Dienstag, 21. April 2009

19. April 2009


Nach den starken Regenfällen der letzten Nacht, die endlich wieder unseren Giesswasservorrat ergänzt haben, ist nochmals extrem viel Sand ins Meer hinaus geschwemmt worden, der Abbruch in den steileren Teilen der Küste beträgt nun fast einen Meter und die Quaimauern sind bis zu ihren verrotteten Fundamenten freigelegt. Und gestern Abend fühle ich zum ersten Mal fast ein wohliges Frösteln am Strand, die Luft ist angenehm frisch. Erst am Abend haben sich die finsteren Regenwolken wieder verzogen und einen bunten, von tiefschwarzen Wolkenresten scherenschnittartig überzogenen, dramatischen Sonnenuntergang freigegeben. Ich sitze Richtung Hafen auf einer Treppe und versuche das Ganze zeichnerisch festzuhalten. Eine Frau setzt sich neben mich und begrüsst mich. Ich grüsse ebenfalls, zurückhaltend, habe Angst vor der Störung. Doch sie sitzt einfach da, schaut auf das Meer hinaus und beachtet mich nicht weiter. Als es dann fast ganz finster ist und ich aufhöre zu arbeiten, beginnen wir zusammen zu sprechen. Auf Swahili. Und ich bin erstaunt, wie viel ich dabei verstehe. Sie wohne gleich hinten im Quartier. 25 Jahre alt sei sie, nein, einen Mann habe sie nicht, da müsse man warten, Inshallah, wenn Gott will, komme das noch. Drei Kinder, das verstehe ich, aber ob es ihre eigenen sind - jetzt bei den Grosseltern - oder ob sie hier als „mtumishi“, als Hausangestellte für drei Kinder schaut, das wird mir nicht ganz klar. Ihre Arbeit sei, Erdnüsschen in Tütchen abzufüllen und zu verkaufen. An Kinder meist. Und vor ein paar Tagen sei ein Fährschiff mit 200 Menschen untergegangen. Vor Tanga meint sie. Ali hat mir erzählt vor Pemba sei das passiert, Explosion im Motorraum, dann Feuer. Wahrscheinlich hat sich der Unfall auf der Überfahrt von Pemba nach Tanga ereignet. Selbst das verstehe ich auf Swahili. Aber das Aussergewöhnliche an der Begegnung mit dieser Frau, das habe ich Mühe mit Worten festzuhalten. Diese Selbstverständlichkeit, mit der sie sich zu mir gesetzt hat. Bereits dass sie ganz alleine unterwegs war, das tun die Leute hier kaum, auch das vertraute Gefühl, das sich sofort zwischen uns eingestellt hat, normalerweise bin ich sehr leicht irritiert, wenn sich mir jemand nähert beim Zeichnen. Und die seltsame Tatsache, dass die Frau – trotz meinem sehr schlechten Swahili - nicht zu bemerken scheint, dass ich eine Fremde bin, sie geht gar nicht darauf ein, fragt nichts und wenn ich ihr zwischendurch sagen muss, ich hätte nicht verstanden, dann wiederholt sie das Gesagte genau gleich schnell und mit denselben Worten, scheint einzig das Gefühl zu haben, es sei nicht laut genug gewesen. Sie ist sich offensichtlich nicht bewusst, dass ich eine andere Sprache spreche, dies nicht meine Muttersprache ist. Und ich fühle mich wohl, ihr zuhörend, selbst wenn ich nicht ganz alles richtig mitbekomme, trotzdem ist eine Verständigung da. In Shangani wohne ich. Das sei weit weg, meint sie, der Weg gefährlich. Wahrscheinlich ist sie noch nicht oft von ihrem nördlichen Hafenviertel die viertel Stunde Fussweg hinunter in den Süden, ins Touristenquartier gekommen. Als es ganz finster ist stehen wir gemeinsam auf und machen uns auf den Weg. Schon bald verabschiedet sie sich von mir und biegt in ein schmales Gässchen ein.

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