Sonntag, 8. Dezember 2013

4.Dezember 2013







Ali meinte immer, ein Lokal für Einheimische, in dem man auch am Abend richtig essen könne, das gäbe es noch nicht. Vielleicht Tee und Chapatis oder irgendein Gebäck, das schon. Auch Chipsi und gegrilltes Fleisch könne man am Abend in den Gassen kaufen. Der Lukmaan nun, sei das erste Restaurant für Einheimische, das auch am Abend richtiges Essen serviere.
Jetzt ist der Lukmaan auch aus diesem Grund in der ganzen Stadt bekannt. Und ich, ohne gross etwas dazu getan zu haben, ebenfalls. Häufig werde ich mit Mama Lukmaan begrüsst. Und wenn ich vorbei gehe, höre ich Leute untereinander tuscheln und verstehe das Wort Lukmaan.  Heute sitze ich um neun Uhr abends im Restaurant und es sind durchaus nicht nur Touristen, die hier Essen. Allerdings gilt es als Restaurant für die gehobene Klasse, die meisten Einheimischen können sich das Essen leider nicht leisten.

Auch um 1Uhr mittags war der Lukmaan voll, der Raum drinnen voller Frauen, das ist etwas speziell, finde ich und stelle dann fest, dass es gerade Gebetszeit ist und die Männer in der Moschee sind. Das ist mir schon mehrmals aufgefallen. Während den Gebetszeiten geht das Leben der Frauen normal weiter, die Strassen sind nur noch von ihnen bevölkert. Frauen gehen in Sansibar nicht in die Moscheen. Zu klein, meint Ali, seien die, im allgemeinen habe es keinen extra Saal für sie. Für die Frauen sei es sowieso bequemer, zu Hause zu beten. - Nun bin ich gar nicht so überzeugt, dass die Frauen das auch wirklich tun....
Häufig gibt es übrigens im Lukmaan eine Trennung. Die Touristen sitzen draussen, auf der heissen und lärmigen Terrasse, natürlich auch all die Typen, die mit Touristen zu tun haben. Alle Expats, will heissen Sansibaris, die im Ausland arbeiten und nur hier in den Ferien weilen, tun das ebenfalls. Die Einheimischen hingegen, die bleiben drinnen, wo es viel bequemere Tische hat und tagsüber frischer ist.

Heute bin ich wieder lange in Malindi skizzieren gegangen, in meinem Kopf oben entsteht langsam ein Bild davon, wie der oberste Stock aussehen soll. Selbst Pflanzen setze ich bereits in Gedanken. Die Terrasse soll von einer Pergola mit Passionsfrüchten und Jasmin überdeckt werden, auf der breiten Brüstung vor der Küche will ich Kräuter pflanzen, an verschiedenen Orten Oleander. Es fehlt an grün in diesem Quartier.

In Sansibar wird auf einer Baustelle offensichtlich auch gelebt. Als ich um vier Uhr nachmittags komme – Ali empfiehlt mir, nicht vor der Gebetszeit zu gehen und diese hat gerade angefangen, wecke ich die ganze Gruppe der Handwerker aus ihrer Siesta auf. Sorry, das wusste ich natürlich nicht. Auch muss ich mich daran gewöhnen, dass in meinem zukünftigen Schlafzimmer im Moment ein watchman wohnt, alle unbewohnten Häuser haben einen solchen, was der genau macht oder verhindern soll, weiss ich nicht genau. Der watchman hier ist ein Angestellter aus dem Lukmaan, ein „ustazi“, ein Gläubiger mit Bart und weissem Kanzu, immer blütenweiss und gebügelt. Wie er das an diesem staubigen Ort wohnend schafft, bleibt mir rätselhaft. Schlafen tut er auf einem Stück Plastik auf dem hofseitigen Balkon. Auch die Arbeiter fühlen sich hier Zuhause. Gestern traf ich einen Mann an, der in einem Kübel seine Kleider wusch, Seile mit trocknender Wäsche hängen überall. Manchmal fühle ich mich fast etwas wie ein Eindringling.

Immer wenn es irgendwie geht, verbringe ich den Sonnenuntergang am Meer, heute in den Forodhani Gardens. Eine dicke weisse Frau hat es mir angetan, sie hat ein schwarzes Tuch um ihr Haupt geschlungen. Ich verstehe diese Überangepasstheit vieler Frauen, die meinen, sie müssten hier auch ein Stück Stoff um den Kopf winden, sich aber sonst genauso benehmen wie Zuhause und in etwa auch gleich kleiden, nicht recht. Item, die Frau sitzt mit einem recht viel jüngeren Schwarzen zusammen, sie scheint mir in etwa mein Alter zu haben, etwas aufgeschwemmt halt. Ganz offensichtlich gibt es da Absichten, das verrät mir ihr viel zu häufiges Gelächter und die Blicke, die sie dem Mann zuwirft. „Liebe“, der Film von Ulrich Seidel kommt mir in den Sinn. – Heute Morgen habe ich den Philipp Roth beiseite gelegt. Der Spruch „das Alter ist kein Kampf, das Alter ist ein Massaker“, ich habe davon im „Bund“ gelesen, hat es mir angetan, deswegen habe ich das Buch gekauft. Um es kurz zu machen: Man braucht es nicht zu kaufen. Nebst diesem Spruch nur altersgeiles Gebrabbel und pseudopsychologische und –philosophische Ausschweifungen, viel auch über Krankheiten, Herzinfarkte, Hirnschläge, deren Behandlungsmethoden, offensichtlich methodisch recherchiert oder am eigenen Leib erfahren, nein wirklich, ich kann damit nichts anfangen. Merkwürdig übrigens. Vorher habe ich bereits ein Buch von Markus Werner gelesen, in dem auch ein Herzinfarkt das Hauptereignis ist. Das hängt wohl mit dem Alter der Autoren zusammen. Bei Werner mindestens literarisch gut verarbeitet.

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