Freitag, 4. Mai 2007

30.april 2007


30. April 2007

Ali hat mich immer vor Dieben gewarnt. Ich hingegen habe beim Verlassen des Hauses nur unwillig die vier Schlösser zwischen unserer Wohnung, dem Hof und dem Ausgang abgeschlossen. Da fühlt man sich ja wie in einem Gefängnis. Das widerstrebt mir auch in der Schweiz: Einen Schlüssel hervor suchen, bevor man seine Wohnung betreten kann. Seit wir das Untergeschoss renovieren, habe ich, wenn ich hier war, oft die Eingangstüre offen gelassen, weil von dort der angenehmste Wind vom Meer her durch das Haus streicht. Ali hat gemeint, dass ich das nur tun solle, wenn ich unten im Hof oder in der Küche sei, nicht aber oben in der Wohnung. Doch ich wollte einfach nicht glauben, dass ein Dieb am helllichten Tage einfach in das Haus hereinkomme. Und bin dann gestern, als ich zufällig hinunter ging, einem Mann begegnet, der mit dem Fernseher in den Armen der Türe zuging. Was er denn hier mache, fragte ich ihn. Er sei ein „fundi“ ein Handwerker, meinte der. Doch mir kam die Sache komisch vor. Ich rief dem Ali, der oben war und sagte dem Mann, er solle draussen warten und schloss die Eingangstüre ab. Ali meinte zuerst, dass wirklich jemand kommen sollte um das Fernsehkabel besser zu installieren. Doch als er hinunter kam, stellte er sofort fest, dass unsere Schuhe alle weg waren. Die Schuhe hingegen standen unten an der Treppe und um dorthin zu gelangen, musste man erst den Hof durchqueren. Der Mann wartete dann natürlich auch nicht vor der Eingangstüre.......

Ich muss also vorsichtiger sein. Erschreckt hat mich vor allem, dass der Typ den Hof durchqueren konnte und bis zum Treppenaufgang kam, ohne dass ich etwas davon bemerkte. Die recht abgelartschten, jedoch eben europäischen Schuhe – die hiesigen Schlarpen ebenso wie Alis alte Schuhe hat er stehen lassen – haben kaum mehr einen grossen Wert. Für mich jedoch einen riesigen, denn sie waren in der Hitze, die einzigen Schuhe, mit denen ich längere Strecken laufen konnte ohne blutige Füsse zu kriegen.
Der Fernseher schliesslich, ist ja nun gerettet. Nicht dass er mir derartig wichtig wäre. Da wir aber bereits den Kabelanschluss, sowie die Gebühren für drei Monate im voraus bezahlt haben, wäre das schon recht ärgerlich gewesen.
Und schon wieder der Zufall: Warum bin ich ausgerechnet in diesem Moment hinuntergegangen und habe den Dieb getroffen? Ich kann mich an keinen bestimmten Grund für diesen Gang erinnern. Wäre ich eine halbe Minute später gekommen, wäre der Mann und der Fernseher bereits weg gewesen.

Der materielle Schaden blieb also glücklicherweise gering, doch ein ungutes Gefühl bleibt. Derartige Dreistigkeit habe ich mir nicht vorstellen können. – Hätte ich „mwizi“, Dieb geschrieen, wären sofort alle Nachbarn herbei gelaufen, meint Ali. Mir kam das gar nicht in den Sinn. Und hätte auch böse Folgen haben können, meint er, häufig würden Diebe einfach von der Meute umgebracht. Selbstjustiz. Auch dies habe ich Mühe zu glauben. Doch ich muss vorsichtiger werden. Vieles, das ich mir einfach nicht vorstellen kann, stellt sich nachträglich als wahr heraus hier.

Letzte Woche ging ich in das Büro des Verbandes, der die Erhaltung der Stone Town fördern soll, weil ich mich dort als Mitglied einschreiben wollte. Die Schwedin, die normalerweise dort ist, war abwesend, so erklärte ich meinen Fall einem jungen Schwarzen. Doch, natürlich. Das Antragsformular bereits ausgefüllt? Dann würde ich noch zwei Passfotos brauchen (Fotos braucht man überall hier) und 2000.- tansanische Shilling, was etwa zwei Schweizer Franken entspricht. Ich versprach, mit dem Gewünschten zurück zu kommen. Ob ich denn nicht bezahlen wolle, meinte der Mann. Aus irgendeinem Grunde sagte ich nein, ich werde dann alles gleichzeitig erledigen. Geld, Antrag, Fotos. Und kam dann auch wenig später mit dem Gewünschten zurück. Jetzt sass die Schwedin dort. 1000.- TS koste das, meinte sie. Auf meine Bemerkung, vor einer Stunde habe das noch 2000.-TS gekostet, reagiert sie nicht.

Wenn man die Sache so sehe, meint Ali, und auch noch bedenke, dass der „sheikha“, der Vorsteher des Quartieres und der Chef des „Stone Town Conservatory Offices“ sich nicht genieren, Geld anzunehmen, damit Illegales möglich werden könne, dann sei das Treiben eines Diebes sicher nicht verwerflicher. - Dem kann ich nur zustimmen.

Auch sonst bin ich momentan etwas deprimiert. Vieles braucht viel mehr Zeit, als ich mir das wünsche. Vor allem das Erlernen der Sprache. Ohne Swahili, ist der Aufbau eines sozialen Lebens hier sehr schwierig. Doch meine Fortschritte sind langsam, auch wenn ich täglich mindestens eine Stunde lerne. Einfache Texte lesen und verstehen kann ich zwar mittlerweile, denn da habe ich Zeit. Bei Gesprächen kriege ich das Wichtigste mit. Selber sprechen bleibt jedoch sehr schwierig, zu fremd der Aufbau der Sprache, immer wieder muss ich über die Grammatik nachdenken und auch mein Vokabular bleibt noch sehr dürftig.

Übrigens sehe ich nun das Verhältnis des Swahili zu europäischen Sprachen nicht mehr genau gleich. Ein Wort aus dem Swahili, kann in Deutsch unzählige, für uns vom Sinne her nicht logisch zusammenhängende Bedeutungen haben. Umgekehrt jedoch muss ich feststellen, dass es selten ausreicht, dass ich für ein deutsches Wort ein einziges Swahiliwort erlerne. Auch hier ist es immer eine ganze Auswahl von Wörtern, die sich nur in Nuancen unterscheiden und auch abhängig vom Satzzusammenhang unterschiedlich eingesetzt werden. Nun reicht es leider nicht, wenn ich ein einziges Wort erlerne, damit ich mich ausdrücken kann, ich muss alle Wörter kennen um zu verstehen, denn die Leute verwenden sie alle. Abhängig scheint mir dies auch vom Sprecher. Manche Leute bevorzugen eben dieses Wort und andere jenes.
So glaube ich jetzt, dass die „Wortsinne“, die verschiedenen Bedeutungen eines deutschen Ausdruckes überhaupt nicht übereinstimmen mit jenen des Swahili. Die Begriffe werden anders abgegrenzt. Manchmal verständlich, logisch scheinend, häufig aber auch gänzlich undurchschaubar: „chombo“ zum Beispiel heisst Gefäss, Instrument Werkzeug oder Boot, „paa“ Dach oder Gazelle, „bado“ sowohl noch nicht wie auch nicht mehr. Umgekehrt kann das deutsche Wort „nehmen“ mit twaa, shikia, chukua übersetzt werden. Auch stelle ich fest, dass das Erlernen einer Fremdsprache über eine weitere Fremdsprache - bei mir hier Englisch - die Sache eindeutig verkompliziert. Erst jetzt, wo ich ein gutes Grammatikbuch habe, das die ungewohnte Grammatik mit der deutschen vergleicht, werden mir viele Konstruktionen des Swahili erst richtig klar.

Die DDR war ein wichtiger Sponsor des kommunistischen Tansanias unter Nyerere. Die DDR hat hier gewaltige, unterdessen bereits halb zerfallene Betonblöcke in den Vororten, teils auch in kleinen Ortschaften auf dem Land, hinterlassen. Doch offensichtlich hat sie auch sonst rege Beziehungen zu „ihrem Schützling“ gepflegt. Das Swahili Lernbuch stammt aus einem DDR Verlag. Und neben Sprache vermittelt es auch Politik, ja man könnte es richtiggehend als Werbeschrift für den Kommunismus bezeichnen. Dies wiederum ist schade, denn ein grosser Teil des Vokabulares, zum Beispiel Parteisekretär, Vollversammlung, Parteisitz und unendlich viele weitere interessieren mich nur mässig. Ich möchte die Wörter lernen, die ich hier wirklich gebrauche. Verweigere ich mich aber dem Erlernen von für mich unwichtigen Wörtern, so kann ich leider irgendeinmal den Übungen und Texten nicht mehr folgen, denn sie alle haben einen „erzieherischen Wert“.

Einen weiteren Lernversuch habe ich mit den schön bebilderten Schulbüchern für kleine Kinder unternommen. Doch auch hier habe ich rasch gemerkt, dass das Vokabular ein Spezielles, auf kleine Kinder Abgestimmtes ist und von mir nur beschränkt eingesetzt werden kann.

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