Freitag, 11. Mai 2007

11.Mai 2007




11.Mai 2007

Ich frage mich, wie weit ich mich bereits verändert habe. Ist es ein Zeichen meiner „Afrikanisierung“, dass ich den Tee, auf dem tote Ameisen schwimmen, durch ein Sieb giesse und dann trotzdem trinke? Oder dass ich einen Eimer unter das Küchenwaschbecken stelle, nachdem ich dreimal vergeblich versucht habe, den Ablauf zu entstopfen und das ganze dann wieder dicht zusammenzusetzen? Der Ablauf tropft immer noch, ich gebe auf.
Ali fragt mich, als ich bei einer Arbeit klage, ich hätte keine Lust das zu tun, weshalb ich es denn tue? Arbeiten müsse man erledigen, wenn man Lust dazu habe, nicht wenn es einem zuwider sei. Ich entgegne, dass so aber vieles unerledigt bleibe. Auf manche Arbeiten habe man einfach keine Lust. Niemand hätte Lust darauf und trotzdem müssten sie erledigt werden. Er sieht das nicht so. Und ich begreife langsam, wie das gemeint ist. Wenn er etwas zu erledigen versucht und das einfach nicht klappen will, dann hört er damit auf. Legt die Sache zu Seite. Oft denke ich, der wird das nun einfach vergessen. Das stimmt aber nicht. Ein paar Tage später ist er dann plötzlich wieder daran. Häufig klappt es nun, die Sache ist erledigt. Manchmal aber auch nicht. Dann braucht es einen weiteren Anlauf. Irgendeinmal aber wird das Geschäft befriedigend zu Ende geführt. Desgleichen verfährt er mit Problemen, die es zu lösen gilt. Das muss nicht wie bei mir sofort geschehen, häufig passiert es in Etappen.
Diese Weisheit fehlt mir. Wenn etwas nicht funktionieren will, dann verbeisse ich mich darin, kann nicht mehr aufhören, ärgere mich und wenn es bis am Schluss nicht geht, dann habe ich eine furchtbar schlechte Laune. Nicht so Ali, der ist viel gelassener.
Vielleicht kommt dieses Verhalten davon, dass hier sehr vieles nicht so läuft, wie man möchte und dass man das Geschehen häufig auch nicht beeinflussen kann. All die Bewilligungen und Papiere, die es hier braucht. Das ist wohl noch ein Erbe der kommunistischen Zeit. Oder ist das typisch Afrika? Die Bürokratie ist furchtbar und sehr langwierig. Ohne Geduld kommt man da nicht zum Ziel. Da nützt sich ärgern wenig. Desgleichen mit den Handwerkern. Häufig ist die erste Arbeit un- oder nur bedingt brauchbar, Modifizierungen müssen gemacht werden. So war ich zum Beispiel überhaupt nicht befriedigt von der Art wie unser Schreiner das Moskitofenster im Gästezimmer montierte. Er musste das am nächsten Tag nochmals bearbeiten. Heute jedoch, als ich unten mit „Wall filler“ die vielen Löcher in den Wänden ausspachtle - eine Arbeit die ich merkwürdigerweise sehr gerne mache - stelle ich fest, dass dieses Fenster meinen Ansprüchen immer noch nicht im geringsten genügt. Einen Eimer hinstellen nützt da nichts, doch ich weiss auch hier, dass ich meinen Perfektionismus aufgeben muss. Auch dies bereits „Afrikanisierung“?

Momentan ist eine fruchtlose Zeit. - Nicht eine unfruchtbare, ich meine fruchtlos hier ganz wörtlich. Auch wenn in den Tropen ganzjährig ein sehr ausgeglichenes Klima herrscht, gibt es Saisons für Früchte. Im Moment gibt es nur sehr wenige, und von schlechter Qualität. Einzig Bananen und Papayas sind ganzjährig erhältlich. Mangos und Ananas sind jetzt schwer zu finden und teuer. Und auch die übrigen Tropenfrüchte, die es bei uns nicht zu kaufen gibt, haben offensichtlich nicht Saison. Die pflaumenartigen Früchte, die es im November gab oder die birnenförmigen, weissen oder roten Früchte, die man noch vor Kurzem fand. Ich versuche sie alle, aus Neugier, und stelle fest, dass diejenigen Früchte, die auch nach Europa exportiert werden eindeutig die schmackhaftesten sind. Mit den übrigen kann ich nur wenig anfangen.

Dafür ist momentan eine sehr wüchsige Zeit. Der häufige Regen bringt vieles zum spriessen und die Bauern pflanzen Reis, Maniok und weitere Gemüse. Hier in der Stadt werden in den Grünanlagen neue Bäume eingepflanzt. Und auch bei mir im Hof spriesst es.
Ich stelle fest, dass sogar die Pflanzen sich durch dunkle Verfärbung vor „Sonnenbrand“ schützen. Die leuchtend purpurrot beblätterte Pflanze, von der mir Valérie in Paris einmal einen Steckling gab, hat sich hier gut entwickelt. Doch die roten Blätter sind fast schwarz gefärbt, einzig die Blattnerven zeigen noch ihre schöne Farbe. Noch einen weiteren „Franzosen“ pflege ich hier. Der Steckling stammt von meinem reich blühenden Hibiskus, den ich vor langer Zeit einmal in der Provence gekauft habe. Auch ihm scheint es hier zu gefallen.

Ali kommt mit der Idee nach Hause, dass es besser sei, wenn sie im Restaurant noch eine Tiefkühltruhe kaufen würden, damit sie Fisch und Geflügel für vier Tage im voraus en gros einkaufen könnten. Das komme günstiger, so könne man Geld sparen. Ich gebe zu bedenken, dass das schon gut sei, aber da müsse man dann eben auch genügend Geld im voraus haben, dass dies möglich sei. Er könne ja das Geld, das er für seine Wohnung kriegen wird, die er sich nun entschlossen hat weiter zu vermieten, da hinein stecken. Das finde ich auch gut. Nur frage ich mich, wie lange dieser Geldvorrat vorhanden bleiben wird und sich nicht irgendwie einfach wieder aufbraucht. Auch Ali hat nun Bedenken. Ein solcher Vorrat, das werde ja die Angestellten geradezu zum Stehlen animieren.

Es ist hier viel schwieriger eine gewisse Disziplin, einen Rhythmus zu behalten, oft fliessen meine Tage einfach so dahin. Ich bin mir ja gewohnt, selbständig zu arbeiten. Doch hier wache ich manchmal mit sehr vielen Ideen, was ich alles noch tun wollte oder sollte, auf, fange etwas an und verliere mich dann vollkommen darin. Vergesse, spazieren zu gehen und oft treibt mich der Hunger erst mitten am Nachmittag hinaus in die Stadt. Oder dann fange ich alles gleichzeitig an, kann mich für nichts entscheiden, habe keine Ausdauer und am Schluss das Gefühl, nichts Rechtes getan zu haben. Ich stelle fest, dass ich hier sehr selten auf die Uhr schaue. Ganz ohne Termine und Uhr zu leben hat aber auch seine Tücken. Einzig der fünfmal täglich ertönende Ruf des Muezzin gibt mir Orientierung in den Tagen.

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