Montag, 6. April 2009
2. April 2009
Spiegelglatt und glänzend heute Morgen das Meer, ein sonniger heisser Tag meldet sich an. Und ich ertappe mich dabei, dass mir ein dramatischstürmischer, mit Wellen und Regenguss eigentlich fast lieber wäre. Doch heute reihen sich die Wolken brav und geordnet am Horizont in kleinen Bänken und niedrigen ausfransenden Türmchen auf, denn ganz blau, ohne irgendwelche Wolkenreste ist der Himmel in den Tropen nie. Um elf Uhr, werde ich mit dem zukünftigen Manager der renovierten Forodhani-Gardens die Baustelle besichtigen gehen.
Das hat Muhammad, der Architekt, gestern Abend eingefädelt. Dr. Muhammad wird er vom Manager respektvoll genannt. So werde ich Gelegenheit haben, mich dort umzuschauen, ohne dauernde Angst, von einem Wächter vertrieben zu werden. Obwohl ich es natürlich vorziehen würde, wenn die Gärten endlich wieder offen wären.
Unvorhergesehenes. Man habe festgestellt, dass unter dem östlichen Teil des Parks Richtung Hafen die Kanalisation völlig verrottet gewesen sei. So müsse das eben auch noch gemacht werden, bevor man den Garten gestalten könne. Warum man denn nicht wenigstens die westliche Hälfte, die ja fertig und bereits wunderbar blühend und eingewachsen ist, für das Publikum öffnen könne, frage ich. Das gehe nicht, der Garten sei noch nicht eingeweiht worden, diese Ehre müsse man dem Präsidenten gewähren. Die Gärten dann mit grossem Pomp einweihen zu können. Was der denn dazu beigetragen habe, frage ich ketzerisch, gebaut sei das ganze vom Aga Kahn Trust worden und finanziert, das erfahre ich heute, von der Weltbank. Ja schon, das sei wahr, meint Mohammad, doch der Präsident habe es mindestens ermöglicht, das sei während seiner Amtszeit passiert, der brauche auch etwas Lob. Er habe die Politiker nun langsam begriffen, für die sei solches wichtig. Da habe er doch früher ganz anders gesprochen, wende ich ein. Ja schon, aber nach drei Jahren zurück in Sansibar, da sei er sich bewusst geworden, dass diese Regierung immer noch besser sei als gar keine Regierung. Ein Chaos wie in Simbabwe, im Kongo oder Darfur, das wäre noch viel schlimmer. Eine schlechte Regierung sei immer noch besser, als ein Staat, der überhaupt nicht funktioniere, deshalb sei er froh darüber.
Später erzählt mir Mohammad dann doch noch von all seinen Sorgen und Problemen bei seiner Arbeit im Stone Town Conservatory Office, der hiesigen Stadtplanungs- und Schutzbehörde der Altstadt. Dass er dort keinen Rückhalt habe, auch nach drei Jahren nicht. Dass sie kein wirkliches Team seien, das am selben Strick ziehe. Doch er wolle die Leute nicht verurteilen. Bei den Löhnen hier, da arbeite halt jeder nur ein Minimum, verschwinde so rasch wie möglich und schaue sonst wie für ein Einkommen, die Arbeit im Büro, die bleibe dann einfach liegen. Und qualifizierte Leute habe es eh nur wenige. Und noch weniger, die die Notwendigkeit ihrer Tätigkeit einsähen. Dass man jetzt, wo der Staat eigentlich mit dem Tourismus recht gute Einnahmen habe, investieren müsste in die Renovation der zusammenbrechenden historischen Gebäude, auch Plätze und Parks neu gestalten, die Quaimauern renovieren, das sehe man nicht ein. Dafür habe man kein Geld. Doch wenigstens würden nun die Löhne der Beamten wieder regelmässig ausbezahlt, das sei bereits etwas.
Muhammad fliegt in zwei Tagen nach Paris, wo seine italienische Frau lebt und wo er studiert hat. Ferien frage ich, oder wolle er das sinkende Schiff verlassen? Ferien vorerst für sechs Wochen, meint er. Nein, er wolle Sansibar nicht aufgeben, weiter mitwirken am Fortschritt hier. Doch wenn möglich in einer anderen Art. Drei Jahre ohne eine Verbesserung zu sehen, ihm liege das nicht.
Und: Man müsse Geduld haben. Hier lebe man wie in Europa vor dreihundert Jahren, das Bewusstsein der Leute sei genau dort. Das brauche Zeit, viel Zeit. Die nächste Generation vielleicht. Die momentane, all diese Jugendlichen hier – sie könnten nichts dafür, das sei nicht ihre Schuld – die sei sinnlos, habe nichts gelernt, das bringe nichts. Und trotzdem dann auch: Wer hätte vor fünf Jahren daran geglaubt, dass Amerika einmal einen schwarzen Präsidenten haben würde? Vor 40ig Jahren noch Rassendiskriminierung und der Tod Martin Luther Kings, der sich dagegen aufgelehnt habe. Und damit etwas in Bewegung gebracht - im Moment sehe man solches ja meist nicht.
Nein, fotografieren dürfe ich nicht, meint der freundliche Manager der Forodhani Gardens, denn der Garten sei noch nicht von Präsident Karume eingeweiht worden. Wie erwartet wird der Rundgang durch die renovierten Gärten um elf Uhr morgens sehr heiss. Doch interessant, die Anlage gefällt mir. Aber - gleich wie der ägyptische Gartenspezialist, der hier das Projekt südafrikanischer Gartengestalter ausführt, ebenfalls zu bedenken gibt - frage ich mich etwas über die Nachhaltigkeit des Ganzen. Wie wird die Anlage in zehn Jahren aussehen? Er arbeite seit Jahren in Afrika, das kenne man ja. Sehr kompliziert sei die Wartung nicht, doch bei den unter der Erde verlegten Bewässerungsrohren müsse man schon ab und zu etwas ersetzen. Und eine Pflanzenaufzucht müsse man einrichten, um dauernd genügend Nachwuchs zu haben. Vor allem der Rasen, der werde es wahrscheinlich nicht lange machen. Dieser englische Rasentyp sei hier nicht wirklich geeignet, man hätte besser den zwar groben und hier als minderwertig angesehenen einheimischen Rasen genommen. Denn betreten werde der sowieso, das könne man nicht verhindern. Und die Bäume, einmal gut eingewachsen, würden rasch zuviel Schatten geben und ein gutes Gedeihen zusätzlich verhindern. Es brauche also dringend Pflegearbeiten und Geld. Aber die Regierungen in Afrika, die hätten doch nie Geld für solches. Ja eben, meint der Manager, der mir ebenfalls sehr kritisch gegenüber der Regierung eingestellt zu sein scheint. Deshalb müssten sie mit dem Garten selber Geld generieren. Zum Beispiel wenn sie das daneben gelegene ehemalige Waisenhaus bekämen und dort ein Hotel führen könnten. Das würde dann genug Geld in die Kasse spülen. Doch das habe sich bereits der Präsident unter den Nagel gerissen. So müsse man halt schauen mit den Mietzinsen, die nun die Essstandbetreiber neu bezahlen müssten und durch die Einnahmen aus dem Kinderspielplatz und den Toiletten, die man an jemanden vermiete, durchzukommen. Der Spielplatz gebührenpflichtig? Ja, da müssten die Eltern etwas dafür bezahlen, wenn sie mit den Kindern kämen. - Erstens einmal kommen die Kinder hier sowieso meist alleine, die sind viel selbständiger als bei uns und zweitens haben die kaum Geld, um sich das Spielen leisten zu können und drittens vermutlich auch der grösste Teil der Eltern nicht, der seine Kinder hierher begleiten wird, denke ich für mich. Zumal sie ja Spielplätze gar nicht kennen. Mit den Toiletten bin ich einverstanden. Sehr gut, bezahlte, gewartete und saubere Toiletten. Dafür würden die Touristen bestimmt etwas bezahlen. Doch müsste es gleichzeitig Gratistoiletten für die Einheimischen geben. Das müsste man sich dringend leisten, wenn man die bisherige Untugend der sansibarischen Männer, einfach an die Quaimauern zu pissen, etwas eindämmen wollte. Und damit wenigstens einen Teil des Gestankes hier.
IlangIlangbäume habe man ebenfalls gepflanzt, meint der Manager, der Agronomie in Indonesien, in Yogjakarta studiert hat. Wegen des guten Geruches. Aber leider habe man keine Mitsprache gehabt bei der Gestaltung der Anlage, sagt er. Sie hätten gerne die hiesigen Gewürzpflanzen gezeigt: Zimt, Muskatnuss, Henna, Vanille und weitere, das sei doch interessant für die Touristen, schliesslich werde Sansibar auch Gewürzinsel genannt. Ich finde das eine gute Idee, man hätte sie auch beschriften können, ein kleiner botanischer Garten. Und schlecht finde ich wieder einmal, dass man ein Hilfsprojekt einfach so verschenkt, ohne Mitsprache der Leute vor Ort. Das müsse man jetzt eben respektieren. Aber in ein paar Jahren, da könne man dann schon umpflanzen. Ob das gut kommt frage ich mich, die Anlage ist eigentlich sehr schön gestaltet. Man hätte einfach von Anfang an die Einheimischen mit einbeziehen müssen. So auch beim Pflanzenkauf. Da hätten die Leute aus Südafrika Pflanzen vom Festland eingekauft. Zu gänzlich überrissenen Preisen. Dabei würden alle Pflanzen auch hier auf der Insel gezogen und erst noch viel billiger. Doch in Daresalaam habe wohl jemand daran verdienen können........
Mitte April, meint der Manager nach einem kurzen Zögern, da würden die Gärten eingeweiht. Mit Musik und so, ein grosses Fest. Da glaube ich nicht recht daran, Muhammad hat gestern von Juni gesprochen, das scheint mir realistischer. Und die merkwürdige Baustelle vor der Quaimauer, die ehemalige Anlegestelle der königlichen Schiffe, das werde wohl bis dann noch nicht geregelt sein. Muhammad als Vertreter des Stone Town Conservation Offices habe beantragt, das Restaurant, das unbefugt mit einem riesigen Dach erhöht und vergrössert wurde, wieder abzureissen. Und damit habe man nun begonnen. Nur dass die Abbrucharbeiten jetzt gestoppt worden seien. Von höchster Stelle. Der Präsident will wohl auch dieses Lokal für sich und hat so den Rückbau verhindert. So dass die hässliche Bauruine rund um das historische Gebäude wohl bei der Einweihung immer noch stehen wird. – Dieser Ort war übrigens schon immer ein skandalumwitterter. Zunächst gehörte er einer Südafrikanischen Gesellschaft, sehr erfolgreich, das erste wirkliche Touristenrestaurant der Insel. Und erweckte so natürlich Neid. Wegen steuerlichen Problemen wurde der Betrieb gestoppt, wie es dann heisst. Und stand lange Jahre leer. Kurz vor Beginn der Renovationsarbeiten wurden auch am Restaurant wieder Arbeiten aufgenommen. Das Dach erhöht, die ganze Plattform auf die doppelte Fläche vergrössert, der ehemalige Schiffssteg, der extra für den Besuch der Queen Viktoria erstellt wurde, gänzlich umbaut und unkenntlich. Muhammad nun befand, dass dies den Geist der Gartenanlage störe, ja diese von der Meerseite gänzlich zunichte mache und verdecke. Und befahl deshalb einen Rückbau. Nur hatte er es offensichtlich mit viel zu mächtigen Leuten zu tun.
Genauso, wie er es letzten November durchgesetzt hat, den Verkehr in der Altstadt drastisch zu verringern, indem er ein Einbahnsystem eingeführt hat. Eine Fläche von ähnlicher Grösse wie die Berner Altstadt wurde damit verkehrsfrei. Ich fand das wunderbar. Vor allem, da die Leute hier ja vollkommen rücksichtslos herumfahren, als flanierender Tourist riskiert man sein Leben. - Während vier Monaten blieb dieses Verbot aufrecht, bewährte sich und wurde offensichtlich doch im Hintergrund bekämpft. Dann hat irgendein Mächtiger aus einem anderen Ministerium befunden, das Stone Town Conservatory Office sei nicht befugt, solches zu beschliessen. Das ganze wurde aufgehoben und der Verkehr fliesst wieder. – Sansibar springt wirklich sehr hart um mit dem Architekten Muhammad. Wenn er flieht, so kann ich ihm dies nicht verübeln. Obwohl er gleichzeitig sagt, all die Leute, die im Ausland studierten und dann nie wieder zurück kämen, die nützten dem Land überhaupt nichts.
Ich sprechen mit Ali darüber. Der Muhammad habe das verspielt, sei viel zu rasch vorgegangen. 15 Jahre in Europa studiert und dann erst noch die bessere Ausbildung als seine Vorgesetzten. Das habe natürlich misstrauisch gemacht und Ängste hervorgerufen. Er hätte da eine Weile mitspielen müssen, so tun, als ob er gleich denke wie die übrigen. Nicht gleich gegen Korruption angehen und so. Und so langsam aufsteigen sollen. Von unten her einfach alles verändern wollen, das gehe nicht, da werde man einfach abgesägt.
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