Freitag, 24. April 2009
22. April 2009
„Burak“ und „Mubarak“ Seite an Seite am Strand, die Ladetüren weit offen. Ich beobachte die zwei alten Fährschiffe vom Livingstone Restaurant aus. Am Tisch neben mir im Halbfinsteren - die Restaurants hier lieben es, ihre Speisen im Dunklen zu servieren, vielleicht auch besser so – die Stimmen eines amerikanischen Paares. Wie in einem Film komme ich mir vor, die männliche sonore Stimme, der Film „Casablanca“ streift durch meinen Kopf, passt zu der schwülen und schummrigen Atmosphäre, doch erst auf Jagd das Paar, wie ich bemerke. Die beiden scheinen sich noch nicht wirklich zu kennen, Geschichten von Mexiko und Venezuela schnappe ich in Bruchstücken auf, ich bin nicht wirklich konzentriert, weil am zeichnen, träumen auch, und gleichzeitig muss das Paar am Tisch genau vor mir ebenfalls beobachtet werden. Auf meinem Bild im Vordergrund. Der Mann im Profil am Labtop, sein Gesicht und der Oberkörper vom Bildschirm gespenstisch beleuchtet, die Frau daneben von hinten, ein schwarzer Umriss vor den Lichtern der Schiffe. Kaum habe ich den Mann in etwa skizziert, erhebt er sich bereits und verschwindet. Und kehrt erst eine halbe Stunde später wieder zurück, die Stimmung scheint gereizt zu sein, die Handbewegungen der Frau weit ausschweifend und nervös, hier höre ich nichts mehr von der Konversation, meine eigene Geschichte wird das, ich sehe eine enttäuschte Frau, der Mann, der die Romantik der Stunde nicht fühlt, nicht die Bedürfnisse der Frau erkennt, der übliche Skandal in den Ferien. Und die „Mubarak“ gleitet nun plötzlich geräuschlos, angekündigt einzig durch eine Änderung der Beleuchtung, vom Strand weg rückwärts hinaus ins Meer, dreht langsam ab und verschwindet in der Finsternis. Geheimnisvoll.
Ich hatte gerade noch genug Zeit, die beiden Fährschiffe und als Vordergrund die Gäste des Livingstone, zu skizzieren. Am meisten Schwierigkeiten macht mir die Tatsache, dass die Kerze auf dem Tisch vom Wind gepeitscht wild flackert und schliesslich gänzlich erlischt. Ich sehe nicht mehr was ich zeichne, zum Glück muss ich die Farben nicht auswählen, denn in der Dämmerung hat es nur noch wenige und wenige auch habe ich mitgenommen. Trotzdem, irgendeinmal höre ich auf mit der Aktivität und beschränke mich einzig aufs Beobachten. Versuche im Gedächtnis zu behalten, was ich sehe und höre und fühle. Einerseits um nachträglich meine Skizze zu beenden. Andererseits möchte ich das Erlebte in Worte fassen. Doch ob man das wirklich weiter vermitteln kann? Und sehe ich wirklich, was ich glaube zu sehen?
Die kurze - in einer halben Stunde ist das Spektakel beendet - Dämmerung in den Tropen. Im Prinzip gehe ich mehr ihretwegen am Abend ans Meer, als wegen der zugegebenermassen meist spektakulären Sonnenuntergänge. Wenn plötzlich alles verschwimmt, ins gleichmässige Dunkel eintaucht, nur noch Ahnen, Interpretation. Unschärfe, verschwinden der Konturen. Das hat etwas unheimlich Faszinierendes an sich. Die Unsicherheit, das nicht eindeutig Wahrnehmbare, die konstante und rasche Veränderung während dem Eindunkeln.
Bei Sonnenuntergang treffe ich wieder einmal den Herrn Meffert, den ehemaligen Deutschen Honorarkonsul am Strand. Noch länger als ich ist er diesmal von Sansibar weg gewesen, von Oktober bis in den April. Und findet, das reiche nun sicherlich für drei Jahre. Kein Winter mehr in Europa. Und erzählt mir, dass das grosse Gebäude gleich neben dem Afrika House, das momentan renoviert wird und ehemals der Wohnsitz des Herrn Ruete, des zukünftigen Gatten der legendären Prinzessin Salme war, nun auch in die Karume-Familie gewandert sei, ein Sohn. Damit dürfte nun so zirka die Hälfte der wertvolleren Gebäude entlang des Meeres rings um die Stone Town in den Besitz der Präsidentenfamilie gegangen sein. Trotzdem erlaube ich mir wieder einmal, im „Livingstone“ ein Bier zu trinken – selbst wenn auch dieses Restaurant zum Imperium der Präsidentenfamilie gehört. Mit einem ganz klein wenig schlechten Gewissen, das schon. Und einer noch viel grösseren Wut im Bauch.
Mubarak, Barak, Fatia und die drei Azizas. Die Fährschiffe, die während der Renovation des Hafens sehr beschäftigt waren mit dem Transport von Gütern, Autos und Lastwagen von Daresalaam nach Sansibar. Seit rund vier Monaten ist der neue Hafen nun fertig gestellt, ganze drei Containerschiffe warten seit Tagen im Hafen um gelöscht zu werden. Und die „Mubarak“ dreht mit nur sehr geringer Ladung ab in die Finsternis. Die guten Zeiten dieser Art verlotterter Fährschiffe, die eigentlich schon längstens ausrangiert sein müssten, sind jetzt wieder vorbei. Zwei der drei Schwesternschiffe mit Namen „Aziza“, im Besitz der „Azam Company“, die gleichzeitig Besitzerin einer Milchverarbeitungsfirma ist, legendäre Jogurts und Eiscremes, sollen während meiner Abwesenheit an der zweiten Anlegestelle etwas nördlicher, bei Bububu ausgebrannt sein. Ich glaube nicht an einen Unfall. Zwei schrottreife und arbeitslose Schiffe in Flammen aufgegangen. Die waren bestimmt gut versichert.
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen