Samstag, 31. Mai 2008

28. Mai 2008


Der Architekt Mohammad empörte sich gestern Abend über das Publikum im Lukmaan. Das Restaurant habe einfach an Niveau verloren, die Leute, die heute in den Lukmaan kämen, die hätten keine Manieren, keine Erziehung. Schon wie sie angezogen seien, da komme einer gar im Unterleibchen herein. Das dürfe man einfach nicht zulassen, das sei ein Fehler des Managements, das vertreibe die wirklich gute Kundschaft. Er könne mit seiner italienischen Frau unmöglich in solch ein Lokal kommen, das gehe einfach nicht. Er habe dem Ali und dem Othman schon immer gesagt, man müsse aufpassen, dass das Niveau nicht sinke, denn wenige gut bezahlende Gäste seien besser als viele, an denen man kaum etwas verdiene. - Da muss ich ihm teils recht geben. All die Jugendlichen, die momentan im Restaurant herumlungern, einzig weil sie darauf warten, dass ihre Natels dort geladen werden und lärmend an den Tischen sitzen, denn das ist viel angenehmer als draussen im Finsteren herum zu stehen. Konsumieren tun die nichts, wenn sie etwas essen, dann haben sie es draussen beim Strassenverkäufer gekauft. Überhaupt war ich da schon immer erstaunt über die Toleranz. Viele Leute kaufen Brot oder Chapatis ein paar Rappen billiger auf der Strasse, auch Chipsies und Fleischspiesschen vom Nachbarn, was auch immer, bringen es herein und bestellen dann noch einen Tee oder vielleicht einen Juice dazu, häufig sieht das Restaurant aus wie ein Picknickplatz. Das scheint hier normal zu sein. Und ich kam mir da immer schweizerisch-bünzlig vor, dass mich das störte. Doch offenbar findet das auch der Mohammad nicht normal. Nur hat der eben lange in Europa gelebt. - Bei den Kleidervorschriften bin ich nicht ganz mit ihm einverstanden. Da müsste man auch viele Touristenfreaks abweisen, die ebenfalls nicht immer proper gekleidet erscheinen. Mohammad ist da eben doch ganz der gebildete Afrikaner. Immer gut angezogen in Hemd und Bügelfaltenhosen, das ist hier nun mal so. Das stelle ich auch heute Morgen fest. Das Publikum jetzt ist sehr anders als dasjenige der Nacht. Büroangestellte und Beamte aus der Umgebung. Auch sie durchwegs in Hemden gekleidet. - Doch eigentlich mag ich die Durchmischung der Gästeschar, finde es schön, dass auch Leute mit wenig Geld hier essen kommen können. Bin auch nicht damit einverstanden, dass vermögende Leute das Niveau immer heben. Da war doch kürzlich ein sehr sanfter, wohl erzogener Lehrer im Lukmaan, der scheu meinte, nein, er sei kein regelmässiger Gast hier, das Restaurant sei eben für ihn etwas teuer. Lehrer verdienen hier miserabel und haben auch keine Gelegenheit, sich ihr Gehalt, wie die übrigen Beamten, durch Schmiergeld zu verbessern. Während oft Männer aus sehr protzigen Karossen aussteigen - womit sie sich diese verdient haben kann ich mir gut vorstellen - die kaum bessere Manieren haben.

Ich bin eigentlich mit den Anstrengungen von Ali und Othman zufrieden, finde, das Restaurant sehe nun wieder viel besser und sauberer aus. Auch das Essen hat eine gewaltige Verbesserung erfahren, seit der Ali am Morgen in der Küche mitarbeitet. Sein neues Birianirezept wird allgemein sehr geschätzt und seit er veranlasst hat, dass die ganze Küche herunter gewaschen wurde, sieht das ganze doch bereits wieder viel vertrauenswürdiger aus. Das Problem ist eben, dass den Othman solches einfach nicht stört, der sieht das gar nicht. Wohl bestätigt er, das Restaurant müsse natürlich sauber aussehen, das sei ganz wichtig. Doch wenn er daran ist, die Speisen zu schöpfen, dann ist das Buffet meist mit Sauce voll gekleckert - ohne dass er das zu bemerken scheint. Eine Überwachung der Angestellten ist so natürlich schwierig, die sind teils sogar reinlicher als er. Da bleibt nur der Ali als gutes Beispiel. Das er zum Glück momentan auch wirklich abgibt. Nur befürchte ich, dass seine Energie, wie immer, nicht eine langatmige sein wird - falls sich nicht nächstens ein Erfolg der Anstrengungen ankündigt und das Geschäft Gewinn bringt. Doch dies liegt immer noch im Dunkeln, Finanzielles überlässt Ali gänzlich dem Othman. - Wir müssen dringend wieder einmal eine Sitzung machen. Obwohl ich mich da immer sehr zusammen nehmen muss und diplomatisch bleiben. Vor allem die Sache mit den vielen gratis Essern ist ein heikles Thema. Die Liste der Speisen, die täglich unentgeldlich an Angestellte, Verwandte – und das ist die halbe Stadt – abgegeben werden, diese Liste wurde noch nie erstellt. Ich muss nochmals darauf beharren.

Ganze sechs Tag ohne Strom nun. Wie lange das noch dauern wird, weiss niemand, Gerüchte sprechen von weiteren zwei Wochen und ich stelle fest, dass sich die Leute jetzt damit abgefunden haben, wie mit manch anderem Unbill, man ist hier schon extrem geduldig. Fundis, Handwerker fügen dem bereits bestehenden Stromkabelgewirr in den Gassen noch Weiteres hinzu, Leute, die es sich leisten können, schliessen ihren Haushalt an einen der grösseren Generatoren an, man richtet sich ein, auch ein paar Internets öffnen wieder, die Leute können ja auch nicht wochenlang ohne Einnahmen leben, und auch ein paar lokale Restaurants haben sich nun irgendwie eine Stromquelle ergattert, was den momentanen Riesenerfolg des Lukmaan etwas dämpfen könnte. Die Auswahl der Geschäfte ist eindeutig wieder grösser geworden, man wollte den paar wenigen, die gute Gewinne gemacht haben, den fetten Braten nicht alleine überlassen.
Auch Ali scheint mit einer unbestimmten Dauer der Stromkrise zu rechnen. Heute Morgen legt er seinen ganzen Wäscheberg in Pulver ein. Ich kann mich immer noch nicht dazu entschliessen, suche meine letzten Wäschestücke zusammen und hoffe, das ganze doch noch einmal mit der Waschmaschine machen zu können.

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