Montag, 26. Mai 2008

24. Mai 2008


Meine neuste Tätigkeit ist die Kreation von Lampen. Von Kerzenlampenmodellen besser gesagt. Der obere Teil einer abgeschnittenen PET-Flasche gibt eine trichterförmige Lampe, die in der Hand gehalten, aber auch auf dem Deckel der Flasche erstaunlich gut abgestellt werden kann. Für den vorhandenen Kerzenständer entwerfe ich einen Schutzschild gegen den Wind. Auch da ist ein Röhrenteil einer PET-Flasche hilfreich. Rechaudkerzen gibt es hier leider keine zu kaufen, der gängige Typ ist eine rund 20 cm hohe weisse Haushaltskerze, leider häufig beim Kauf bereits gebrochen, die Preise sind steigend, von 15 Rappen das Stück sei man nun bereits bei 20-30 Rappen angelangt, berichtet mir Zak. Ein weiteres Kerzenlichtmodel ist nahe liegend, die halbierte Schale einer Kokosnuss, während die Kreation mit dem kaputten Wassereinlauf-Teil der Waschmaschine, der sich bestens als zweier-Kerzenleuchter eignet, schon etwas origineller ist. Meine neuste Kreation habe ich aus einem leeren Milchbeutel gemacht. Die silbrige Innenfläche eignet sich konisch nach aussen gebogen bestens als Reflektor – so hoffe ich doch, den Härtetest hat dieses Model noch nicht bestanden. - Es ist offensichtlich: Auch heute Samstag ist kein Ende des Stromunterbruches in Sicht und man beginnt langsam, sich auf eine längere Dauer dieser Ungemach einzurichten. Bis heute keine offizielle Information darüber, was genau passiert ist. Dafür blühen die Gerüchte um so bunter. Während manche meinen, der Schaden in Dar es Salaam sei bereits wieder behoben, erneut ein Problem sei beim Einschalten hier in Sansibar passiert, berichten andere, dass es bis nach Aruscha hin keinen Strom mehr gebe, also quasi in ganz Tansania. Genaues weiss niemand, Radio und Fernseher sind ohne Strom nur wenige in Betrieb, die Verbreitung von Nachtrichten ist nicht ganz einfach. Manche Leute berichten nun sogar, dass es wohl doch der schon lange erwartete und befürchtete Bruch der Unterwasserleitungen im Meer gewesen sei. Diese Kabel versorgen Sansibar vom Festland her mit Strom. Südafrikanische Taucher seien bereits daran herauszufinden, wo genau der Schaden denn sei. Ich spotte etwas, wahrscheinlich dort, wo die Fischer die elektrokutierten Fische tot an der Oberfläche abschöpfen könnten.....

Dass die grossen Generatoren der Hotels in der Nacht abgestellt werden habe ich bereits die vorletzte Nacht bemerkt, aber eigentlich geglaubt, dass der Strom irgendwie gespeichert werden könne, so dass die Gäste die ganze Nacht über das Licht anzünden könnten bei Bedarf. Doch Ali hat wohl recht, wenn er dies bezweifelt. Heute Morgen höre ich um fünf Uhr den Muezzin nicht Lautsprecher verstärkt – und damit eine Runde angenehmer als gewöhnlich - in der frühen Stille zum Gebet rufen. Auch die Moschee erhält ihren Strom nämlich von den Hotels. Vielleicht mit Absicht und Rücksicht auf ihre Gäste stellen diese ihre Generatoren erst rund 10 Minuten nach dem Gebetsruf wieder ein......

Schon vor dem nun drei Tage andauernden Stromunterbruch habe ich festgestellt, dass die Leute hier momentan ungewöhnlich viel Zeitungen lesen. Ganze Trauben von Menschen scharen sich um die Tafeln, an denen die Zeitungsverkäufer die Titelseiten mit den Schlagzeilen aushängen. Gierig wird dies gelesen. Erst gestern habe ich dann begriffen weshalb, ich bin ja hier sehr schlecht über die Weltgeschehnisse informiert, ab und zu im Internet der e-Bund, aber sonst. Die Zeitungen hier bringen eben fast ausschliesslich afrikanische Politik und da verstehe ich zu wenig davon.
Vor zwei Wochen also, wird mir erst gestern besorgt berichtet, vor zwei Wochen, da hätten Separatisten der Oppositionspartei in Pemba die Fähre besetzt, die hauptsächlich Agrargüter von Pemba auf die Schwesterinsel Unguja, das wir gemeinhin als Sansibar bezeichnen, bringt. Es sei zu Ausschreitungen gekommen, Leute der CUF, der Oppositionspartei, die in Pemba die Mehrheit hat, hier in Sansibar aber noch nie, mindestens offiziell nie, gegen die Regierungspartei siegen konnte, seien festgenommen worden und des Hochverrates angeklagt. Denn die wollten ein unabhängiges Pemba, sich von der Schwesterninsel Unguja trennen. Unsinn, das findet auch Ali, der ja von Pemba stammt, denn Pemba lebe ja vom Export der Nahrungsmittel, die auf der viel touristischeren Schwesterninsel gebraucht werden. Die Blockade der Schiffe bringe den Leuten überhaupt nichts, schade ihnen nur selber, das seien ein paar verwirrte Seelen, die das angezettelt hätten. Von anderer Seite höre ich aber, dass es sich immerhin um 12'000 Randalierer gehandelt habe, bei einer Bevölkerungszahl von rund einer Million auf beiden Inseln zusammen, doch eine nicht ganz vernachlässigbare Anzahl Unzufriedener. Meine Informanten, Leute vom Festland, die in der Tourismusbranche arbeiten, einer davon der Zak, sind sehr besorgt. Man sehe ja, was solches dem Tourismus schaden könne. Kenia, auch Simbabwe, da komme dann niemand mehr, solche Streitigkeiten seien gefährlich. Und Zak erzählt mir, dass hier viele Leute nichts gegen einen Krieg hätten, das sogar wünschten. Jedes Mal vor den alle 4 Jahren stattfindenden Wahlen würden die Leute sich hier Pässe machen lassen. In der Hoffnung, dass es zu Ausschreitungen komme, diese auch provozierend, denn dann könne man als politischer Flüchtling ausreisen und habe Chancen, in Europa oder anderswo aufgenommen zu werden. Ich finde dies zynischen Unsinn. – Zuerst. Doch als ich an den Nachtwächter im Film Darwin’s nightmare denke, da werde ich plötzlich unsicher. Empört habe ich ihm zugehört, wie er berichtet, damals, als Tansania mit Uganda Krieg gehabt habe, damals sei es gut gewesen. Arbeit im Militär, Geld, das Leben sei einfach gewesen. Das wäre gut, wieder einmal so ein Krieg, jetzt sei das Leben hier viel zu schwer. Mich hat diese Aussage entsetzt. Und ich frage mich jetzt, ob Zak mit seiner Behauptung vielleicht doch recht hat.
In der Nacht wache ich auf und denke über das Ganze nach. Nein, auch mir ist nicht wohl dabei. Eben gerade sah man in Südafrika, wie leicht unzufriedene Menschen aufgewiegelt werden können. Geschäfte von eingewanderten Leute aus Simbabwe wurden geplündert. Anstoss waren Probleme, die sich aus der momentan starken Einwanderung aus diesem Krisenland ergeben. Doch die betroffenen Geschäftsbesitzer waren sicherlich bereits alteingesessene Simbabwer. Die es zu etwas gebracht haben und deshalb den Neid der Einheimischen geweckt. – Hier ist eine ähnliche Situation: Ein grosser Teil, vielleicht ein Drittel der Bevölkerung Sansibars, stammt von der viel ärmeren Schwesterninsel Pemba. Die Leute sind nach der Revolution vor rund 40 Jahren hier eingewandert und recht häufig eben auch erfolgreich. Wenn da nun wirklich solche Gefühle aufbrechen.......
Zak meint später, dass man vom Festland her natürlich keine Abtrennung von Sansibar wünsche und deshalb die Regierungspartei unterstütze. Das seien ja dieselben Leute, die Leute der Insel und die des Festlandes, das sei bereits früher, vor dem Anschluss Sansibars ans Festland so gewesen.
Während Ali und viele andere das anders sehen, sich durch den Zusammenschluss des sehr viel kleineren Sansibars mit Tanganika betrogen fühlen, glauben – wahrscheinlich nicht ganz zu Unrecht – in dieser Union kein Gewicht zu haben. Sicher ist, dass die meisten Leute hier von der äusserst korrupten Regierungspartei genug haben, also schon deshalb für die Opposition sind, denn mehr als zwei Parteien gibt es hier nicht. – Nein, das wolle man nicht, eine Abspaltung Sansibars, denn dann hätte man ja die Araber gleich vor der Haustüre, meint Zak. Effektiv nehme auch ich an, dass der Einfluss Omans und anderer Arabischer Länder, die hier ja früher die herrschende Klasse stellten, sofort steigen würde bei einem Sieg der Opposition. Und dies scheint niemand zu wollen, auch die Amerikaner nicht. Weshalb die jetzige Regierung gestützt wird, wie schlecht auch immer die sei.

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