Mittwoch, 21. Mai 2008


Sansibar, den 18. Mai 2008

Eine weitere Nacht mit starken Regenfällen. Mehrmals werde ich vom eindringlichen Trommeln auf die Blechdächer geweckt, doch merkwürdig, trotzdem schlafe ich hier meinen tiefen gesunden Sansibari-Schlaf. Geräusche mischen sich mit meinen Träumen, bis sie ganz alleine dastehen, kurz als Wirklichkeit erkannt, um alsbald wieder zu verblassen. Die ganze Nacht lang. Einen merkwürdig anderen Schlaf als in der Schweiz habe ich hier. Genug Zeit heute, bei einem dieser Auftaucher aus dem Meer der Träume kurz eine dumpfe Angst zu empfinden. Diese Wassermassen. Wenn das nicht mehr aufhört, das Meer wie bei der Sintflut einfach anzusteigen beginnt, so weit weg ist das ja gar nicht, ich höre es fünfzig Meter weiter grollen. Und die riesigen Wolkentürme, die man oft am Himmel sieht. Aus dem ebenmässigen Bild der friedlich sich flach am Horizont lagernden Wolkenherden ragen manche wie mahndende Finger Atompilzen gleich in den Himmel hinauf. Diese Wolkenturmspitzen, die bis auf 10'000 m Höhe hinauf reichen durchquert man in den Tropen häufig mit dem Flugzeug. Ein heftiges Rütteln des ganzen Flugkörpers, wie wenn man auf etwas Festes, auf Materie gestossen wäre. Diese Wolkentürme also, sehe ich schwer über mir. Ein Gefühl des Erstickens, eine dumpfes Unbehagen – und kurz darauf bin ich wieder im Reich der Träume.
Heute Morgen wache ich mit Halsschmerzen auf. Fühle mich auch etwas fiebrig. Und nie werde ich Modys Antwort vergessen, als ich mich, seit drei Tagen in einem doch recht komfortablen Hotelzimmer eingesperrt, darüber beklagte, das diese Regenzeit mühsam langweilig sei. Ich solle an all die Leute denken, die jetzt nicht am Trockenen seien, kein dichtes Dach über dem Köpf hätten. Ich denke daran, wie man ganze Quartiere der Stadt - in Senken gelegen, gänzlich ungeeignete Standorte für Häuser eigentlich, doch hier gibt es keine Planung - bei Regenzeit aus dem Flugzeug jeweils tief überschwemmt sieht. Und ich denke an die verschiedenen Jungen, die ich bei meinen Frühmorgenspaziergängen noch schlafend antreffe. Auf Wellkartonstücken im Rasen des Africa House, ein Tuch über den Kopf gezogen, der Mücken wegen.

Trotz meinem Unwohlsein entschliesse ich mich, den von der letzten Gipseraktion weiss verschmierten Boden im unteren Zimmer zu reinigen. Zwar habe ich die grossen Plastikstücke, die die neu gekauften Matratzen umhüllten, vorsorglich beiseite getan und benutze sie auch bei meinen Maleraktionen. Doch die Handwerker hier scheinen solches nicht zu kennen, bereits ein grosses Stück Plastik ist wohl ein Luxus. – Hier muss ich unserem Maler ein Kränzchen winden. Der malt nämlich ohne Abdeckbänder Linien perfekt gerade, spart Steckdosen problemlos aus und tropft selbst beim Deckenmalen nicht auf den Boden. Obwohl der 2 Meter-Mensch, immer in einen feuerroten Overall gekleidet und deshalb gut erkennbar, eigentlich gar nicht als Maler arbeitet, sondern als mkokoteni, als Handwagenbesitzer. Mit dem Gefährt liefert er den Leuten in den schmalen Gassen der Altstadt, wo keine Autos mehr durchkommen, ihre Güter. Auch unsere Waschmaschine und den Kühlschrank hat er hierher transportiert. Schnell und zuverlässig, er ist einer der wenigen hier, dem man unbesorgt seinen Hausschlüssel anvertrauen kann. Einen Riesenkranz hat er verdient. Übrigens hat er es auch abgelehnt, sich dieser Wand, in der ein früherer fundi dem Verputz Zement beigemischt hat, was auf den alten Kalksteinmauern nicht haftet, auch dazu führt, dass alle Farbe abgestossen wird, zu widmen. Man weiss das, doch Zement ist eben billiger und einfach erhältlich, die Verarbeitung gibt weniger zu tun. Und ich selbst habe zu wenig Fachwissen, um solches kontrollieren zu können. Unser Maler also, lehnte es ab, sich an dieser Wand zu versuchen. Er habe das schon lange nicht mehr gemacht, meinte er ausweichend, er wisse nicht mehr recht wie.........Ich nehme an, er wusste genau, dass da sowieso nichts hilft. Denn der vor einer Woche angebrachte Gipsputz beginnt bereits wieder hässliche Blasen zu werfen.
Der mkokoteni kommt mit seiner Familie vom Festland, aus einer Gegend, in der es nichts als Landwirtschaft gibt, keinen Handel, kein Gewerbe, keine Fabriken, keinen Tourismus. Und wenn da eine Ernte ausgefallen sei, wegen Trockenheit oder sonstigem Unbill, da habe man einfach gehungert. Nein, so habe er nicht leben wollen.

Englischer Humor scheint etwas mit dem Afrikanischen gemeinsam zu haben. Auf dem Fährschiff nach Dar es Salaam - die Schnellboote schaffen die Strecke in zwei Stunden und deren Innenraum ist einem Flugzeug nachempfunden, Fernsehmonitore überall - werden immer Filme gezeigt. Letztes Mal war es eine englische Serie: „Mr. Bean“. Ich habe schon davon gehört und bin deshalb neugierig. Und schnell enttäuscht, denn diese Abenteuer des ungeschickten, manchmal auch absichtlich fiesen Mr.Bean finde ich überhaupt nicht lustig. Doch der Ali lacht manchmal – obwohl der ja wirklich nicht einer ist, der häufig lacht. Und am Strand schaue ich später mit dem Mody auf ein Boot mit dem Namen „Mr.Bean“. Eines der vielen kleinen Schiffe, das Touristen ausführt. Und frage ihn, ob er denn diese Englische Serie kenne. Ja natürlich, das sei sehr lustig. Da haben wohl die ehemaligen Kolonisatoren auch gleich ihren Humor auf der Insel zurückgelassen.

Keine Kommentare: