Freitag, 16. Mai 2008
7. Mai 2008
Heute Morgen bin ich zu spät, stelle fest, dass das Meer bereits viel zu hoch gestiegen ist, an den fast überall maroden Quaimauern leckt, vor dem Serena Hotel an die vorgelagerten Felsblöcke, da gibt es kein Durchkommen mehr. Schade. Ich habe den Gezeitengang hier immer noch überhaupt nicht begriffen, gestern war ich doch eine halbe Stunde später draussen, um sieben, und da war bis am Ende des Spazierganges kein Risiko, dass das Wasser zu hoch steigen könnte. – Noch etwas ist anders: Waren bis jetzt des Morgens häufig etwas Wolken und vor allem der starke und kühlende Südwind, der kusi, der das Meer aufwühlte, so ist das Wasser heute spiegelglatt, blauer Himmel, Sonne bereits, das sehe ich an den Booten weit draussen im Meer, hier ist es noch zu früh. So bringt es auch nichts, die Haustüre offen stehen zu lassen, damit der Wind durch den Hof streichen kann, es bleibt schwül. – Obwohl ich nicht klagen will. Im allgemeinen ist das Klima perfekt, wobei man auch jetzt die volle Sonne meidet. Selbst meine Pflanzen, mindestens ein Teil von ihnen, wohl die, die normalerweise im Urwald unter Bäumen wachsen, kriegen einen Sonnenbrand, weshalb ich im Moment fleissig daran bin, Pflanzen zu zügeln, denn nun wird wieder die Südseite des Hofes beschienen, die Sonne steht im Winter hier im Norden.
Und nehme mir vor, die Sache mit den Gezeiten dringend einmal nachzuschlagen. Die Leute in den Tauchclubs haben sicher Zeittabellen. Damit ich meine Spaziergänge besser planen kann. Obwohl ich gestern festgestellt habe, dass eigentlich auch ohne die Forodhani Gardens einige Orte besucht werden können, an denen sich der immer spektakuläre Sonnenuntergang beobachten lässt. Gestern bin ich über den Markt in den Hafen gelaufen und von dort zurück Richtung Altstadt. Auf dem Weg dann im Mercuries eingekehrt, die Aussicht ist auch hier perfekt, eigentlich müsste man immer eine Kamera bei sich haben, dauernd filmen, aber wer will das alles, und hat Zeit dazu, jemals sehen. Doch in meinem Gehirn werden sie sicherlich eingebrannt bleiben diese Bilder, so häufig habe ich hier zugeschaut, nichts eilt mehr, einfach da sein, staunen. Oder auch skizzieren. Im Moment kommen vor allem Leute ins Bild. Das ist natürlich schwierig, denn die wissen nicht, dass sie Model sind und laufen dann meist im dümmsten Moment einfach weg. Zum Glück weiss ich so langsam, wie Menschen aussehen, kann sie in meiner Erinnerung fertig zeichnen. Helfen tut ebenfalls, dass es bis zum Schluss der Skizze meist schon fast finster ist, so wird das ganze Bild laufend dunkler, Fehler können besser korrigiert werden. Mir gefallen diese dunklen Malereien, besser Filzstiftskizzen, das leere Blatt wird Kontrast, da muss man aufpassen, dass nicht gleich alles ausgefüllt wird. Nur habe ich etwas Bedenken, dass meine Stifte nicht lange ausreichen werden und ein Nachschub hier schwierig zu finden. Auch Oelkreiden habe ich dummerweise keine hier gelassen. Ich werde irgendeinmal auf Gouache umsteigen müssen, stelle ich fest.
Zwischen dem Mercuries und den Forodhani Gardens sitzen die Leute auf den Quaimauern an der Strasse. Die wissen sich zu behelfen, wenn die Gärten am Meer geschlossen sind. Mir ist das zu unbequem, mir werden nur die paar Touristenrestaurants mit Meerblick bleiben. So wird mein Leben hier teurer. Statt einen wundervollen Kokosnussaft für 30 Rappen, bezahle ich nun 1 bis 2 Franken für eine Cola oder sonst etwas. Und komme natürlich in Versuchung, Bier oder einen Sundowner zu bestellen, aber bisher ist das noch gut gegangen. Erstaunlicherweise.
Othman und Ali wollen einen neuen Anlauf nehmen mit dem Lukmaan. Othman hat festgestellt, dass die Leitung des Restaurant ihn ganz alleine überfordert, es wurde beschlossen, dass wieder beide mitmachen sollen. Das sei die einzige Chance, denn sonst müsse man schliessen und das ganze investierte Geld sei verloren, denn was bekommt man schon für gebrauchtes Mobiliar? Das wollen beide nicht. Und ich versuche nun, zu verhindern, dass nicht wieder die gleichen Fehler passieren, dass beide überall dreinreden. Ich möchte, dass sie die Verantwortungen klar aufteilen, etwa Othman Küche und Einkauf, Ali Gaststube, Hygiene und Dekoration. Aber das ist alles so schwierig in diese Schädel zu bringen. Beide wollen nun die gemeinsamen Probleme beim ersten Versuch vergessen haben, obwohl mir da der Ali dauernd klagen gekommen ist. Wenigstens eine Zeittabelle aufstellen, wer wann dort sein soll, das müsste man.
Ich bin bereit, nochmals den Mietzins zu bezahlen bis an Weihnachten und einen neuen Kühlschrank, denn die Occasionsruinen sind ausgestiegen, den Glaceeisschrank haben sie verkauft um davon die Reparaturen der übrigen zu bezahlen. Nur hat das wenig genützt, schon wieder ist alles kaputt. Ich finde, das Reparieren da nichts mehr bringt, besser ein neuer Kühlschrank. Auch einer, der weniger Energie braucht, denn hier haben sich die Elektrizitätskosten verdoppelt, das werden sie mit all ihren Gerätschaften zu spüren bekommen.
Othman bringt ebenfalls aufs Tapet, dass man besser wieder mit Kohle kochen solle, das Gas sei zu teuer. Dass auch die Kohle vorher nicht günstig war, das hat er vergessen. Dass dadurch die ganze Küche und auch die Gaststube von Rauch durchzogen, die Hitze manchmal unerträglich, die Gäste sich beklagt haben und es für das Küchenpersonal in dem kleinen Raum schlichtwegs die Hölle war, auch daran will er sich nicht mehr erinnern. Da bin ich kategorisch dagegen. Schon nur, weil ich kein Holz verbrennen will. Gerade hier in Afrika, wo die Bäume völlig planlos einfach abgesabelt werden wenn Bedarf.
Jetzt habe ich auch im Sinne, mitzureden, mag nicht nur zuschauen. Obwohl ich natürlich Angst habe, dann plötzlich viel zu stark mit in diesem Geschäft zu stecken. Momentan wird fleissig geputzt, etwas gestrichen, die Angestellten haben einheitliche weisse Hemden gekriegt, man spürt den neuen Wind. Das war auch notwendig, das ganze sah etwas vernachlässigt aus, das fanden auch manche Gäste. Obwohl ich doch erstaunt bin, wie viele hier sesshafte Weisse immer noch – und seit langem – treue Kunden sind.
Ich setze eine Art Vertrag auf, was meine Erwartungen von dem Neuanfang sind. Bessere Organisation zwischen den beiden, keine unüberlegten Einkäufe mehr, Geräte die ersetzt werden müssen, sollen möglichst wenig Energie verbrauchen, denn ganz offensichtlich sind die Energiekosten mit mehr als der Hälfte der Ausgaben viel zu hoch. Dass der Einkauf von besseren Sachen hier schwierig ist, merke ich auf einer Einkaufstour mit den beiden durch die Läden wegen Warmhaltepfannen, die möglichst nur mit Isolation arbeiten, keine Energiezufuhr benötigen. Das scheint unmöglich zu sein. Meint doch Othman bereits, dass es hier nicht möglich sei, einen Thermoskrug zu kaufen, in dem der Gewürztee auch wirklich ein paar Stunden warm bleibe. Wir finden Geräte, die mit einer Rechaudkerze oder mit einer Art Brennspritkocher warm gehalten werden, doch will ich erst wissen, wo man denn solche Kerzen kaufen kann und wie viel dieses Sprits man täglich verbrauchen würde und was eine Flasche davon koste. - Der Verkäufer hat keine Ahnung. Auch der im nächsten Laden nicht.
Ich fahnde im Internet nach „Professionellem Küchenmaterial Sansibar Dar es Salaam“ und „Kühlschränke Sansibar Dar es Salaam“. Was ich finde sind die Homepages von Touristenhotels, Ressorts und Restaurants, sonst nichts. Das scheinen die einzigen zu sein, die hier Homepages betreiben. Ich vermute, dass diese Leute ihr gesamtes Material in Europa - Dubai soll auch sehr gut sein - einkaufen und in einem Container hierher schiffen lassen. Wir werden uns mit Afrikanischen Lösungen begnügen müssen.
Mein Computer braucht Strom. Fluchend drücke ich an dem neuen Zwischenstecker herum, den Ali gekauft hat, denn der gehört zu der Marke Peut-êterli, einer extrem verbreiteten Sorte hier. Der funktioniert nur, wenn man lange genug daran herumdrückt. Wir haben doch einen sehr guten Zwischenstecker gehabt. Der sei verschwunden, meint Ali, wahrscheinlich sein in Kanada lebender Freund, der hier auf Besuch war. Ich bin ärgerlich über solchen Diebstahl. Ali findet, das sei nicht wirklich Diebstahl, der habe den einfach gebraucht. Habe halt viele europäische Geräte. Letztes Mal, als ich zurück kam, waren die Gabeln und Löffel weg. Die Messer nicht, denn die Leute brauchen hier beim Essen keine solchen. Verwandte waren einmal zu Besuch. Und den Koffer, in dem ich meine Stoffresten verstaut habe ist auch nicht mehr da. Den habe er jemandem gegeben, der den gebraucht, meint Ali, der Stoff sei jetzt dort im Gestell. Je nun, das war nicht mehr der schönste Koffer, sowieso.
Die Bettler habe ich auch bereits wieder getroffen. Besser sie mich. Gestern in der Gasse die Frau, die mir einmal ein grosses Theater vorspielen kam, sie sei sehr krank, habe Krebs, Schmerzen, verliere viel Blut, müsse dringend ins Spital nach Dar es Salaam. Sie spielte ihre Krankheit mit solchem Geschick, dass ich zwar nicht ganz sicher war, aber trotzdem ein schlechtes Gewissen gehabt hätte, nicht zu helfen. 50 Dollar gab ich ihr damals, das ist hier viel Geld. Und reiste dann mit Babs und Familie nach Pemba. Am übernächsten Tag klopfte sie bereits wieder beim Ali an die Türe und wollte Geld. Der gab natürlich keines mehr. – Nun also treffe ich sie in der Gasse und sie frägt mich, ob ich mich an sie erinnere. Merkwürdigerweise tue ich das, ist es doch im allgemeinen für mich schwierig, die Gesichter der Schwarzen zu unterscheiden. Vor allem, wenn ich jemanden nur einmal gesehen habe. Ich meine, ja, natürlich erinnere ich mich, es sei okay und gehe. Heute Morgen klopft sie an die Türe hier und will wieder ihre story vorbringen, matatizo, Probleme, sie spricht Swahili mit mir. Trotzdem antworte ich ihr nun in Englisch. Sage ihr, was ich von Leuten wie ihr denke, wie enttäuscht ich sei ob ihrer Art, sich Geld zu erschwindeln. Da dürfe man dann nicht erstaunt sein, wenn nicht mehr geholfen werde auch in lebenswichtigen Situationen. - Keine Ahnung, ob sie diesmal begriffen hat. Aber mir hat es gut getan.
Auch den Verrückten treffe ich auf dem Markt. Den Mann, der Ali einmal den Finger in der Türe eingeklemmt hat. Ich bin gerade dabei, den Saft einer Kokosnuss zu trinken, hier mein Lieblingsdrink. Und soll auch sehr gesund sein. Der Verrückte also starrt mich aggressiv an, macht komische Faxen und verlangt Geld. So sicher nicht, meine ich, mit diesem Blick. Als ich fertig getrunken habe bitte ich den Kokosnussmann, mir das Fleisch vorzubereiten. Die Schale mit dem Kokosnussfleisch reiche ich dann dem Verrückten. Wenn er Hunger habe, meine ich. Erstaunlicherweise nimmt der erfreut die Schale und verschwindet.
Ich habe im Sinne, mir heute Abend ein Bier zu genehmigen. Und will dann doch wieder nicht. Bin irgendwie schon stolz darauf, hier alkoholfrei zu leben. In der Schweiz wäre das schwierig. So bestelle ich im Tembo Hotel, meinem heutigen Sonnenuntergangsstandort, eine Cola Light. Natürlich auch zu Touristenpreisen. Ich bin spät dran, beeile mich, die ankernden Boote im Abendlicht zu skizzieren, kein Licht auf dem Tisch und ich habe die Kontaktlinsen an, da sehe ich vor allem in der Dämmerung kaum mehr in die Nähe. Das gibt eine komisch unkontrollierte Malerei. - Ich schaue das eben nochmals ohne Linsen an. Der Motor des Bootes etwas zu klein, die Perspektiven stimmen nicht überall, aber gar nicht so schlecht. Ich habe im Moment ein gutes Selbstvertrauen beim Zeichnen. Das gibt den Sachen Schwung. Kurzes intensives Schaffen also bevor es ganz finster ist. Etwas selbst auferlegter Stress. Das brauche ich wohl hier. Gibt mir das nötige Adrenalin im Blut. Dann schaue ich in der Dämmerung zu, wie zwei Fährboote, eines davon die Aziza II, geladen werden. Diese Murkserei wieder, auch hier ist die Rampe zu steil, ein Lastwagen schafft es einfach nicht, gräbt sich mit den Hinterrädern gänzlich im Sand ein. Der Container Hafen scheint immer noch nicht in Betrieb zu sein, ich habe bisher keine grossen Schiffe im Hafen gesehen. Der Ladekran ist wohl immer noch kaputt, oder der neu gelieferte auf mysteriöse Weise bereits verschwunden. Da ist alles möglich. Deshalb werden die Güter - wie bereits vor Weihnachten - alle auf Lastwagen verladen, die Lastwagen in alte, kleine Fährboote, die direkt am Sandstrand neben dem Tembo Hotel anlegen, die Güter anschliesssend von Dar es Salaam auf die gleiche Weise nach Sansibar gebracht. Jetzt sind die Lastwagen alle leer. Was produziert denn Sansibar heute noch, das man exportieren könnte? Der Warenstrom ist einseitig vom Festland auf die Insel. Ob das aufgeht auf die Dauer?
Nacht nun, Neumond und viele, viele Sterne, auch diese merkwürdigen hellen Nebel dazwischen, die ich in der Schweiz noch nie bemerkt habe. Wunderschön.
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