Freitag, 19. Oktober 2007

9. Oktober 2007


Wie ein Jäger auf der Pirsch. Dieses Bild scheint mir wirklich treffend für meine früh morgentlichen Fototouren. Erneut hat man eine Aufnahme verpasst, eine Einstellung, die nie Wiederkommen wird. Mindestens bei beweglichen Sachen. Ich versuche mich heute vermehrt auch mit Menschen. Aufnahmen mit Teleobjektiv haben den Nachteil - vor allem mit sehr wenig Licht - kaum einmal scharf zu werden. Und nahe heran zu gehen an die Leute ist hier schwierig, Männer und Kinder verlangen häufig Geld, weil sie glauben, dass wir mit den Fotos viel verdienen und sie nicht leer ausgehen wollen. Frauen ziehen den Schleier vors Gesicht oder bedecken dieses mit der Hand. - Ali hat wohl schon recht, wenn er meint, die Frauen hier seien mir nicht feindlich gesinnt, die seien einfach scheu. Getrauten sich deshalb ebenfalls nicht, mich anzusprechen. Ich habe das lange als Feindseligkeit empfunden. Vor allem auch, wenn ich dann feststellen musste, das sie eigentlich, vor allem die Jungen, weit besser Englisch sprechen als ich Kiswahili. – Heute Morgen gehe ich in die Offensive. Lächle ein paar Frauen an und sage „hujambo“, wie geht es dir, oder auch einfach Guten Tag. Meistens kommt eine freundliche Antwort zurück oder mindestens ein scheues Lächeln. Frühmorgens hat es wenige Leute auf der Strasse, da geht das einfacher. – Auf einer Bank im Park sitzen drei Schülerinnen, erkennbar an den schwarzen Roben und dem etwas speziellen, weissen Schleier. Ich spreche sie an und frage, ob ich sie fotografieren dürfe. Ziemlich spontan bejahen sie. Und sind dann auf den Fotos trotzdem gehemmt. Doch eigentlich ist das bei uns dasselbe; wenn die Leute wissen, das sie fotografiert werden, geht viel verloren.
Ich perfektioniere meine Arbeit mit dieser Kamera weiter. Ein technischer Nachteil – ich muss im hellsten Himmel oben andrücken, damit die Belichtung möglichst dunkel wird, und dann langsam loslassen auf meinem Sujet, bis mir das Licht gefällt – erweist sich als nützlich. Viele Leute verwirrt dies, sie merken gar nicht, was ich schlussendlich fotografieren will. Bedingt allerdings, dass ich den Bildausschnitt bereits vorher genau ausgewählt habe, denn diesen zu verändern, ist nun nicht mehr möglich. - Leider alles andere, als eine spontane Angelegenheit. Kommt dazu, dass ich nun die Brille, die ich für die Fernsicht unbedingt brauche, zum fotografieren abnehmen muss, sonst kann ich auf dem Display nicht beurteilen, ob das Bild scharf ist.

Die Gerüche. Jeden Morgen, wenn ich um halb sechs Uhr aus dem Haus trete, bin ich überwältigt, von dem süssen Duft verschiedenster Blüten, viel stärker, als jemals tagsüber. Die meisten Blumen hier scheinen von nachtaktiven Tieren bestäubt zu werden. - Oder ist es einfach mein Riechorgan, das am Morgen sensibler ist? Ebenfalls die üblen Kanalisationsgerüche mancherorts scheinen mir jetzt viel intensiver.

Auch heute wieder bin ich überrascht, von dem wahnsinnig raschen Einbruch des Tageslichtes. Und auch etwas frustriert, ich würde diese Momente gerne etwas länger geniessen. Zum Glück habe ich herausgefunden, wie man Dämmerlicht mit der Kamera mit Hilfe der Beleuchtung auch später noch „herstellen“ kann. Dabei hilft mir, dass die Lichter häufig erst ausgeschaltet werden, wenn sie schon lange nicht mehr benötigt werden.

Die vier letzten Tage des Ramadan sind besonders streng. Am 21., 23., 25., 27. oder 29., da habe Allah den Koran übermittelt, ihn uns geschenkt - wobei dieser dann nicht als Ganzes auf die Erde gekommen sei, sondern nur portionenweise, nämlich durch die Offenbahrungen des Engel Gabriels an Mohammed - einer dieser Tage sei nun dieser ganz Spezielle, aber man wisse eben nicht welcher. Mohammed habe nur gesagt, ein ungerader Tag im letzten Drittel der Fastenzeit. Wer nun am richtigen Datum die ganze Nacht intensiv Allah preise, dem werde dies gleich angerechnet wie 1000 Monate gute Taten, also etwa 81 Lebensjahre voller Guthaben. Erzählt mir Ali. Weshalb auch er diese Tage besonders streng lebt.
Sintflutartige Regenfälle seit heute Mittag. Ich stelle fest, dass man selbst die heftigen Sommergewitter, die wir in letzter Zeit auch in der Schweiz hatten, niemals damit vergleichen kann. Doch kein Blitz und Donner, hier legen sich meist warme Schichten über etwas noch wärmere, keine riesigen Temperaturunterschiede.
Die Wolkenbrüche kommen in kurzen Sequenzen, dauern vielleicht 20 Minuten lang, dann bleibt es eine Weile ruhig. Ich denke, nun sei es vorbei und getraue mich hinaus, um dann beim Markt oben, von einem heftigen Guss überrascht zu werden. Zwar habe ich einen Regenschirm, doch auch mit diesem bin ich innert kürzester Zeit tropfnass und das wadentief fliessende Wasser in den Gassen zwingt mich, wie viele anderen, unter einem Dach Zuflucht zu nehmen. Beim Warten kommen dann so die Gedanken: Sintflut, Sündflut, hört denn Allah all diese Gebete nicht, die des Nachts von der Insel zu ihm heraufdringen? – Doch es ist eben an ihm, zu strafen oder zu belohnen, für diese Welt wird uns keine ausgleichende Gerechtigkeit versprochen, auch schlechte Menschen können es sich hier gut gehen lassen. Erst in der nächsten Welt, da wird Gerechtigkeit herrschen, die Guten ins Paradies, die Schlechten ins Höllenfeuer. Wie denn sonst, könnte man all die Ungerechtigkeit auf dieser Erde erklären?

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