Freitag, 11. Mai 2007

10.Mai 2007



10.Mai 2007

Heute Morgen um halb sechs ein Telefon von Bugaloo, einem der Angestellten des „Lukmaan“. Jackson, einer der Männer, der auch im Restaurant übernachtet und als Koch gearbeitet hat, sei verschwunden. Mit ihm auch der Generator. Hier ein für ein Geschäft unabdingbares Gerät, denn die Stromausfälle sind häufig. Ali bleibt erstaunlich ruhig, das bewundere ich irgendwie, materielle Dinge, selbst wenn dringend benötigt, haben hier nie denselben Stellenwert wie bei uns. Gestern sei fast den ganzen Tag der Strom ausgefallen, der Generator vor dem Restaurant im Einsatz gewesen. Die hätten vielleicht vergessen, den am Abend herein zu holen. Später scheint klar, dass Jackson, aus Arusha stammend, mit dem Gerät verschwunden ist. Ein kleiner Generator kostet 170.- SFR, hier viel Geld. Am Nachmittag taucht dann Jackson doch wieder im Restaurant auf. Er bleibt aber der Hauptverdächtige, denn er ist in der Nacht ohne die anderen aufzuwecken hinausgegangen, so dass dann auch die Türe offen blieb, weil die nur von innen abgeschlossen werden kann. Ali meinte deshalb, man könne ihm nichts beweisen, da jedoch das Vertrauen nicht mehr vorhanden sei, wolle er nicht mehr, dass er für den „Lukmaan“ arbeite. Othmani, Alis Partner jedoch, war mit diesem Urteil nicht zufrieden und schleppte den Jungen zur Polizei. Die ihn dann auch gleich dort behielt. Wir finden das falsch, denn erstens wird auch die Polizei den Generator nicht zurückbringen können und zweitens haben wir überhaupt kein Vertrauen in die Polizei hier. Auch dies ein riesiges Problem, das wir Europäer in dieser Art nicht kennen: Wenn man nicht darauf vertrauen kann, dass in einem Land irgendetwas wie Gerechtigkeit gesprochen werden könnte.

Gestern konnte sich Othmani endlich dazu durchringen, dass fünf der fünfzehn Arbeiter des Restaurants entlassen werden müssen. Weil so einfach kein Gewinn zu erwirtschaften ist. Das hat lange gebraucht, Ali und ich fanden beide schon lange, dass soviel Personal nicht nötig sei und zuviel koste. Doch für mich ist dies hier schwierig beurteilen, die meisten Stellen, die bei uns von einem Arbeiter besetzt wären, sind es hier von zwei- bis dreien.
Ich mache Ali manchmal Vorwürfe, dass er sich Othmai gegenüber zu wenig durchsetze. Er hingegen meint, dass dieser ein äusserst eigensinniger Mensch sei. Wenn er da gleich reagiere, dann gebe es nur Streit und dann funktioniere überhaupt nichts mehr. Man müsse warten, bis er es selber einsehe. Mit Druck funktioniere das nicht, das brauche Zeit. Und komme dann von selbst.
So ist Ali. Zwar selbst ein sehr eigensinniger Mensch (wie ich ja dummerweise auch noch), aber dann doch wieder sehr weise einfach nachgebend. Vertrauend, das die Zeit das ihre dazu tut, die Einsicht kommt.

Eigentlich ist es dasselbe mit mir und dem Islam. Zwar haben wir uns darauf geeinigt, dass ich nun eben, statt eine nicht praktizierende Christin, eine nicht praktizierende Muslimin sei. Doch ich weiss, dass er eigentlich hofft, dass ich mich noch ändern werde. Weil er mich im Paradies wieder treffen möchte. Und ich dafür nicht nur ein gutes Leben führen müsse, sondern eben auch die islamischen Rituale annehmen. Obwohl das erstere doch das Wichtigste sei. Item, seine Wünsche sind mir klar. Doch bin ich froh, dass Ali auch hier nicht gedenkt, etwas zu erzwingen. Gerade Glauben kann man nicht erzwingen, das weiss er ganz genau.

Gestern Abend habe ich im „Lukmaan“ wieder einmal Mohamed, unseren Freund und Architekten vom „Stone Town Conservatory Office“ getroffen. Er tönt nun bereits viel desillusionierter als noch im Dezember, als wir das letzte mal lange zusammen gesprochen haben. Was ich auch verstehe. Mit der Geschichte des illegal abgerissenen Hauses ist ihm, allen Angestellten dort, klar geworden, dass sich selbst der Direktor mit Geld kaufen lässt. Wie könnte er da noch ein Vorbild bleiben oder gar seinen Angestellten verbieten, ebenfalls solches zu tun? - Im Dezember noch, wollte Mohamed nicht daran glauben, dass sein Chef korrupt sei. Nun merkt er langsam, dass er wohl der einzige integre Angestellte im ganzen Amt ist. Ich verstehe seine Enttäuschung. Und hoffe gleichzeitig, dass er nicht aufgibt.
1980, bevor er nach Europa gefahren sei, da hätte man aufräumen müssen mit der ganzen Korruption. Sansibar habe schon zu lange Zeit keinen guten Führer mehr gehabt. Aber statt Moral und Menschlichkeit zu predigen, habe man sich in den Moscheen und Koranschulen darauf beschränkt, vermehrt die schlechten Sitten anzuprangern. Die Männergesellschaft wieder verstärkt von der Frauengesellschaft zu trennen, auf Kleidungsvorschriften zu pochen und auch sonst den Islam in ganz falsch verstandener Weise zu predigen. Ich frage den Ali, wie er denn dazu stehe. Der Islam, der hier eine unglaubliche Macht hat, hätte die Gesellschaft doch einfach im guten Sinne beeinflussen können. Er meint, er habe sich dies auch schon oft gefragt. Die einzige Erklärung dafür sei eben, dass auch die geistigen Führer nicht frei von Korruption und egoistischer Raffgier seien. Wie könnten sie da glaubhaft anderes predigen?

1980 da sei es Sansibar noch relativ gut gegangen, meint Mohamed. Noch sei nicht das ganze Vermögen und Kulturgut, dass auf dieser Insel über Jahrhunderte angesammelt worden sei, verprasst gewesen. Doch inzwischen hätte sich die politische Elite immer hemmungsloser bereichert und das Land ausgeblutet. Ein Wechsel jetzt, wo auch das Bildungswesen gänzlich zusammengebrochen ist, sei ungleich viel schwieriger. Die gebildeten Leute seien alle ausgewandert. Und ein falsch verstandener Islam lähme die Bevölkerung immer mehr: Diese Hoffnung auf das Paradies danach! Mit der heutigen Jugend könne man nicht rechnen und die Leute seiner Generation seien eben alle entweder weg oder resigniert.

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