Montag, 24. November 2008
Sansibar, den 19. November 2008
Der Flug ab Zanzibar hat eine Stunde Verspätung, es ist bereits Nacht, das ärgert mich, mit der Sicht auf das Korallenmeer wird so nichts. Nach den Lichtern der Stone Town döse ich ein und als ich erwache, sehe ich bereits Daresalaam unter uns. Und glaube den „International Airport“ zu erkennen. Darauf fliegt jedoch die „Zanair“ Maschine einfach weiter, ich warte darauf, dass sie abdreht, jetzt fliegen wir bereits über gänzlich unbeleuchtetes Gebiet. Wo sind wir, merkt denn der Pilot nichts und alle Passagiere dösen vor sich hin? Ich werde unruhig, die Tunnelgeschichte von Dürrenmat kommt mir wieder einmal in den Sinn: Auf in den Abgrund und niemand merkt etwas. - Nach einer Weile tauchen wieder Lichter auf, sicherlich sind wir zehn Minuten geflogen, das Flugzeug immer horizontal, ich habe nichts von einer Kurve bemerkt. Und trotzdem mussten wir wohl einfach eine Warteschlaufe gedreht haben, denn wieder ist es der internationale Flughafen, nicht der lokale, auf dem wir schliesslich landen.
Im Flughafen von Daresalaam. Ein starker Ventilator verdrängt die stickige Luft, die Klimaanlage scheint heute nicht zu funktionieren, ich setze mich gerade darunter, so ist die Hitze erträglich. Ich habe ein Bier bestellt. Nach der Abreise von Babs und Familie das erste, ein einziges Mal in dieser Zeit habe ich mir einen Gin Tonic gegönnt.
Nur einen Monat Sansibar diesmal. Viel zu wenig. Obwohl ich mich vom ersten Tag an Zuhause fühlte. Und auch mit dem Ali prächtig auskam. Wie viel einfacher sind doch Beziehungen, wenn man nicht mehr die Erwartungen des verliebten, des dauernd verletzten Partners hat. Wir hatten solch eine gute Zeit zusammen, dass ich mich fast wieder in ihn verliebt habe. Mindestens bin ich mir diesmal viel weniger sicher als das letzte Mal, dass ich nicht mehr zurückkehren werde. Die Leute fragen mich: Wann kommst du wieder, ich sage „ich weiss es nicht“ und wenn sie insistieren „ in zwei-, in drei Monaten, je nach Laune eben, hier nimmt es ja eh niemand so genau mit der Wahrheit. Und mit der Zeit sowieso nicht. Doch dass ich zurückkomme, da bin ich sicher. Zu viele Leute kenne ich nun hier. Zu angenehm ist dieses Leben, dieses Schweben irgendwie. Nicht dass ich hier nichts tun würde, überhaupt nicht, unterdessen bin ich bereits recht beschäftigt. Doch nehme ich eben das ganze nicht gleich wie in der Schweiz. Auch wenn ich beispielsweise mit meinem Ölstrandbild heftig und lange gekämpft habe, nie zufrieden war, so konnte ich mich doch viel einfacher als in der Schweiz davon lösen. Jeden Tag drei, vier Stunden, fertig schien mir das Bild nie, doch trotzdem konnte ich danach hinausgehen, das ganze verfolgte mich nicht Tag und Nacht. Diese Gelassenheit. Empfinde ich die Leute hier als gleichgültig und träge, so glaube ich, ist ihr Einfluss, die ganze Stimmung hier, auf mich wohltuend heilsam. Nicht gleichgültig, noch lange nicht gleichgültig bin ich hier, auch nicht träge, aber eben doch gelassener, als ich dies je in der Schweiz schaffe. Der Zauber von Sansibar – von Afrika vielleicht überhaupt – ist wahrscheinlich, dass etwas abfärbt von der Lebenseinstellung hier. Das merke ich bei allen Weissen, die hier sesshaft sind, manche erschienen mir sogar bereits extrem angepasst. Vielleicht kommt das mit der Zeit - und ganz so weit möchte ich ja nicht gehen. Ein Leben zwischen beiden Welten ist also perfekt. Wenn auch aufwändig, das stimmt schon. Ankommen und Aufbruch, beides braucht Energie, soviel gilt es zu erledigen, nichts sollte vergessen werden.
Zurück zu Ali und Sansibar. Ich bin stolz auf ihn. Er hat bewiesen, dass er durchaus fähig ist zu lernen. Der Lukmaan wird immer professioneller, läuft immer besser, viele Fehler wurden ausgemerzt, Kosten eingespart, ich bin erstaunt, was alles gelaufen ist. Und überall in der Stadt sprechen mich Leute an: „Mama Lukamaan“. Der Lukmaan, ein ausgezeichnetes Restaurant, auf der ganzen Insel kenne man den. Sogar Mzungus kämen regelmässig dort essen. Was wahr ist, die Gemeinde der ortsansässigen Weissen schätzt den Lukmaan sehr, ist treue Kundschaft und auch die Travellers getrauen sich immer häufiger dorthin. Ali hat das Restaurant nun praktisch übernommen, ich sehe seinen Partner Othman nur noch ganz selten dort. – Was natürlich auch etwas traurig ist, ganz offensichtlich schaffen es die beiden nicht, im Team zu arbeiten. Und vielleicht ist es ja auch Weisheit, wenn sich der eine ohne Groll und Streit einfach zurückzieht und den anderen machen lässt. Auch wenn ich das schade finde, wie viel einfacher wäre es doch, das ganze gemeinsam zu managen - doch so geht es ganz offensichtlich ebenfalls. Mindestens unter der Regie von Ali. Und ist wohl der afrikanische Weg, das muss ich akzeptieren. Keiner macht dem anderen Vorwürfe, wenn der nur noch gerade im Restaurant auftaucht, um dort zu essen. Der Othman möge eben im Moment einfach nicht, nein, Streit hätten sie keinen gehabt. Schwierig für mich zu begreifen.
Sorgen macht uns im Moment nur das Haus. Und wehmütig schaue ich mich heute noch einmal genau um, bevor ich es Richtung Flughafen verlasse. Ich bin nicht sicher, ob ich dies jemals wieder in der gleichen Art sehen werde. Die Besitzerin will das Haus zurück, ist zwar immer freundlich lächelnd in ihrem schwarzen Schleier, doch wenn ich in ihre Augen schaue, so lachen die überhaupt nicht mit. Vertrauen habe ich sowieso keines mehr. Noch vor einem Jahr sagte sie uns, nein, verkaufen wolle sie nicht, doch wir sollten uns keine Sorgen machen, hier könnten wir bleiben, solange wir wollten. Das musste sie doch damals gewusst haben! Sicherlich hätte ich von Anfang an intensiver und kompromissbereiter für ein eigenes Haus geschaut, wenn wir eben nicht bereits ein sehr schönes bewohnt hätten mit dem alle im Vergleich abfielen. Item, jetzt ist es zu spät, die Häuser in der Altstadt haben bereits Preise fast wie in der Schweiz. Nur dass dabei keine rechtlichen Garantien bestehen. Baugesetze gibt es zwar schon, aber wenn der Nachbar etwas anderes machen will, dann muss er einfach genügend dafür bezahlen.
Ali erzählt mir am Stand von Jambiani, er habe Folgendes beobachtet und darüber nachgedacht: Paare mit afrikanischem Mann und weisser Frau, das funktioniere eben nicht so recht wegen dem Glauben. Weil sich die Frauen nicht bekehren wollten, weil Mzungus eben überhaupt keinen Draht zu Mungu, zu Gott mehr hätten. Doch wollten diese Männer zurück zu gläubigen einheimischen Frauen, dann gehe das eben auch nicht. Nichts gäbe es mit diesen Frauen zu diskutieren, die wüssten von nichts, keine Gespräche seien da möglich. Das müsse eben doch ändern. Von klein auf habe er in seiner Gesellschaft gelernt, dass Frauen nichts Wert seien, zu nichts fähig. Entsprechend würden eben die Frauen das auch glauben, sich kaum um Bildung bemühen, sich mit sehr wenig zufrieden geben, Ehemann und Kinder, das genüge, obwohl ja die Männer meist früher oder später davonlaufen würden, da gäbe es einfach keine Verständigung. So getrennt, wie die Welten von Männern und Frauen in seiner Gesellschaft gelebt würden, so getrennt dürften sie eben doch nicht sein, denn was wolle man da mir seiner Frau machen, ausser Sex? Kein Wunder, dass sich keine richtige emotionale Beziehung entwickle, die Beziehungen oberflächlich und endlich blieben.
Das Flughafenrestaurant füllt sich auf, es stinkt nach altem Frittieröl. Nach dem zweiten Bier fühle ich mich etwas betrunken, dafür weniger melancholisch. Ich befürchte ein volles Flugzeug und damit eine schlechte Nacht. Ganze Reisegruppen von Schweizern im Flughafen und die vielen Italiener fliegen wohl auch noch mit „Swiss“. Morgen in der kalten Schweiz. Wo Gelassenheit bewahren nur ein Wunsch.
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen