Mittwoch, 21. Mai 2008

19. Mai 2008



Heute Morgen erstmals wieder blauer Himmel, nur einige harmlose Wolken über dem Horizont, das Meer ist aufgewühlt und leuchtet türkisblau, in der Ferne dunkelblau, von weissen Schaumkrönchen kontrastreich geziert. Ein starker Wind aus dem Südwesten weht, ein angenehmer Wintertag steht bevor. Superpower, unser Alkoholikernachbar hat einen guten Tag, bereits sehe ich ihn seine gewaschenen Kleidungsstücke sorgfältig auf dem Rasen des Africa House ausbreiten. Ich wandere der Küste entlang, die heute menschenleer ist und plötzlich kommt mir diese Szene aus dem Film der Gebrüder Cohen in den Sinn: Der gescheiterte Filmautor in Los Angeles, der an der einsamen Küste sitzt, das mysteriöse Paket, das ihm sein Freund anvertraut hat neben sich, und nur wir Zuschauer wissen, das darin der Kopf einer ermordeten Frau sein muss. Diesem Filmautor also kommt am menschenleeren Strand die blonde Schönheit entgegen, die ihn von einer Foto seines tristen Hotelzimmers aus immer so verführerisch angelächelt hat. „Barton Fink“, mein Lieblingsfilm der Gebrüder Cohen. Leider kann ich ihre heutigen Filme nicht mehr anschauen gehen, die sind mir zu gewalttätig. Da wird Grusliges nicht mehr nur angedeutet, die Ausmalung der Fantasie des Betrachters überlassen, sondern platt gewalzt.
Etwas Surreales hat der hell erleuchtete Strand, auch die Fischerboote sind bereits längst im Hafen gelandet ich bin heute spät. Und blass, sehr blass nur mehr die Szene aus dem Buch „L’etranger“ von Camus. Hitze, Einsamkeit, gleissendes Licht, dieses Unwirkliche, etwas verrückt machende,........ich muss dieses Buch dringend wieder einmal lesen.

Othman erklärt mir gestern, weshalb die Frau, ein Gast des Restaurants, ihr Biriani kaum angerührt zurück gelassen haben. Meine Erklärung, logisch eigentlich, dass sie sein Biriani nicht gemocht habe, denn Ali und ich finden seit Monaten, dass man an dieser Leibspeise der Sansibaris etwas ändern müsse, das richtige Rezept einfach noch nicht heraus gefunden habe. – Nein, meint Othman, dem sei nicht so. Die Frauen hier, die würden sowieso kaum essen in den Restaurants, die seien sich nicht gewohnt, in der Öffentlichkeit zu essen. Die würden einfach ihre Ehemänner oder Partner in ein Lokal begleiten, damit diese Gesellschaft hätten. Und dann natürlich auch etwas auswählen, normalerweise das teuerste Gericht, wenn sie schon eingeladen seien. Und dann eben stehen lassen, weil sowieso nicht hungrig.
Mit dem ersten Teil bin ich nicht ganz einverstanden. Es gibt sehr wohl Frauen, die in den Lukmaan essen kommen, es gibt sogar manche, die dies auch alleine tun. Allerdings stimmt es, dass dies nicht allgemein der Fall ist. So kommt zum Beispiel Othmans Frau nie ins Lokal, obwohl sie gleich um die Ecke wohnt. Eine junge Verwandte, die als Haushaltshilfe bei der Familie wohnt, wie das hier Brauch ist, kommt das Essen in das Restaurant holen und bringt es nach Hause. Für viele Frauen stimmt das wohl schon, darauf weist auch der hohe Anteil an Take Away hin. Teure Offroader parkieren häufig vor dem Eingang, eine Frau steigt aus und kauft das Essen für eine ganze riesige Familie ein.
Beim zweiten Teil kann auch ich ohne Einschränkungen einwilligen. Lädt man jemanden ein, so wird der ziemlich sicher etwas Teures auswählen. Bereits der Schulknabe, der mir einmal bei starkem Regen vorjammerte, er sei am verhungern, hat ohne Zögern Biriani bestellt, als ich ihm sagte, er solle sich etwas holen. Auch der Zack nimmt sich Pilaui na kuku, Gewürzreis mit Huhn und Huhn ist hier das teuerste Fleisch. Doch dies ist mir egal, das freudige Strahlen der beiden, hat mich dafür entschädigt. Auch Othman, den ich nach unserem gemeinsamen Einkauf in Dar es Salaam in ein gutes Lokal einlade, wählt sich etwas Teures. Einen riesigen Fisch und ein Biriani. Und kann beides unmöglich fertig essen, obwohl ihm der Ali tapfer hilft. – So versteht der Othman eben sehr schlecht, wenn ich ihm sage, wir Mzungus, wir Weissen, hätten nicht gerne Reisenportionen, denn da fühlten wir uns verpflichtet, mehr zu essen, als wir eigentlich Hunger hätten, denn bei uns sei es nicht höflich, Speisen im Teller liegen zu lassen. Und wenn ich daran denke, wie uns als Kindern erklärt wurde, dass wir unsere geschöpften Teller immer gut ausmachen müssten, denn in Afrika, da gäbe es Kinder - damals war das in Biafra, das ist wohl von der Landkarte verschwunden, ich sehe nicht mehr, wo das liegen könnte - also in Afrika, da würden die Kinder verhungern, sterben wie Fliegen, einfach weil sie nicht genug zu essen hätten. – Das scheint mir heute ziemlich zynisch. Vor allem, weil es ja nicht so ist, dass jetzt keine Leute in Afrika mehr hungern. Selbst in Sansibar haben nicht alle genau das und soviel zu essen, was sie gerne möchten. Doch hier scheint es zum guten Ton zu gehören, Speisen zu verschwenden. Schon lange habe ich den Plan, die fertig gegessenen Teller im Restaurant zu fotografieren. Am besten noch auf dem Tisch stehend. Reis auf dem ganzen Tisch verstreut, Knochen ebenfalls, häufig auch Fleisch und Gemüse in einem wild durchmischten Brei auf dem Teller stehen gelassen. So dass ganz bestimmt niemand mehr Lust hätte, daran weiter zu essen.

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