Sonntag, 23. November 2008

Sansibar, den 16. November 2008


Ich beklage mich über meine Ungeschicklichkeit. Die Mangos, die ich auf die Küchenablage stelle, kugeln zu Boden, die Limetten ebenfalls, die Bleistifte vom Tisch und der Geschirrberg auf der Abtropffläche fällt immer wieder in sich zusammen. Doch was kann man da tun, hier ist ja alles schief, nie wirklich eben, selbst der Stuhl, auf dem ich gestern Abend auf der Dachterrasse hoch über der Altstadt im „Emerson Restaurant“ gesessen bin, war so schief, dass er meine Wirbelsäule zu einer schmerzhaften Verdrehung zwang. Doch vielleicht war das gar nicht der Stuhl, sondern die ganze Terrasse. Oder das ganze Haus. Da fällt eben viel häufiger etwas zu Boden.
Aus einem ähnlichen Grunde sage ich der Frida, der Managerin der Chumbe Island, des Marinen Schutzgebietes, für das ich eine Tafelausstellung konzipiere, dass sie die neuen Tafeln für die Ausstellung besser etwas zu gross bestellen solle. So zwei bis drei Zentimeter. So könnten wir hoffen, dass alle Rahmen gross genug sein werden. Und auf dem Anschlagsbrett im dortigen Büro lese ich den Spruch: Der glücklichste Mensch ist derjenige, der mit Bedingungen und Zuständen zurechtkommt, die alles andere als perfekt sind.

Missverständnisse. Leluu, die Nichte von Othman, dem Partner Alis im Lukmaan, kommt mich besuchen. Da sich Othman – wider unserer Abmachung im Juni – im Moment kaum noch im Restaurant zeigt, frage ich Leluu, was denn ihr Onkel, bei dem sie wohnt und die Kinder betreut, nun so mache. Der arbeite in einem Hotel, glaube sie, und ich frage nicht weiter. Frage dann später den Ali, was eigentlich los sei, sein Partner arbeite nun in einem Hotel. Ali versteht das nicht, meint, das glaube er nicht. Und lacht später und meint, die Leluu habe mir von einem Hotel erzählt? Das Wort werde im Swahili auch benutzt. Allerdings nicht im richtigen Sinne, „hoteli“ bedeute hier Restaurant, die Leluu habe den Lukmaan damit gemeint. Leluu spricht zwar erstaunlich gut Englisch, besucht eine Computerschule, da scheint sie ihrem Onkel nachzuschlagen, doch offensichtlich benutzt auch sie das Englisch auf Swahilistyle.

Heute ist Sonntag, wir fahren an die Südostküste, nach Jambiani. Mittlerweile kenne ich die Insel wohl besser als die Schweiz. Was allerdings auch einfacher ist, mit ihren nur 90 km Länge und 30km Breite. Die Strassen sind in den letzten Jahren erstaunlich gut instand gestellt worden, bis nach Jambiani hinunter ist alles neu geteert, wir brauchen nur noch etwa eineinhalb Stunden für die Reise. Und durchqueren dabei extrem warme Luft, kurz darauf aber auch wieder kühle. Die Fahrt erinnert mich an das Schwimmen im Meer oder in einem See, wo man immer wieder warme, aber auch kältere Strömungen durchquert. Auf dem Motorrad spürt man die Umgebung eben viel besser. Auch die vielen Gerüche, Blüten aus dem Wald und der traumhafte Duft blühender Orangenhaine hinter den uralten Mangobäumen, die eine rechte Weile als Allee die Strasse Richtung Süden säumen. Sie sollen noch von Sklaven, auf dem Fussweg zu ihrem neuen Zuhause, gesteckt worden.

Am Abend essen wir Früchte. Ali meint, ich solle aufpassen bei der Mango, da habe es vielleicht Würmer drin. Ich frage ganz erstaunt warum, das habe es doch noch nie gehabt, doch er meint, das sei möglich, und diese Mango sehe so aus. – Erst jetzt werde ich mir bewusst, dass es in den Tropenfrüchten eigentlich kaum einmal Würmer hat, weder in den Ananas, den Papayas, den Bananen, den Jackfruits noch eben den Mangos. An den Pflanzen zwar viel Ungeziefer, doch die Früchte selbst sind auch ohne Chemie im allgemeinen makellos – wenn nicht überreif und bereits verfault. Gegenüber unseren Äpfeln, Birnen, Zwetschen, Himbeeren und Brombeeren, die doch alle - mindestens biologisch gepflegt - häufig mit Würmern versehen sind. Wir seien bereits im Paradies hier, meine ich zu Ali. In Anspielung auf unsere häufigen Diskussionen darüber, dass ich nicht an Paradies und Hölle glauben kann. Wir seien bereits im Paradies, das Erdenleben sei gelebt, wir hätten dies ganz einfach nicht mitbekommen und seien nun bereits tot und auf der anderen Seite. Ali mag das nicht lustig finden.

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