Freitag, 4. Mai 2007

2. Mai 2007


2.Mai 2007

Anfangs Mai und eigentlich bald Ende der Regenzeit. Mindestens steht in den Reiseführern für Sansibar: grosse Regenzeit März und April. Doch manche Einheimischen haben mich gewarnt, als ich fand, bisher mache die „Masika“, die Regenzeit ihrem Namen wenig Ehre. Letzte Nacht nun ist erstmal ein Regen niedergegangen, den man gelten lassen kann. Nicht dass er viel heftiger gewesen wäre als andere, aber statt maximal 5 Minuten, hat diese Sturzflut fast eine Stunde gedauert und da kommen ganz unheimliche Wassermassen zusammen. Unser Hof, der zwar einen guten Abfluss hat, wurde trotzdem fast 10 cm hoch überflutet, das Wasser überstieg die Schwelle und floss zum Gang hinaus auf die Strasse. Natürlich musste man mit dem Besen nachhelfen, dass es den Weg fand, denn das Gefälle der Böden stimmt selten genau, häufig finden sich Becken, wo das Wasser stockt und dann eben zum Beispiel Richtung Wasserpumpe abbiegt und diese zu überfluten droht. - Immerhin liegt das neue Gästezimmer einen winzigen Absatz höher, was es vor Überflutung sichern sollte. Item, schlafen kann da niemand mehr. Und als dann für kurze Zeit auch noch der Strom ausfiel und die ganze Stadt finster wurde unter den pechschwarzen sich ausgiessenden Wolken, da kam schon kurz eine instinktive und unvernünftige Angst auf: Der Weltuntergang. Zum Glück ertasteten wir dann irgendwo im Dunkeln doch noch Kerzen und Feuerzeug. Das half aus dem erstickenden, vom lärmigen Trommeln des Regens erfüllten Schwarz hinaus und erleichterte sofort.

Am Morgen, Ali ist bereits arbeiten gegangen, kommt dann der zweite Guss mindestens ebenso heftig. Diesmal muss ich feststellen, dass unsere Dächer offensichtlich doch noch nicht ganz dicht sind. Im Gästezimmer läuft das Wasser an einer Stelle die Wand hinab und nun tröpfelt es auch in unserem grossen Zimmer in einer Ecke. - Man wird sich darum kümmern müssen.
Im Regen finde ich eine Frau die vor unserer Haustüre Schutz sucht und bitte sie herein. Sie spricht nur Swahili, trotzdem können wir uns irgendwie verständigen. Die Frage, die immer sofort kommt bei Frauen: Ob ich Kinder habe? Was keine?! Sie habe drei, alle schon in der Schule. „Pole sana“, ein Ausdruck des Bedauerns, da habe ich ja gar niemanden, der mir helfen könne, meint meine Regenbekanntschaft.

Kinder seien hier offensichtlich nur da, um den Müttern zu helfen, bemerke ich. Das sähe ich nicht ganz richtig, meint Ali; zu helfen, wenn man einmal alt sei. Hier gebe es keine Altersheime, wenige Leute hätten auch das Geld für solches, und überhaupt befinde der Glaube, dass man den Eltern zurückgeben müsse, was sie einem während der Kindheit gegeben hätten. Alte Leute hätten hier zwar sicherlich die schlechtere medizinische Pflege als in Europa, dafür aber würden sie noch geliebt, geachtet auch. – Im guten Falle, entgegne ich und erwähne das Beispiel von Othmani, Alis Partner. Er hat vier Schwestern und keinen Bruder. Alle vier Schwestern haben die Mutter bereits einmal bei sich aufgenommen und allen ist es verleidet, denn sie scheint eine sehr schwierige Frau zu sein. Nun ist Othmani selber dran, beziehungsweise seine Frau, denn Othmani würde man selbst in der Schweiz als „Workoholiker“ bezeichnen, er ist sicher selten zu Hause. Als ich ihn frage, ob denn das gehen könne mit seiner Frau, meint er einfach, das müsse, er habe da keine Wahl. Und zügelt aus seiner geliebten Wohnung in der Nähe des Hafens in eine grössere, damit alle Platz finden können.

Ali hat sich Gedanken gemacht, über die Lebenslängen. In Europa werden die Leute viel älter als hier in Afrika. Bessere gesundheitliche Versorgung natürlich, aber dann würden die Europäer eben auch viel mehr leisten für ihre Gesundheit. Fitness, gesunde Nahrung, das alles werde hier wenig beachtet. Die Europäer würden überhaupt viel mehr für das hiesige Leben aufwenden und nicht an das nächste denken. Die meisten wollten ja nicht einmal an ein Leben danach glauben. „Mungu“, Gott sehe das, und belohne es auch, denn gesund leben gehöre zu den Geboten des Islam, „Mungu“ wolle uns dankbar sehen für das, was wir von ihm erhalten hätten, darin würden seine Landsleute hier meist kläglich versagen. - In Sansibar hingegen, sei neben dem jetzigen Leben eben auch das nächste wichtig, da teile man sich die Zeit auf in Tätigkeiten für das hiesige und auch für das nächste Leben, das sowohl Paradies wie Hölle sein könne. Hier arbeite man weniger für das irdische, dafür aber gleichzeitig auch für das nächste Leben. Deshalb sei es nicht so schlimm, wenn das irdische Dasein kürzer sei als in Europa.
Jeder habe so schlussendlich, was er suche.

Zurück zum Regen. Im Moment ist es zwar trocken, doch immer noch sehr finster, und ich kann mir irgendwie vorstellen, dass es drei Regentage werden könnten, wie ich sie vor zwei Jahren einmal hier erlebt habe. Immer wieder heftigste Regengüsse, dazwischen schwacher Regen oder auch trocken, nie Sonne. Danach standen grosse Teile der Vororte unter Wasser. Nur zögerlich flossen die Fluten in den nächsten Tagen wieder ab. Sicherlich sind wir nicht die Einzigen, bei denen etwas Wasser hereingekommen ist, wenige Häuser blieben wohl gänzlich trocken. Und ich frage mich auch, ob unsere Häuser in der Schweiz, der unheimlichen Wucht dieser Wassermassen standhalten würden. Die Kanalisation würde bestimmt ebenfalls versagen. Das führt zu der paradoxen und unheilvollen Situation, dass die Naturgewalten hier den Häusern sehr viel mehr zusetzen als bei uns - umgekehrt aber die Handwerker sehr viel weniger sorgfältig arbeiten als in der Schweiz.

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