Dienstag, 14. April 2009

9. April 2009


Da hier auch wirklich alle Sachen verkehrt sind oder auf dem Kopf stehen, brauche ich eben lange, um Gewisses zu begreifen. Während in Europa jetzt Frühling ist, haben wir hier Herbst, es geht dem Winter zu, was sich eigentlich mit starken Regenfällen ankündigen müsste. Bisher war allerdings nicht sehr viel davon zu merken, Klimawandel meinen die Älteren, früher sei diese Jahreszeit viel ausgeprägter gewesen. Im Sommer, also um Weihnachten, weht hier der Wind stark und erfrischend von Nordosten her. Im Winter wiederum von der Gegenseite, vom Südwesten. Das sind die beiden Passatwinde, auf die man sich verlassen kann. Sie haben die Geschichte der Seefahrt, und damit der Gegend überhaupt, entscheidend mitbestimmt. Zwischendurch, im Frühling und Herbst, weiss der Wind nicht so recht was er will, ob von Nordosten oder Südwesten, manchmal auch Süden oder Westen – ich vernehme, dass es auch hier neben den Hauptwinden noch verschiedene andere gibt – oder dann auch einmal überhaupt nicht. Das sind dann die drückendschwülen Momente. Weil der Wind nun bereits mehrheitlich von Südwesten her bläst habe ich im Kopf, das die Sonne im Winter ebenfalls im Süden steht, der Schatten in unserem Innenhof also auf der Südseite liegt. Muss aber feststellen, dass dies nicht stimmt, ganz eindeutig steht die Sonne etwas im Norden. Viel nicht. Viel nie. Das ist wohl das Auffälligste hier, der immer sehr steile Sonnenstand. Der macht, dass selbst Sonnenbrillen nutzlos sind, denn die Sonne fällt ja von oben direkt auf die Augen, nicht durch die Gläser hindurch wie bei uns. Weshalb ein findiger Tüftler an die Motorradhelme vorne einen mit Druckknöpfen abnehmbaren schmalen Schirm montiert hat. Den die Einheimischen natürlich sofort entfernen, wer hat denn so was je im Fernsehen gesehen, einen Motorradhelm mit Schirm. Ich hingegen habe die Qualität dieses äusserst intelligenten Teils längstens schätzen gelernt. - Und bei genauem Überlegen ist es ja klar: Im Europäischen Sommer kommt die Sonne weiter gegen Norden, es wird deshalb dort wärmer - und hier rückt sie eben ein ganz klein wenig in den Norden.

Heute Morgen ist das Meer nur leicht gekräuselt, der Himmel hellblau und rosarot, die Sonne ist noch nicht aufgegangen, kaum Wolken, es wird sicherlich ein heisser Tag. Auf meinem Morgenstrandspaziergang treffe ich die verschiedenen Habitués, das Frauengrüppchen, dem wohl vor allem am kühlen Bade liegt, weiter nördlich dann dem Indischen Ehepaar, das jeden Morgen am Strand den Tag begrüsst. Beide recht pummelig und nicht gerade sportlich sitzen sie da im Schneidersitz und machen ihre Yogaübungen. Viele davon, kaum eine davon akrobatisch, habe ich noch nie gesehen. Zum Beispiel diejenige, bei der sie die rechte Hand vor dem Gesicht ausbreiten in der Art, wie Kinder jemandem eine lange Nase machen. Anschliessend bohren sie den Daumen in eines der Nasenlöcher und winkeln den kleinen Finger etwas ab und scheinen geräuschvoll derartig die Lebenskraft in sich hinein zu schlürfen. Am Schluss ein paar Fitnessübungen, dem westlichen Gehabe will auch genüge getan werden. Weiter Richtung Hafen dann der alte dürre Mann der im Sand sitzt, die Beine weit ausgestreckt und von Sand überdeckt. Das scheint ihm eine Art Medizin zu sein. Das Grüppchen der Indischen Männer ebenfalls, palavernd im Wasser sitzend, erste Fussballspieler und viele weitere, die ein weniger auffälliges Benehmen oder Aussehen haben. Nachdem ich den Strand hinauf und hinunter gelaufen bin, will ich wieder einmal rennen. Das geht erstaunlich einfach, und als ich am Frauengrüppchen vorbei komme, begleitet mich ein junges Mädchen. Mit Trainerhosen und T-shirt, doch der Schleier bleibt auf dem Kopf. Mit Mühe. Und später fährt dann ein kleineres, nicht mehr ultramodernes Kreuzfahrtschiff in den Hafen ein, vom feuerroten Lotsenboot geleitet. Bei Sonnenaufgang werden dort die Leute aufwachen und die Stone Town vor Augen ihr Frühstück geniessen. Und die fliegenden Händler am Strand werden sich bereits die Hände reiben.

Keine Kommentare: