Sonntag, 23. November 2008
Sansibar, den 11. November 2008
Sonnenuntergänge hier. Wie manchem habe ich wohl bereits zugeschaut? Und immer noch empfinde ich es als etwas Ungeheuerliches, etwas Feierliches, eine Ruhe überkommt mich, Zeit existiert nicht mehr, häufig kann ich mich von der rasch wechselnden Szenerie des Einnachtens erst trennen, wenn der Himmel praktisch schwarz geworden ist. Schemenhaft erkenne ich noch Dahus, Fischerboote, die gemächlich durchs Dunkel hinausziehen. Sehen tut man das eigentlich nicht mehr. Wenn dies ein Bild wäre, Tiefblauschwarz mit wenigen Schattierungen, ohne Kommentar, dann wüsste niemand, was das sein soll. Wie vieles doch unser Hirn ergänzt, interpretiert, was das Auge kaum mehr sehen.
Wie immer wird am Strand Fussball gespielt. Momentan ist bei Sonnenuntergang Ebbe und da beinahe Vollmond ist, sehr niedrige Ebbe, die Fussballfelder sind also gross. Und neben den Fussballspielern steht ein Teil der Mannschaft etwas abseits in einer Reihe. Blick gegen Norden, Richtung Mekka, dem Meer zugewandt. Koordinierte Bewegungen, Kopf senken, Kopf heben, Kopf senken, auf die Knie, den Kopf vornüber beugen, die Stirne berührt den Sand. Bei diesen Jungen hat das Abendgebet nicht das in sich Gekehrte, das ich häufig bei Betenden beobachte. Eher wie Gymnastik sieht das aus, man will wieder spielen gehen, muss seine Pflicht erfüllen. Das ist aber nicht bei allen so. Kürzlich beobachtete ich einen alten Mann ganz alleine in der flirrendheissen Mittagshitze am Strand, niemand sonst, alle haben sich in den Schatten geflüchtet. Doch er, ganz versunken beim Gebet, scheint nichts von der Hitze zu spüren. Und am Morgen früh treffe ich häufig eine Gruppe Inder am Strand. Sie machen Gymnastik, eher gemächlich oder sitzen im Wasser und parlieren, und eine Frau macht ihr Joga und meditiert anschliessend. Die Magie dieses Ortes scheinen viele zu fühlen.
Als ich um die Halbinsel zurück gegen Süden wandere, ist es bereits tiefe Nacht. Aus dem üppig grünen Garten des „Serena Hotels“ klingt die Musik eines Tarab Orchesters, der Garten ist raffiniert beleuchtet, kleine Lämpchen hängen überall, Prinzessin Salme lässt grüssen, mit den Beschreibungen des prachtvollen Harems und Palastes des Sultan. – Daneben aber bleibt mir Salme fremd in ihrem Denken und Empfinden. Doch führe ich dies nicht auf den unterschiedlichen Kulturkreis zurück, es ist eher das Benehmen der Oberschicht, der Adligen und Könige, deren Luxus und Pracht und Verschwendungssucht, die mich abstösst. Woher kommt das Geld? Von den Sklaven die für die Herrschaft arbeiten, von Sklaven die verkauft werden. Da hilft es mir wenig, wenn Salme beteuert, dass ihr patriarchalisches System sehr gut mit diesen gewesen sei. Ein paar wenige wohl, diejenigen die am Sultanshof arbeiteten, häufig nur zu Repräsentationszwecken gehalten wurden und hübsch gekleidet vom Reichtum des Besitzers zeugten, denen ging es wahrscheinlich nicht allzu schlecht, doch all die übrigen? Überhaupt ein patriarchalisches System. Vielleicht nicht allzu schlecht, wenn der Patriarch ein gütiger Mensch. Doch eben trotzdem schlecht, weil es die Verantwortung, das Denken auf die kleine Führungsschicht konzentriert. Die übrigen haben zu gehorchen und zufrieden zu sein. Und gewöhnen sich an diese Rolle. Nachwehen dieses Systemes sieht man auch heute noch in Afrika: Die Leute sind sich gar nicht gewohnt, selber Initiativen zu ergreifen. Nicht einmal daran, selbständig zu denken. Denn dies war nie erwünscht. Und wurde bereits mit der Religion gerechtfertigt, die blinden Gehorsam wünscht und jegliches Hinterfragen verbietet.
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