Donnerstag, 19. Juni 2008

15. Juni 2008


Die auffällig grauen Raben hier, mit schwarzen Flügeln und Köpfen, sind fremde Fötzel. Aus Indien eingeführt vor langer Zeit von den Parsi, einer religiösen Gemeinschaft, die es gewohnt ist, ihre Toten auf den Hausdächern den Vögeln zum Frass vorzulegen. Dies wurde ihnen zwar verboten, die muslimische Mehrheit der Bevölkerung hielt wenig von dem Brauch, doch die Raben waren da und vermehrten sich freudig und wurden zu der Plage, die sie heute sind. Ganz offensichtlich können sie auch ohne Leichenschmaus bestens überleben. - Was umgekehrt von den Parsi nicht gesagt werden kann. Bis auf eine einzige Familie sind sie hier ausgestorben. Vermutlich nicht wegen der mangelhaften Bestattungsmöglichkeiten.

Ali kauft sich auf dem Altkleidermarkt neue Hosen ein. Statt sie anzuprobieren, hält er den Hosenbund um seinen Hals. Einmal gefaltet ergibt dies seinen Halsumfang. Und behauptet, dies sei eine zuverlässige Methode. Halsumfang mal zwei gleich Hosenbundumfang. Das stimmt bei ihm dann merkwürdigerweise sogar. Dass da der Bauchumfang eine gewaltige Rolle spiele, das will er nicht gelten lassen.

In den raren ruhigen Stunden zwischen Mitternacht und fünf Uhr morgens werde ich von einem hässlich lauten Gezetter-Gequake-Geschnatter aufgeweckt. Ein Vogel, ein Frosch? so was habe ich noch nie gehört, merkwürdig rhythmisch das Ganze, Strophen gleich, immer dieselbe Melodie sich wiederholend. – Eine Komba sei das, meint Ali, ein Buschbaby, ein Halbaffe also. Die ernähren sich von Früchten und scheinen hier in der Stadt leichter Abfälle zu finden, als in den Bäumen auf dem Land Früchte, denn diese werden oft abgelesen, bevor sie wirklich reif sind. Ich kenne den Ruf der Kombas. Penetrant laut ist er immer, aber normalerweise eher etwas zwischen Katze-Baby-Vogel. Das sei eben ein Warnruf gewesen, meint Ali, das Buschbaby habe etwas Beängstigendes gesehen, eine Schlage oder so. Eine Schlage hier? Nicht besonders plausibel, ich bohre nach. Wie ich bereits vermute, denkt Ali an einen Dämonen. Die Tiere sähen die eben, wir Menschen nicht. Häufig passiere es, dass ein Esel, eine Kuh auch oder ein anderes Haustier an einer bestimmten Stelle einfach nicht mehr weiter gehen wolle. Dann hätten die eben einen Dämonen gesehen, das sei der Grund dafür.

Ich zeige Ali den TV-Spot zum Stromdebakel hier in Sansibar. Schöne Aufnahmen vom Sonnenuntergang, Touristen im Tembo Hotel und der Spruch „Sansibar island, the tropical paradise on the East African coast“. Dann langsam immer lärmiger, die Generatoren rücken stärker ins Bild, der Schnitt wird immer schneller, der Ton lauter, bis Ton und Bild abrupt abbrechen. Finster. Dann der Satz „Sansibar, a tropical paradise on the East Aftrican coast?“. Schluss. Ich möchte, dass Ali mir dies in Swahili übersetzt und auf den Clip spricht. Damit alle die Botschaft verstünden. Das gehe nicht, meint er jedoch, das könne man nicht übersetzen. Paradies, ein entsprechendes Wort existiere zwar, doch gemeint sei damit der Ort, wo man hinkomme nach dem Tod - wenn man Allah gefällig gelebt, und zusätzlich etwas Glück gehabt habe, denn bekanntlich gibt Allah wem er will. Dies mit einem erstrebenswerten Zustand im Diesseits zu verbinden, das sei für einen Sansibari nicht verständlich, in erster Linie denke der da an den Tod, nicht an etwas Angenehmes in diesem Leben.

Zur Abwechslung und Beobachtung der Konkurrenz gehe ich heute im „Mzuri Sana“, einem einheimischen Lokal essen. Der Hamburger mit Mayonnaise, frischer Gurke und Peperoni ist eine gewagte Wahl, schmeckt mir jedoch und schadet auch meiner Verdauung nicht. Das hätte anders ausgehen können, das Lokal ist erstaunlich schmutzig. Die Tische verklebt von Speisen und belagert von Fliegenschwärmen, in den rückwärtigen zwei Räumen stapelt sich der Abfall. Hier also kommt ein eher gediegen aussehender Schwarzer herein und stellt sich mir als Arzt aus Kenya vor. Er baue in Kiwengwa, dem gediegensten Touristenort an der Ostküste, ein Fünfsternspital auf, erklärt er mir stolz. Nun gibt es also selbst bei den Spitälern Sterne. Ich antworte ihm, dass ich es nützlicher fände, wenn das hiesige öffentliche Spital sich in einem weniger erbärmlichen Zustand befände. Und alsbald ist mein selbsterwählter Gesprächspartner nicht mehr an einer Unterhaltung interessiert.

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