Dienstag, 10. Juni 2008

7.Juni 2008


Die Birimbi führen mich in den Kwality supermarket. Birimbi sind grüne Früchte, die ähnlich wie Cornichons aussehen. Ihre Haut ist aber nicht warzig, sondern glatt und die Bäume stammen ganz sicher nicht aus der Familie der Gurkengewächse. Vielleicht ein Malvengewächs – oder eine tropische Familie, die ich nicht kenne. Aber so genau will ich es ja auch nicht mehr wissen. Interessant ist, das man die Birimbi der Länge nach vierteln kann, mit Pilipili, mit Pfefferschoten und Salz mischen, in ein Glas einfüllen und dann an die Sonne stellen. Gekocht werden muss das nicht, beteuert mir unser Nachbar Superpower, der mir einen Sack voll von den Früchtchen schenkt. Die Sonne allein konserviere das. Auch Ali kennt die Methode und bereits nach einem Tag gibt das ein geschmacklich äusserst interessantes, salzig-sauer-scharfes Pickelgemisch, das es mit meinen heissgeliebten Salzgurken in der Schweiz längst aufnehmen kann. Vielleicht noch etwas saurer. Ali meint, nach einem halben Jahr könne man die austretende Flüssigkeit als Essig benutzen, sie hat schon jetzt einen spannenden Geschmack.
Diese Pickelmacherei führt mich in den Kwality supermarket. Mit etwas Vorstellungskraft erkennt man in dem Wort leicht den Supermarkt und Kwality ist auch unschwer als Qualität zu entziffern. Der Kwality Supermarkt also ist eine Art Loeb in Sansibar. Für gehobenes Publikum, untergebracht in einem verschnörkelten Neubau, Stil Dubai- und Emirate-Wunschtraum. Also nicht meiner. Ebenso wenig wie der grösste Teil der dort zu kaufenden Waren. Mehr als die Hälfte des Ladens ist angefüllt mit Plastikschrott. Spielsachen zuhauf, kitschige und unnütze Plastik- und Keramikziergegenstände, neben manchmal brauchbarem Küchengerät und Putzmitteln. Auch die vielen künstlichen Blumen - lange nicht in einer, der Natur täuschend echt nachgeahmten, Qualität wie bei uns - erfreuen sich hier grosser Beliebtheit. Was uns zwischendurch in den Laden führt, ist das relativ europäische Angebot an Nahrungsmitteln und Kosmetika und heute eben die Einmachgläser. Denn nach denen sind wir bisher erfolglos auf der Pirsch.
Glas wurde hier alles durch Plastik ersetzt. Auch der Kwality supermarket kann uns da nicht weiter helfen. Im noch viel europäischeren und sauteuren Supermarkt Richtung Flughafen später, ist es auch heute frostig kalt, die haben einen guten Generatoren, auch die Kühltruhen laufen, das ist selten im Moment. Trotzdem kaufen wir keinen Käse oder sonst etwas Gluschtiges ein, denn unser Kühlschrank macht ja immer noch Pause. Auch hier finde ich kein Glas. So hoffe ich halt eben, dass meine Pickel auch in einem Plastikgefäss an der Sonne über längere Zeit haltbar bleiben.

Der Stromstopp hat mich träge gemacht, meinen ganzen Rhythmus auf den Kopf gestellt. Da ich nicht mehr kochen kann und auch keine Lust habe, dies mit Kohle oder Kerosen, Brennsprit wohl, zu lernen, nehme ich jetzt bereits das Frühstück im Lukmaan ein. Gewürztee mit Milch, etwas Spinatähnliches, da gibt es zwei verschiedene Sorten, eine in Kokosmilch gekocht, dazu meist Kartoffelkroketten oder indische Teigtaschen, Samosas. Die übrigen Gäste bestellen Chapatis, Teigfladen mit dicken Bohnen, Tintenfisch oder Hühnersuppe. Auch eine Art Getreidebrei mit Hühnerfleisch ist beliebt, über den die Leute gerne Zucker streuen. Salzig und süss wird hier nicht getrennt gegessen, alles durcheinander, Vorspeise, Hauptgang und Dessert. Jeder stellt sich ein Mahl nach seinem Geschmack zusammen. Am einheitlichsten ist noch die Mahlzeit am Abend. Die meisten Leute bevorzugen da Tee oder warme Milch und irgend ein Gebäck, ob süss oder brotartig. Eine Art Café complet ohne Butter, Konfitüre und Käse. Vor dem Frühstück gehe ich – falls Ebbe ist – am Strand joggen, neu wasche ich darauf Kleider, denn auch unsere Waschmaschine weigert sich, ohne Strom ihren Dienst zu tun. Nach dem Frühstück, oft sitze ich eine Weile herum, schaue den Gästen zu oder schwatze mit jemandem, mache ich einen Gang durch die Stadt auf der Suche nach irgendetwas, das gerade benötigt wird oder erledigt werden muss und meistens ist es bereits elf Uhr, bis ich wieder zu Hause ankomme. Um diese Zeit ist es nicht mehr ganz einfach, mit Arbeiten anzufangen, doch irgendwie schaffe ich das dann doch, so bis etwa zwei-, drei Uhr. Darauf Mittagessen im Lukmaan, nachher Ausfahrt mit Ali, irgendetwas muss immer erledigt werden oder dann fahren wir ans Meer, dann bereits Sonnenuntergang, ich gehe hinaus und versuche, die täglichen Weltwunder mit Skizzen einzufangen. Nicht immer mit Erfolg. Und neu, nach sieben Uhr ist es hier im Winter, also momentan, finster, ohne Strom gar unangenehm finster, flüchte ich ins Internet, wo es Strom und Licht hat, später in den Lukmaan wo es ebenfalls Licht und Leute gibt und bleibe dann dort bis etwa um zehn.
Aber etwas Merkwürdiges hat er schon, dieser Stromunterbruch. Nun, nach mehr als zwei Wochen Dauer und mit der Gewissheit, dass das ganze noch einen Monat so weiter gehen wird – das mindestens soll der Norwegische Experte gemeint haben – ergibt man sich plötzlich in die Situation, richtet sich ein. Auch ich. Kann mit dem Lärm besser umgehen, mein Gehirn scheint den langsam auszuschalten – genauso, wie es den Muezzin um fünf Uhr Morgens schon lange als etwas Normales eingestuft hat, mich deswegen nicht mehr weckt. Etwas Lethargisches kommt auf in mir. Wohl zwischendurch noch Revolte, das darf man nicht, diese Frechheit, doch häufig auch bereits, da kann man nichts machen. Die Mächtigen hier machen eh was ihnen beliebt und die etwas weniger Mächtigen profitieren auch davon, ein paar Brosamen fallen immer ab, auch die etwas weniger Mächtigen mögen gegen die Mächtigen nichts unternehmen und die noch etwas weniger Mächtigen haben mit den weniger Mächtigen dasselbe Problem. Und so ändert sich nie etwas. Und niemand begehrt auf, denn die, die überhaupt nichts haben, die haben andere Sorgen, das tägliche Brot, wo schlafen und so weiter.

Generatoren scheinen die neusten Lieblingsspielzeuge zu sein. Wohl gepflegt, oft mit einer Kette, einem Halsband gleich, irgendwo angekettet. Mit Karton überdeckt gegen die Sonne – ich frage mich ob dies nicht eher einen Hitzestau gibt - gediegener gar, sehe ich vor dem Sattlerladen neben dem Lukmaan einen neuen Sonnenschirm über dem frisch gekauften Generator. Die Angestellten polstern dort vor dem Laden in der Sonne die Fauteuils und Sofas aus. Bisher hat nie jemand daran gedacht, für sie ein Sonnendach zu schaffen.

Vor dem schlafen gehen kann ich es auch jetzt nicht lassen, noch kurz zu lesen, das gehört einfach zum Ritual. Jetzt mache ich das bei Kerzenschein und frage mich häufig, ob es wohl wahr ist, dass Kerzenlicht den Augen schadet, oder ob man uns das früher nur gesagt hat, damit wir nicht im Bett mit der Taschenlampe bis in alle Nacht hinein gelesen haben. - Dasselbe mit dem Zucker. Ob es wohl stimmt, dass man mit einem Stück Zucker einen Motor kaputt machen kann. Manchmal, nur manchmal jetzt noch, habe ich solch bösartige Gedanken, wenn mich der Generator unseres Nachbarn doch noch nervt.

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