Sonntag, 23. November 2008

Sansibar, den 7. November 2008


Der Morgen beginnt mit klarem blauem Himmel, nichts erinnert an die Regenfälle der vergangenen Tage. Das Meer ist bereits am frühen Morgen belebt. Fisherboote kehren vom nächtlichen Fang zurück, meist grössere Boote, mit Segel, jetzt auch häufig zusätzlich mit Motor. Andererseits werden winzige Boote, für eine Person geschaffen, meist ausgehöhlte Baumstämme, hinausgepaddelt, manche haben zusätzlich ein kümmerliches Segel, man hofft auf einen guten Fang. Wie zufällig – und wohl auch zufällig – verteilen sich die Boote auf dem Meer, durchkreuzen ziellos die weite, heute kaum gekräuselte Fläche in der Hoffnung, dass genau dort, wo sie durchkommen, der grosse Fang wartet. – Das Meer sei hier praktisch leer gefischt, meint die Schwedin, die auf Chumbe Forschung betreibt. Eine Kollegin sei daran, die Fische zu zählen, das Ergebnis hier um die Stone Town sei deprimierend. Und trotzdem fahren sie hinaus. Täglich. Man müsste ihnen schon etwas anderes vorschlagen können, wenn man dies verbieten will.
Inzwischen ist meine Wäsche gewaschen, neuen Uhr morgens, bereits sind viele Wolken am Himmel aufgezogen, man weiss hier nie, was der Tag bringt.

Gestern mache ich die Bekanntschaft unserer Nachbarin, der vermeintlichen Engländerin, doch sie spricht mich auf Hochdeutsch an, sie sei Deutsche, meint sie, lebe seit Jahren in Dänemark. - Bei all den Gerüchten lag also doch Saada, die Frau des deutschen Exkonsuls am nächsten. Die meinte, Dänin sei die, und Ärztin und wolle hier eine Praxis auftun. Das will sie allerdings bereits nicht mehr, zu kompliziert hier das Prozedere. Sie arbeite schon seit Jahren in Ostafrika, aber so kompliziert wie hier in Sansibar sei das sonst nirgendwo. Das brauche sie nicht mehr. So eine Spur willkommen fühlen möchte sie sich doch. Und wieder einmal stelle ich fest, dass die meisten Leute, die längere Zeit hier in Afrika in der Entwicklungshilfe gearbeitet haben, recht zynisch und desillusioniert geworden sind. Da muss man wohl sehr aufpassen. Henning Mankell zeigt das in seinen Romanen ja sehr gut auf. Wie Goodwill, naive Menschenliebe in Hass und Rassismus umschlagen können. – Sie also, die deutsche Dänin, verbringe lediglich noch den Winter hier in Sansibar. Allerdings nie mehr als zwei Monate am Stück, das halte sie nicht aus, gehe zwischendurch Freunde besuchen in Ostafrika.
Später meint sie, nirgendwo gäbe es derartig viele NGO’s, die in irgendwelchen Belangen tätig seien wie in Sansibar. Was bedeutet dies? Vermutlich, dass sich auch Entwicklungshelfer lieber dort niederlassen mit ihren Projekten, wo das Leben nicht allzu unangenehm ist. Eine Insel, das Meer, und durch die touristischen Zentren sind eben doch fast alle europäischen Annehmlichkeiten irgendwie erreichbar. Andererseits bin ich aber nicht ganz so sicher, ob Sansibar über all dieser Wohltaten so glücklich sein darf. Man hat sich hier etwas daran gewöhnt, dass alles irgendwie von jemandem finanziert wird, Eigeninitiativen der Bevölkerung kommen kaum zustande. Dies in einer Gesellschaft, die bereits historisch gesehen immer bemuttert wurde, in der selbständig denkende Menschen nicht gefragt waren, in der man die Obrigkeit achtete, sich nichts anderes vorstellen konnte. Eigentlich beschreibt dies Prinzessin Salme in ihrem Buch sehr gut – nur dass sie daraus ganz andere Schlüsse zieht als ich, nämlich die, dass ein patriarchalisches System gut sei. Sie spricht den Schwarzen Vernunft und Mündigkeit ab, ist deshalb auch sehr skeptisch, das die Sklaven auf Geheiss der Engländer übergangslos in ihre Freiheit entlassen werden sollen. Die seien es nicht gewohnt, selbst für sich zu sorgen, da müsse man langsam vorgehen, Schritt für Schritt. Und hat mit ihrer damals und sicher auch heute in Europa kaum populären Meinung vielleicht gar nicht so unrecht gehabt – mindestens unterstützt dies der Ali voll und ganz. Genauso, wie man vielleicht nach der Kolonialzeit auch nicht einfach hätte abziehen sollen.....Doch die Grundfrage bleibt: Wer hat denn diese Menschen unmündig gemacht und war das so richtig? Item, tempi passati, ich finde, es ist höchste Zeit, dass sich die Sansibaris daran gewöhnen, ihr Schicksal selbst in die Hände zu nehmen. Jeder einzelne.

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