Dienstag, 31. März 2015

Sansibar, den 26.März 2016








In der PBZ Islamic Bank, wo wir ein neues Konto haben, es gibt nun immer mehr Banken, sehe ich nur eine einzige Frau an einem Schalter. Der Service ist aber auch hier gut und professionell, es braucht ein Foto von mir, die digitale Minikamera steht auf dem Tisch, wie ich da aussehe, weiss ich nicht. Die Unterschrift auf einer digitalen Unterlage, wie wir das von der Post auch kennen. Da ich so unmöglich etwas Leserliches hinkriege, meint der junge Mann mit Kufia, kein Problem, ich solle das auf ein Papier schreiben, er werde die Unterschrift dann einscannen. Der Fortschritt ist augenscheinlich.

Es gibt viele Arten, eine Kufia zu tragen. Die Kufia ist die traditionelle Männerkopfbedeckung an der afrikanischen Ostküste, meist reich bestickt. Manchmal ins Gesicht gedrückt, manchmal zuhinterst auf dem Schädel, so dass man Angst haben muss, sie falle hinunter. Manchmal geräumig, manchmal eng an den Kopf angeschmiegt. Doch so wie Salum, oben eingedrückt und vorne aufgestellt, trägt sonst niemand eine Kufia.

Bei den Mtandios, den Frauenschleiern, ist die Auswahl noch viel grösser. Im Moment  - das ist Modesache - tragen die Frauen die Tücher lose gewickelt, was ihnen riesige Köpfe verleiht. Gerne auch hinten hoch, als ob ein Chignon darunter läge. Nur die wenigsten Afrikanerinnen haben allerdings lange Haare, Kraushaare werden ohne sehr aufwändige Pflege nie lang, die brechen vorzeitig ab. – Von den Arabern komme das, meint Salum, wie die meisten Modewellen hier in Sansibar. Stimmen tut wohl auch, was Salum schon vor Jahren gesagt hat. Die Vollverschleierung bei den Frauen, das habe nichts mit Religion zu tun, das sei doch nur eine Modesache und habe so vorher hier nicht existiert. Mindestens sieht man das jetzt bereits wieder sehr viel weniger häufig. Mit dem Aufkommen eben, der merkwürdig hinten aufgetürmten Schleier gefüllt mit Stoffblumen oder sonst etwas, das Volumen gibt.
Bereits kleinste Mädchen  tragen nun einen Schleier. Vielleicht, damit sie sich möglichst rasch an dieses Kleidungsstück gewöhnen. Wahrscheinlich aber auch, weil es jetzt vorgenähte winzige verzierte Schleierchen gibt, die man wie ein Kopftuch umbindet. Das gab es vorher so nicht. Auch die scheinen mir ein Modeattribut zu sein.

Ich versuche immer, meine blogs mit Fotos zu illustrieren, am Anfang steht das Wort.  Die verschleierten Frauen kann ich leider nicht bieten. Selbst die sehr nette und hübsche Frau bei Zantel nicht. Ich habe sie gefragt, ob ich sie für meinen Blog fotografieren dürfe. Als Beispiel für eine speziell sorgfältig und modern gestylten Sansibarifrau. Sie lächelt nur ausweichend und weist mich auf eine Website hin über Frauenverschleierung. Frauen wollen nicht fotografiert werden. Mit Männern und Kufias geht das zum Glück etwas besser.

Vielleicht ist Muhammad doch zu pessimistisch, wenn er meint, im Moment verlören die Sansibaris gleich zweimal. Erstmals verscherble die Regierung das kulturelle Erbe der Altstadt, egal, was damit gemacht werde, wenn nur genügend für sie selber heraus schaue. Zweitens gäbe dieser Tourismus den Sansibaris nicht einmal Arbeit. Weil sie zu wenig qualifiziert seien, die internationalen Luxushotels – das wurde in letzter Zeit vor allem erstellt, „Hyatt“ und „Serena“ gleich nebeneinander - ihre Angestellten lieber vom Festland oder aus Asien oder Europa mitbrächten. Häufig wollten die Sansibaris aber auch gar nicht im Tourismus arbeiten. Das sei unter ihrer Würde. – Der Tourismus bringt aber mit besser qualifizierten Leuten auch neue Bedürfnisse auf die Insel. Und hier scheint mir die junge Generation der Sansibaris doch gewaltig Fortschritte gemacht zu haben. In den Büros und öffentlichen Schaltern trifft man nun sehr häufig gut ausgebildete Einheimische an.

Eine weitere erfreuliche Neuerung entdecke ich am Abend, als ich von den Forodhani Gardens heimkehre. Die neue LED-Strassenbeleuchtung funktioniert nun und leuchtet die Strasse zum Hafen wunderbar aus. Nun ist es eindeutig viel angenehmer, zu meinem Haus zu gelangen.


Montag, 30. März 2015

Sansibar, den 25.März 2015









In den Gassen Richtung Forodhani Gardens riecht es plötzlich nach frischem Brot. Ich kann nicht wiederstehen und kaufe dem Mann mit Fahrrad und grossem Korb ein kleines Weissbrot ab und esse es sofort. Es ist das erste Brot, seit ich hier angekommen bin.

In den Touristengassen schaue ich in Geschäfte hinein, die Bilder anbieten. Viel verändert hat sich nicht, immer noch wird in Serie gearbeitet. Als neu fällt mir insbesondere das Zebra auf. Fellstreifen und irgendwo ein Auge, kein ganzer Kopf. Das wird nun hundert Mal kopiert, bis es nicht mehr gerade so originell ist. Später begegne ich einer voll verschleierten Frau, unsere Blicke kreuzen sich. Immer ein merkwürdiges Gefühl, in ein Gesicht zu blicken, von dem man nur gerade knapp die Augen sieht.

Am Morgen früh gehe ich zu Zantel, weil ich meinen Internetzugang wieder aktivieren will. Und bin erstaunt, keine Warteschlangen, ich komme sofort dran und werde sehr gut bedient. Von einer freundlichen Frau, bei Zantel am Schalter arbeiten fast nur Frauen. In der FBME, meiner Bank ebenfalls. Auch hier ist es leer. Das erstaunt mich weniger, da bin ich eher erstaunt, dass die Bank überhaupt noch existiert, denn von der Schweiz aus konnte ich kein Geld mehr nach Sansibar senden, man arbeite nicht mehr mit dieser Bank. Schwarzgeldwäscherei, Terrorismusunterstützung, die Amerikaner haben den Handel mit der FBME verboten. Im Internet lese ich allerdings ebenfalls, dass die Besitzer der Bank fast ausschliesslich Russen sind, manche Kommentatoren sind sogar überzeugt, dass die  Amerikaner die Bank fertig machen wollen. Ich weiss nicht was stimmt. In Tansania arbeitet die FBME auf alle Fälle noch.

Die vielen Frauen jetzt, die in den Banken und Telefongesellschaften arbeiten. So langsam verändert sich eben doch etwas. Diese Frauen, diese neue und selbstbewusste Mittelschicht, geht sehr gerne in den Lukmaan essen. Gerade auch in den neuen Lukmaan, der noch weniger überlaufen ist. Heute Mittag sind wir dort, bis auf einen einzigen jungen Mann, unter uns. Das gab es noch vor wenigen Jahren so nicht. Eine anständige Frau durfte damals nicht in der Öffentlichkeit essen, nicht einmal in Begleitung.

Sonntag, 29. März 2015

Sansibar, den 24.März 2015





Wir müssen mit den zwei Handwerkern, die die Böden und die Malerarbeiten machen wollen einen Preis aushandeln. Wobei dieser Preis allein die Arbeit beinhaltet. Ich finde die 2000.- Dollar für die Malerarbeiten und die weiteren 2000.- für die Böden zu viel. Der Preis sinkt, man einigt sich auf 1200.- für die Maler- und Gipserarbeiten. Die beiden möchten nun 500.- Dollar Vorschuss. Ich bin nicht damit einverstanden und sage, dass ich befürchte, sie so eine rechte Weile nicht mehr zu sehen und ich keine Zeit für solches habe. - Salum meint, ob ich denn kein Vertrauen in sie hätte. Natürlich nicht, antworte ich. Dies wiederum ist für Salum eine Katastrophe, wir kriegen Streit. So etwas sage man doch nicht. Da sage man, man habe im Moment nicht genügend Geld. Suleiman, der mit einer Ausländerin zusammen war und auch häufig für Ausländer arbeitet, nimmt mir das hingegen nicht übel, er lacht. Und statt auf seinem Vorschuss zu beharren, fährt er fort zu arbeiten und bedeutet seinem Partner dasselbe zu tun.

Von der Qualität der Waren, die man hier kaufen kann, habe ich schon verschiedentlich berichtet. Im Stoff, den ich kaufe, hat es mindestens einen Webfehler pro Meter. Der ist nicht unbrauchbar deswegen, bei uns wäre er jedoch speziell gekennzeichnet und hinabgesetzt worden. Die Stecknadeln hingegen, sind unbrauchbar, bereits verrostet und so stumpf, dass sie mir nur den Stoff kaputt machen. Ich kaufe dann die bessere Qualität, die noch nicht verrostet ist. Die erweist sich als derartig weich, dass die Hälfte der Nadeln umbiegt beim Einstecken. Im Badezimmer ist die Duschstange lose. Zwar hat der Sanitär vergessen, einen Dübel in die Wand zu tun was ich korrigiere, doch selbst mit Dübel wird das nur halbwegs stabil, so schlecht ist das Material. Wirklich, manchmal verstehe ich schon, dass die Leute keine Freude daran haben, sorgfältig zu arbeiten. Mit solchem Material. – Aber klar, Qualität für Afrika. Das kostet auch viel weniger. Für den Meter Baumwolle bezahle ich etwa 1.50, für Stecknadeln ein paar Rappen.

Ich bringe die vorbereiteten und nun verbesserten Kissenanzüge einem Schneider zum nähen, da meine Nähmaschine ja bereits vor einer Weile den Geist aufgegeben hat. Er macht das gut, es sind auch nur gerade Nähte. Als ich ihm dann zuschaue, wie er ein Kleid abändert, kommt mir doch ein Grauen. Eine Frau hat ihm ein feines Tüllkleid anvertraut, nicht einfach zu verarbeiten. Und so wie er das macht, ohne irgend etwas abzustecken oder auszumessen, kann das fast nicht gut kommen.

Sansibar, den 23.März 2015




Nach zwei Tagen Regen heute Morgen erstmals wieder Sonne und Wind.
Beim Kaffeemachen stelle ich erstaunt fest, dass es in meinem Kühlschrank noch ein volles Pack Milch hat. Habe ich ausversehen zwei eingekauft? Gleich darauf finde ich einen Plastikbehälter mit Nahrung darin. Wer benutzt den noch meinen Kühlschrank? Afrikanische Sitten. - Das erinnert mich daran, dass ich bei Muhammad einmal den oberen Kühlschrank abstellte, weil er zwei Wochen im Ausland war. Irgend jemand, der Zugang zu der Wohnung hatte, hat das nicht bemerkt und legte etwa zwei Kilo Fleisch dort hinein. Nach zwei Tagen war die Katastrophe perfekt, ein Verwesungsgeruch im ganzen Haus und bräunliches Blut, das über den Küchenboden floss.

Beim Nachbar höre ich ein Hämmern. Zwei Männer sitzen auf dem Dach des hohen Hauses – natürlich ungesichert – und Hämmern neue Stücke Wellblech auf das Dach. Da hat die Regenzeit offensichtlich bereits Spuren hinterlassen.
Meine Handwerker sind noch nicht gekommen. Die Disziplin lässt bereits wieder nach.
Während ich schreibe höre ich die beiden Männer, die eigentlich die Wände streichen sollten aber lieber Böden machen - ich habe ihnen gesagt, beim kleinen Balkon könnten sie einmal zeigen, ob sie das überhaupt könnten - zusammen streiten, wie sie das nun machen sollten. Nach einer Weile gehe ich hinüber und sage ihnen, dass mir das kein Vertrauen gäbe, dass sie das wirklich könnten, wenn sie stundenlang darüber diskutierten müssten wie. Fortan höre ich sie nur noch ganz leise sprechen.

Ich selber beginne einen Kopfkissenanzug zu nähen, da die Anzüge, die es hier gibt, aus einem grusligen synthetischen Gewebe sind, meist noch reich bestickt, ich vertrage das nicht im Gesicht. Ich möchte ihn vorbereiten und einem Schneider mit Maschine bringen, doch es gibt ein mühseliges Exemplar. Ich ertappe mich dabei, dass auch ich einfach angefangen habe ohne erst genau zu überlegen wie. Ich ärgere mich über das Resultat und habe eine schlechte Laune. Das schon. - Die Leute hier können mit schlechten Arbeiten und Misserfolgen viel besser umgehen. Vielleicht ist das ja auch eine Qualität. Ich mindestens bin bis am Abend gänzlich frustriert und brauche einen Double Gin Tonic um das herunter zu spülen. Bei ihnen hinterlässt solches keine Spuren.


Donnerstag, 26. März 2015

Sansibar, den 22.März 2015





Kino aus der Jugendstilzeit, von den Deutschen erbaut. Eines der Objekte, das von Hifadizanzibar.com
 gekauft werden soll.


In der Schule nebenan wird heute nicht aus dem Koran rezitiert oder gesungen. Das Erziehungsrezept bleibt jedoch dasselbe. Die Lehrerin brüllt etwas und die ganze Horde kleiner Kinder brüllt zurück. Einziger Unterschied: Beim Koran sprechen oder singen die Kinder dasselbe nach, bei diesem „Dialog“ schreien die Kinder im Chor vorgegebene Antworten zurück. Gut für mein Swahili. Es sind kleine Kinder, das meiste verstehe ich.

Verschwenderisches Afrika. Jedes Mal, wenn ich wieder hierherkomme, gibt es ein neues Fährschiff. Die „Azam Sealink“ ein Fährschiff mit grosser Ladefläche für Autos – das ist ja nun das, was Afrika liebt – läuft eben von Pemba her kommend im Hafen ein. Die neue Kilimanjaro IV. aus Daresalaam, ein schnittiges Schiff, liegt bereits im Hafen. Ich kann mich noch an die Kilimanjaro I. erinnern, das ist gar nicht so lange her. Das war ein unförmiges Schiff bereits für das Auge. Und hatte Probleme mit der Stabilität, riesige Wassertanks mussten auf das Deck gestellt werden. War das etwa das Schiff, das einmal während meiner Abwesenheit zwischen Pemba und Sansibar, das Meer ist dort bewegt, gesunken ist und viele Menschen in den Tod gerissen hat?
Was ist mit all den immer wieder neuen brauchbaren und unbrauchbaren Schiffen geschehen? Auf die Komoren verkauft. Oder kaputt, erzählt man mir. Die „Azam Company“, einer der grossen Mitspieler im Fährgeschäft, hat ja daneben das ganze Milchverarbeitungsgeschäft in der Hand, Glacen kommen von Azam, überhaupt so einiges, was es hier zu kaufen gibt. Die immer neuen Fährschiffe die sich gegenseitig übertrumpfen, sind wohl eine Prestigeangelegenheit und müssen nicht rentieren. Wie so vieles hier bei reichen Leuten.

Gestern war ich an einer Versammlung von Hifadhi Zanzibar Ltd.
http://www.hifadhizanzibar.com/,
einer neu gegründeten Gesellschaft, welche die Stone Town retten will. Ursprünglich kommt diese Organisation aus Holland und wurde 1956 in Amsterdam gegründet. Auch dort sah die Regierung damals nicht ein, weshalb man die Altstadt erhalten sollte, rücksichtslos wurde abgerissen. Die private Gesellschaft begann deshalb Häuser aufzukaufen und zu renovieren. Das wurde ein Erfolg. Irgend einmal hat dann auch die Regierung den Wert dieses historischen Erbes erkannt und ist eingestiegen. Dasselbe wurde vor drei Jahren in Surinam begonnen und ist jetzt in Sansibar im Entstehen begriffen. Keine Wohltätigkeitsangelegenheit, den Teilhabern wird eine vernünftige Rendite versprochen, sobald die ersten Liegenschaften vermietet werden können. Mit dem Rest der Rendite werden neue Liegenschaften gekauft. Vermietet werden soll an ein gemischtes Publikum, die ursprünglichen Bewohner sollen nicht einfach durch Hotels und Wohnungen für Ausländer ersetzt werden. Angefangen werden soll klein, mit einer einzigen Liegenschaft. Studien wurden bereits gemacht, welche Liegenschaften sich dazu eignen könnten, historischer Wert der Gebäude, Lage, Besitzverhältnisse und soziale Situation der Bewohner wurden mit einbezogen. All diese Vorbereitungsarbeiten werden von der holländischen Regierung bezahlt.
Amsterdam wurde so gerettet - auch für Sansibar könnte das eine Möglichkeit sein. Die Azam Company, ich habe sie oben erwähnt, ist bereits dabei mit 10 Anteilen zu 10'000.- Dollar, einige der Sansibari, die im Ausland gelebt haben und nun hier erfolgreich Geschäfte machen, helfen auch mit. Ich werde mich ebenfalls beteiligen, zumal der Anteil, der von der Regierung übernommen werden kann auf 30% begrenzt ist, man den Einfluss von korrupten Beamten also wenig befürchten muss.