Gesellschaft habe sich in Bweni installiert. Er mache für seine Kunden alles, Wohnung suchen, Sachen beschaffen, sie herumfahren, das seien auch etwas Freunde geworden. - Auch dies eine Lebensform. Moddy ist zwar nie besonders erfolgreich, hat jedoch immer seinen treuen Kundenstamm – darunter Entwicklungshelfer - der sich sehr grosszügig zeigt. Alle klagen im Moment, „low season“, keine Touristen, kein Geld, das bleibt jetzt bis im Juni so. Da sind hier arbeitende Ausländer die perfekte Ergänzung.
Das Restaurant „Pagode“, früher auch bei uns sehr beliebt, aber später als etwas schmuddelig empfunden, wir sind nicht mehr dort essen gegangen, scheint bei der stark anwachsenden Zahl von Chinesen – es gab bereits vorher einige im Spital, der kommunistische Nyerere hat dafür gesorgt - die hier arbeiten, auch jetzt noch beliebt zu sein, erfahre ich von Moddy.

Donnerstag, 23. April 2015

Sansibar, den 20.April 2015







Mehr als einen Monat bin ich nun in der Stadt ohne diese auch nur mit einem Schritt verlassen zu haben. Das muss sich ändern. Im „Travellers Cafe“ suche ich am Nachmittag etwas Erlösung von der Hitze, es ist ein strahlender Tag heute, ein kühlender Südwestwind weht vom Meer. Ein junges Mädchen nimmt am Strand in der brütenden Hitze ein Sonnenbad. Eine Gruppe junger Einheimischer kommt vorbei, die Frauen traditionell verhüllt. Schliesslich gibt es eine Fotosession, bei der sich die einheimischen Frauen mit der Bikinifrau zusammen fotografieren lassen. Die Männer knipsen. Anschliessend legt sich die junge Frau wieder in den Sand und die Sansibaris setzen ihren Sonntagsspaziergang am Strand fort. Was da in welchen Köpfen vorgegangen sein mag?

Ich beschliesse Moddy anzurufen und ihn zu fragen, ob eine Segelfahrt mit seiner neuen Sandra möglich sei.  Als die Sonne bereits zu sinken beginnt, stechen wir vom Tembo Hotel aus in See. Das Segel, das ihm Bruder Klaus, ein Entwicklungshelfer und Missionar aus Deutschland mitgebracht hat, funktioniert mit einer einheimischen Verbreiterung, die seinem Dahu-Segel die nötige Bauchung gibt, perfekt. Wir fahren nordwärts in Richtung Mangrovengebiete. Hier sammeln sich die Fischerboote für ihre nächtlichen Fangzüge. Auf der Rückfahrt gibt es eine kleine Dahu-Jagd, wir sind zu dritt. Omari, ein früherer Gehilfe Moddys, er hat nun ein eigenes Boot, gewinnt.
Der Abendwind - immer komme der bei Sonnenuntergang vom Land her - trägt die Fischerboote zu ihren Fanggründen hinaus. Die wenigen, die noch segeln. Meine vielen Sonnenuntergangfotos mit segelnden Dahus werden vielleicht bald einmal Geschichte sein.

Sansibar, den 18.April 2015






Mariam, das Kindermädchen, das sei keine Verwandte, das sei eine Frau vom Festland, sagt mir Salum, als ich mich darüber beklage, dass sie mich nur feindlich anschaue, wenn ich auf Swahili mit ihr spreche. Eine einfache Frau vom Land. Die habe Angst vor mir, aber mit dem Kind, da sei sie gut. Die habe überhaupt vor allem Angst, sei sich nicht gewohnt, in einer Stadt zu leben und auch die Wohnung hier sei für sie ungewohnt. Das kann ich mir gut vorstellen, wenn ich an die kleinen einzimmrigen Lehmbauten denke, in denen Salums Familie noch bis vor wenigen Jahren in Mangwapani gehaust hat. Heute wohnen sie in einem eingeschossigen sehr einfachen Haus aus Zementsteinen, mit Wellblechdach, die Mutter hat ein eigenes Zimmer, das ihr auch noch als Laden dient. Und die Toilette im Haus, die möge sie nicht mit der Familie des Bruders teilen, die sei dauernd schmutzig. Sie hat sich wie bisher im Garten ein Loch gegraben und darum herum einen Zaun aufgestellt - ist sie doch mindestens ebenso eigensinnig wie Salum selbst. Sie sei unser Haus in Malindi bereits anschauen gekommen, meint Salum, aber sie möge es nicht. Sie möge keine Treppen. Kein Wunder. Wenn man ein Leben lang ebenerdig mitten im Busch gewohnt hat.

Sansibar, den 17.April 2015





Ebbe um 8 Uhr morgens, das ist günstig, ich nutze die Gelegenheit und gehe dem Strand entlang zur Bank. Unterwegs fotografiere ich Moddys neu renovierte Sandra. Ein merkwürdiges Boot. Moddys Boote sahen immer etwas anders aus als die übrigen. Er hat nun einen winzigen Sonnenschutz installiert, das reicht kaum für zwei Touristen. Dafür kann man mit dem Boot segeln oder mit dem Motor herumfahren ohne dass dies aufwändiger Umbauarbeiten bedarf. Das finde ich nicht schlecht, denn immer mehr Touristenboote sind nicht mehr fürs segeln ausgerüstet. Auch viele Fischerboote haben kein Segel mehr, nur noch Motoren. Das finde ich sehr schade. – Trotzdem, etwas unproportioniert wirkt sie schon, die Sandra.

Nach einem kleinen Umweg durch Mlandege gehe ich in den neuen Lukmaan Tee trinken. Meine gute Laune ist sofort weg. Nun prangt dort eine grosse plastifizierte Menukarte mit „Fastfood Lukmaan“. Dabei haben doch Salum und ich das Gefühl gehabt, dass Othman nun begriffen habe, dass dies keine Lösung sei für den Lukmaan. Ohne irgend etwas zu sagen hat nun Othman diese Menukarte trotzdem herstellen lassen. Obwohl keine der abgebildeten Speisen so im Lukmaan erhältlich ist und von „fast food“ gar keine Rede sein kann. Auf eine Pizza wartet der Gast sicher eine Stunde und schmecken wird die kaum wie wir uns das gewohnt sind. Mich nervt, das Othman nicht imstande ist zu begreifen, dass er damit den guten Ruf des Lukmaan in Gefahr bringt. Wo doch bereits der neue Barbecue, da muss eine gute halbe Stunde auf Frites mit gegrilltem Fleisch gewartet werden, noch alles andere als gut eingeführt ist. Davon jedoch, vom Lukmaan Barbecue, wie wir das besprochen haben, davon steht rein gar nichts auf der Speisekarte.
Die afrikanische Lösung nun. Wie Othman diese Karten ohne etwas zu sagen produzieren liess, lässt sie Salum ebenso verschwinden. Um Schlimmeres damit zu verhindern.