Freitag, 4. Mai 2007

3. Mai 2007


3.Mai 2007

Nsi, mbu, sisimisi. Klangvolle Wörter für lästige Insekten. Fliege, Mücke, Ameise. Diese drei begleiten einen hier überall, sind nicht wegzukriegen, noch wegzudenken aus dem Leben. Ameisen finden selbst kleinste Stäubchen von Esswaren, die ich nicht mehr gesehen habe, über den Kampf mit den Mücken muss ich nicht mehr berichten und die Fliegen seien der Hauptgrund, weshalb der „Lukmaan“ eine Klimaanlage gebraucht habe. Damit man die Türe schliessen könne. Es ist wahr, dass es jetzt, wo die Klimaanlage wieder läuft und die Glastüre geschlossen ist, viel weniger Fliegen hat. Die Innentemperatur ist zwar nun eher höher oder gleich der Draussen, aber immerhin keine Fliegen. Ich stelle gestern, an einem regnerischen Tag fest, dass dies sowohl für das klimatisierte Internetkaffee, wie auch für den Supermarkt gilt. Einzig im winzigen Internet des Inders bleibt die Innentemperatur spürbar kühler. Hier wenigstens, scheint das Klimagerät der Grösse des Raumes zu entsprechen. - Wenn eine Klimaanlage einmal nicht funktioniert – was recht häufig vorkommt – dann ist es in den geschlossenen Räumen sogar schwüler als Draussen.
Nsi, Mbu, sisimisi. Dann aber „buibui“, Spinne oder auch die Bezeichnung für den schwarzen Mantel, den die Frauen hier in der Stadt, der arabischen Mode folgend, gerne tragen. Doch, das hat etwas gemeinsam, schwarz gekleidete Frauen und Spinnen – die sind ja meistens auch schwarz.

Heute Morgen als ich erwache scheint bereits wieder die Sonne. Strahlend blauer Himmel und bereits um halb zehn Uhr morgens heiss. Als wäre nichts gewesen. Weit weg die Ängste und der Ärger, weil eben an zwei Stellen das Dach immer noch nicht dicht ist, eine neue Lösung gefunden werden muss. Hier ist alles so vergänglich. Sowohl das Materielle, wie eben auch die Gedanken.
Etwas scheint hier Feind der Dauerhaftigkeit zu sein. Die Wände im Restaurant sind bereits nach sechs Monaten so schmutzig, dass man sie herunter waschen müsste, vielleicht sogar neu streichen. An den Häusern gibt es immer wieder etwas zu reparieren, zu renovieren, die Abnützung ist extrem, das Klima unbarmherzig. Ich lese in der Studie, die vom „Aga Kahn trust for culture“ bezahlt und 1996 beendet wurde, über Probleme, Chancen und Lösungen der Stone Town. Besonders die Paläste an der Seefront müssten regelmässig renoviert werden. Die Fassaden leiden, Rost frisst sich in die mit Wellblech gedeckten Dächer.
Interessant auch: Die Häuser der Stone Town waren anfangs fast alle mit Flachdächern versehen und von burgartigen Zinnen gesäumt. Was sich im Wüstenklima der Arabischen Länder bestens bewährt hatte wurde von den Einwanderern als kulturelles Erbe mitgebracht. Die meisten und auch die ältesten Gebäude hier sind arabischen Ursprungs. Von aussen schmucklose, trutzige, quaderförmige Häuser und Paläste mit regelmässigen Fensterreihen, innen aber von schönen Proportionen und Volumen, Innenhöfe, die Räume bleiben von selbst angenehm kühl.
Die Flachdächer nun haben sich hier in Sansibar nicht bewährt, sie blieben bei den häufig sintflutartigen Regenfällen einfach nicht dicht. Und wurden so mit Wellblechdächern überdeckt. Doch auch diese wollen mit der Unvergänglichkeit nichts zu tun haben, die salzige Luft lässt sie nur allzu schnell durchrosten. Trotzdem scheinen sie sich durchgesetzt zu haben, über die meisten Flachdachzinnen wölben sich nun solche Dächer. Wenige Ziegeldächer ebenfalls, doch störten die mich eigentlich von Anfang an, schienen mir irgendwie unpassend. Nun weiss ich weshalb.
Nebst den Arabern haben hier vor allem auch die Inder ihre architektonischen Spuren hinterlassen. Ihrer Natur gemäss meist Handelshäuser, die Basarstrassen sind
indischen Ursprunges. Die Gebäude sind reicher geschmückt bis für mein Empfinden kitschig, häufig – wie unser Haus auch – mit fein ziselierten Holzbalkonen versehen. Oftmals wurden auch bestehende arabische Gebäude, dem indischen Geschmack entsprechend transformiert. Schliesslich finden sich europäische Elemente im Hausbau hier, denn auch die „mzungus“ hatten ihre Handelshäuser und Botschaften auf der Insel.

Was mich jedoch erstaunt hat, ist das Alter der Stadt. Kaum Gebäude vor 1830 sind erhalten, ein grosser Bauboom war erst um 1850 und hat dann bis ca. 1920 angehalten. Die Stadt ist überhaupt nicht so alt, wie ich mir das vorgestellt habe. Für afrikanische Verhältnisse sind zweihundert Jahre aber bereits alt.
Das Wissen über das wahre Alter der Gebäude hier hilft mir nun vieles besser zu verstehen. So habe ich mich über die manchmal eingesetzten Stahlträger gewundert, auch sie bewährten sich in der salzigen Luft hier nur mässig. Desgleichen dachte ich Europäischen Häuser, deren Fenster von eleganten dünnen Betondächern beschattet werden, seien sicherlich viel jünger, als die massiv mit fast meterdicken Mauern gebauten Arabischen Paläste. Das stimmt nun offensichtlich nicht. Neben der massiven Bauweise aus Korallenstein bestanden gleichzeitig eben auch schon moderne Bautechniken.


Eben gerade habe ich ein Unheil verhindern können. Der „seremala“, der Schreiner ist endlich mit der Moskitotüre gekommen, die unten im Gästezimmer montiert werden soll. Und wäre ich nicht noch hinunter gegangen, so würde sie sich nun auf die falsche Seite hin öffnen. Ganz unwahrscheinlich, was alles schief gehen kann beim Bauen – aber das habe ich ja eigentlich bereits an der Schützenstrasse gemerkt. Für mich ist etwas sonnenklar, doch der Handwerker sieht es anders.
Wir haben dem „seremala“ vor zehn Tagen 80.- gegeben, damit er Material für die grosse zweiflüglige Türe einkaufen konnte. Das ist hier normal. Mindestens die Hälfte des Betrages zahlt man im voraus, damit eingekauft werden kann. Denn auch die Handwerker haben natürlich keine Reserven, kein Geld im voraus. Das Risiko besteht allerdings, dass jemand soviel Geld gerade sehr dringend für etwas anderes braucht. Zum Beispiel, um die Schulden zu bezahlen, die sich angehäuft haben.
Unser Schreiner scheint darin Experte zu sein. Das letzte mal hat ihm der Hausbesitzer sein Atelier abgesperrt, weil er den Mietzins nicht bezahlen konnte. Nach einer Woche des Wartens, hat er uns dann gefragt, ob wir ihm die für den Zins geschuldeten 100.- nicht vorauszahlen könnten. Da er auch von uns bereits einen rechten Vorschuss gekriegt hatte, waren wir aber dazu nicht gewillt. Und irgendwie ist es dann doch gegangen. Die Arbeit wurde gemacht – mit gewaltiger Verspätung.

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