Donnerstag, 31. Dezember 2015

29.Dezember 2015


die täglichen Gegensätze hier

Wir könnten heute die zwei grossen Blumentöpfe, die extra für mich gefertigt werden, abholen, teilt mir Salum mit, ich solle in den Kiponda Lukmaan kommen. Dort stellt er mir dann eine Frau und ein Mädchen vor, Verwandte aus Daresalaam, Schwester seines Bruders aus Pemba, der auch jetzt wieder bei ihm wohnt, zu krank sei er, um nach Pemba zurück zu kehren, weil es dort keine guten Spitäler gäbe. Der Bruder ist gleich alt wie ich, kann übrigens höchstens ein Halbbruder von ihm sein, denn Salum ist das einzige Kind seiner Mutter mit diesem Mann, der mehrere Frauen hatte. Salums Mutter war die jüngste und ist ihm davon gelaufen. Sie hat sich später noch 4 Mal verheiratet und insgesamt 5 Kinder gehabt. - Dieser kranke Bruder, oder Halbbruder oder was er denn genau ist, hier wird alles mögliche in Sachen Verwandtschaft als Bruder oder Schwester bezeichnet, der Bruder also, ein einflussreicher Geschäftsmann sei er gewesen, der tyrannisiert nun alle rings herum. Am meisten Salum, bei dem er sich entschlossen hat zu wohnen. Er leidet unter Diabetes und einer chronischen Lebensmittelhepatitis, unheilbar, die Leber ist schon stark in ihrer Funktion reduziert. Der Bruder also, der reichste der Familie, der will nun nach Indien gehen um sich heilen zu lassen. Obwohl alle Ärzte in Sansibar und Daresalaam davon abraten, denn dort könne man auch nicht mehr machen, als ihm antiretrovirale Medikamente geben, Aidsmedikamente helfen auch bei diesem Virus. Der Bruder will das nicht glauben er findet alle Ärzte schlecht. Und bittet nun alle in seiner Familie, ihm Geld für die Behandlung in Indien zu geben. Offensichtlich auch den Mann in den Vororten, den wir nun besuchen, nachdem ein weiterer Mann, der bereits an der Strasse wartet, aufgeladen wird und mich auf Englisch begrüsst. Wir betreten eine Hütte, die schwerlich Haus genannt werden kann, grob aus Zementbausteinen aufgeschichtet, ein Wellblechdach darüber. Unheimlich viele Leute teilen sich das finstere Häuschen des Kranken. Ich bin betroffen. Das kann man fast nicht beschreiben. Nicht dass es schmutzig wäre. Einfach ein Chaos, das Zimmer vollgestopft mit dem Bett des Kranken, eine Matratze am Boden, wir sitzen darauf, ein Geschirrschrank passt auch noch knapp hinein, dann der winzige Gang, einziger Luxus ist eine Stereoanlage, eine Türe zu einem weiteren Zimmer, das muss das Frauenzimmer sein. Am Eingang die Küche, meine Augen sehen erst nichts in der Finsternis, hockt eine Frau vor einem Kohlekocher und macht Reis. Kinder im Halbdunkel, ein Motor liegt herum, weitere undefinierbare Sachen, die Türe öffnet sich wieder, das grelle Licht und die Hitze. Wie ein Albtraum kommt mir das ganze vor.
Der Mann, den wir aufgeladen haben, verlässt uns unterwegs wieder, wir fahren weiter in einen Vorort, in dem ich noch nie gewesen bin. Hier verabschieden wir uns von der Frau, sie spricht kein Englisch, ist jedoch sehr freundlich zu mir, wie wohl, frage ich mich, stellt Salum mich seiner Familie vor? Vermutlich als Geldgeberin, als Besitzerin der Liegenschaft. Alles andere würde ihm noch mehr Probleme machen. Ob der Bruder aus Pemba das glaubt, das weiss ich nicht. Das wir beide uns nicht mögen, das jedoch ist sicher und uns beiden klar.

Am Schluss fahren wir dann doch noch Richtung Flughafen, die Töpfe, sie sind noch nicht fertig, wir sollen in zwei Tagen wieder kommen. Ich bin verwirrt, diese Odyssee, warum hat mich Salum mitgenommen? Damit ich zwischendurch auf den Boden der Realität komme? Ja, doch, meine Probleme, die sind winzig, mein Haus riesig, ich habe ein schlechtes Gewissen.

Etwas passt hier nicht in das Bild. Genau, ein Katamaran
besucht die Insel, das ist nicht die Silouhette eines Dahus.

Und gehe zum Sonnenuntergang an den Strand, dazu habe ich schon ein paar Tage keine Zeit mehr gefunden. Viele Touristen, eng zusammen gepfercht auf dem von der Flut nur spärlich frei gelassenen Sand, Bikinis neben Gesichtsschleier und wallenden schwarzen Röcken. Verrückt dieser Ort mit seinen Gegensätzen, seiner Fröhlichkeit und seiner Traurigkeit und all seinen Problemen. Da wird man plötzlich ganz klein und merkwürdigerweise auch irgendwie leicht. Man kann das alles ja gar nicht stemmen, also lässt man die Sorgen mit der Flut wegschwimmen.

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