Samstag, 31. Mai 2008

30. Mai 2008


Gestern Nachmittag besuchte ich den Malkurs, von dem mir ein regelmässiger Gast des Lukmaan erzählt hat. Er arbeitet hier als Freiwilliger in einer NGO, die versucht, die Produkte der Einheimischen – bei diesem Projekt ist es Malerei – zu verbessern und auch besser zu vermarkten. Nein, ein Künstler sei er nicht, er interessiere sich dafür, wie man Produkte zu besseren Preisen verkaufen könne, das wolle er später studieren und hier sei für ihn ein gutes Übungsfeld. Mir gefällt seine Einstellung und anschliessend auch der Ort der kleinen Gesellschaft, die in einem Alstadthaus installiert ist. Zusammen mit einem einheimischen Maler und fünf Hennamalerinnen haben sie einen Malstil entwickelt, der traditionelle Hennamalerei, die den Frauen zur Hochzeit und zu weiteren Festivitäten an Händen und Füssen appliziert wird, auf Gemälde überträgt. Und das gibt wirklich ganz unerwartete Bilder, die hier neben der TingaTinga und der Massai-Malerei, die gänzlich zum Touristengeschäft verkommen sind, angenehm auffallen. Die minutiösen Blumenmotive und abstrakteren Girlanden werden nicht einfach nur auf Bilder übertragen. Zusätzlich wird jetzt mit Farben gearbeitet und das finde ich wirklich sehr gelungen, etwas ganz Neues entsteht, eine gute Idee. Mir scheint, der Verkaufshit der nächsten Jahre könnte damit gefunden worden sein. – Wenn dann die Touristen immer noch kommen.
Denn heute erfahre ich von den fünf weissen Frauen, die sich in diesem Zentrum jeden Donnerstag zum Malen treffen - die meisten, scheint mir, hier mit Einheimischen verheiratet, so genau weiss ich das noch nicht - diese Frauen also erzählen die neusten Gerüchte bezüglich des Stromunterbruches. Alles sei kaputt am Stromnetz hier, das werde neun Monate dauern bis einmal repariert. Da könne man froh sein, wenn bis in drei Monaten genügend Notgeneratoren installiert worden seien. Vermutlich die Meinung von europäischen Experten. Doch die hätten das Stromnetz hier wohl gar nie erst in Betrieb genommen. Also vielleicht, so sage ich mir, gibt es dann doch eine weniger perfekte, halt Afrikanisch assimilierte Lösung, sicher nicht besonders zuverlässig, aber vielleicht etwas schneller. Wenn die europäischen Experten nicht – wie dies bereits bei der Hafenanlage geschehen ist – sich weigern, da weiter zu basteln, weil dies zu gefährlich sei, und lieber gleich von vorne anfangen. – Item, bisher sind das ja nur weitere Gerüchte. Aber wären sie wahr, dann wäre dies sicherlich ein harter Schlag für den eben erst aufkommenden Tourismus. Reisebüros würden diese lärmige Insel wohl kaum mehr buchen.

Bei Sonnenuntergang sitze ich im Tembo Hotel und schaue dem einheimischen Ehepaar, das ich auch des Morgens häufig Gymnastik machend am Strand antreffe, zu. Sie sind gerade daran, ein Bad zu nehmen und das ist etwas Besonderes hier. Nicht nur das Bad der Frau – sie ist natürlich in ihre weiten Gewänder gekleidet – sondern auch die Tatsache, dass die beiden, in mittlerem Alter, dies gemeinsam tun. Denn normalerweise gehen die Frauen in Grüppchen baden und die Männer dies ebenfalls. So wie es weit häufiger ist, Frauengrüppchen im Lukmaan anzutreffen, als Paare. Die Männer- und die Frauengesellschaft sind eben hier strikt getrennt. Ein besonderes Paar also, es erweckt meine Neugier. Es ist bereits finster, als die beiden wieder aus dem Wasser steigen und die unförmig dicke Frau sich ungelenk wie ein Pinguin in den Buibui, den schwarzen Mantel windet, behindert durch die nassen Kleider, die sie natürlich nicht auszieht, da hätte er etwas helfen können der Mann, doch das geht wohl zu weit. Ungeduldig bereits, er ist in Eile, denn die Sonnenuntergangs-Gebetszeit ist bereits fast abgelaufen, schüttelt er den Sand aus ihrem Schleier und reicht ihn ihr und das Paar, ziemlich gekleidet wieder, kehrt in die Stadt zurück. Die letzte Sonnenglut ist hinter schwarzen Wolken versunken, nur in engen Lücken blitzt sie hervor, der Himmel verblasst langsam, Regen wohl auch diese Nacht, es ist Zeit, nach Hause zu gehen.

29. Mai 2008

Gestern Mittag begann es zu regnen. Kein typisch heftiger Sansibari Regen gefolgt von Sonnenschein. Feines Rieseln, zwischendurch ein Guss, doch auch viele trockene Abschnitte. Mühsam sind die finsteren Wolken, die über der Insel hängen. Nun ist es selbst tagsüber in den Häusern kaum hell genug, als dass man normal lesen und arbeiten könnte ohne Licht. - Ohne Strom kein Licht, wir sind nun am siebenten Tag, no news, nur immer viele Gerüchte. Eine ganze Ladung grosser Generatoren will auf einem Fährschiff in Dar es Salaam gesichtet worden sein. Auf dem Markt beginnen die Strassenverkäufer endlich billige chinesische Petrollampen zu verkaufen, wo ich doch heute auf der Suche nach einem Regenschirm bin. Falls der Regen ein paar Tage andauern sollte, dann würden dann alle Verkäufer plötzlich nur noch Regenschirme verkaufen - so ist das eben hier. In tiefer Nacht, während den fünf Stunden, wo alle Generatoren abgestellt werden, ist es nun finster wie in einer Kuh, kein Mond, keine Sterne erleuchten den Himmel und ich bin froh um mein Natel, das sehr grosszügig mit seinem Bildschirm Licht spendet, kaum sehr energiesparend, doch ist mir dies jetzt egal. Um diese Zeit ist es schon fast gespenstisch ruhig, alle Leute sperren sich in den Häusern ein, niemand in den Gassen, nur das Meer rauscht leise und einmal höre ich einen Lastwagen durch die Strassen rattern. Und stelle mir vor, mit Polizisten auf der Ladebrücke, grüne Uniform, rotes keckes Beret und Maschinengewehr unter dem Arm. - Wenn nicht auch die Polizei es vorzieht, im Schutze ihrer Gemäuer zu belieben während dieser düsteren Stunden.

Die Nachbarschaftshilfe ist hier etwas, das sehr ernst genommen wird. So sehe ich des Abends vor dem Chavda Hotel eine ganze Gruppe Frauen herumsitzen und darauf warten, ihre Eimer mit dem Wasser der Leitung, die aus dem Hotel heraus gezogen worden ist, zu füllen. Solches ist hier zwar nicht selbstverständlich, doch zumindest häufig. Auch Tankwagen, die Wasser transportieren, sind nun häufig in den Strassen zu sehen, immer mehr Leute schaffen sich kleine Generatoren an, der Lärm wird unerträglich, Ali findet nirgendwo in der Stadt mehr Eisblöcke zum Kühlen der Getränke zu kaufen, auch Jogurt wird nun keines mehr produziert, Kühlschränke brauchen zuviel Energie und das Leben wird für alle viel teurer. - Als ob es dies gebraucht hätte.
Auch ich spüre die Teuerung. Genehmige mir zum Trost in diesem Nieselregen auf der gedeckten Terrasse des Mercureys einen Gin Tonic, ganze fünf Franken kostet mich dies und verbringe zwei, statt normal eine Stunde im Internet, nochmals 4 Franken, und esse schliesslich einen Falafel in einem Touristen Restaurant. Abwechslung brauche ich, auch hier lebe ich in zwei Welten, in der der Mzungus, der Weissen, wenn ich Lust dazu habe, häufiger in einer Welt ähnlich derjenigen der Einheimischen. Und doch wieder nicht, denn die grosse Masse der Armen lebt noch viel entbehrungsreicher als ich, eine Mittelklasse gibt es nicht und die Reichen leben in blödsinnigem Luxus, ich passe da nirgendwo hin.

Unsere Tage sind momentan erfüllt vom dumpfen Brummen der grossen Generatoren. An Schiffsmotoren erinnert mich das, ich sehe mich auf einem der Fährschiffe nach Dar es Salaam. Seabus, Seastar, Flying Horse, Sepideh und Serengeti, eine Reise ohne Ende. Nun bemerke ich aber, dass wir es sind, die abdriften, die ganze Insel bewegt sich. Wohin wird das führen? Ein Ruck, ein Beben des Schiffskörpers, der Landmasse, wir sind irgendwo aufgelaufen, Andrea Doria und Titanic, das Wasser strömt herein, alle kommen mir in den Sinn. Das musste so kommen, kein Steuermann, irgendeinmal hier, ich warte darauf........Ein penetrantes Geknatter, einer Baumaschine gleich, weckt mich aus meinen Gedanken, das Chinesenrestaurant in der Gasse bereitet sich auf das Mittagsgeschäft vor, es ist zwölf Uhr, ein weiterer Generator wurde angeworfen.

28. Mai 2008


Der Architekt Mohammad empörte sich gestern Abend über das Publikum im Lukmaan. Das Restaurant habe einfach an Niveau verloren, die Leute, die heute in den Lukmaan kämen, die hätten keine Manieren, keine Erziehung. Schon wie sie angezogen seien, da komme einer gar im Unterleibchen herein. Das dürfe man einfach nicht zulassen, das sei ein Fehler des Managements, das vertreibe die wirklich gute Kundschaft. Er könne mit seiner italienischen Frau unmöglich in solch ein Lokal kommen, das gehe einfach nicht. Er habe dem Ali und dem Othman schon immer gesagt, man müsse aufpassen, dass das Niveau nicht sinke, denn wenige gut bezahlende Gäste seien besser als viele, an denen man kaum etwas verdiene. - Da muss ich ihm teils recht geben. All die Jugendlichen, die momentan im Restaurant herumlungern, einzig weil sie darauf warten, dass ihre Natels dort geladen werden und lärmend an den Tischen sitzen, denn das ist viel angenehmer als draussen im Finsteren herum zu stehen. Konsumieren tun die nichts, wenn sie etwas essen, dann haben sie es draussen beim Strassenverkäufer gekauft. Überhaupt war ich da schon immer erstaunt über die Toleranz. Viele Leute kaufen Brot oder Chapatis ein paar Rappen billiger auf der Strasse, auch Chipsies und Fleischspiesschen vom Nachbarn, was auch immer, bringen es herein und bestellen dann noch einen Tee oder vielleicht einen Juice dazu, häufig sieht das Restaurant aus wie ein Picknickplatz. Das scheint hier normal zu sein. Und ich kam mir da immer schweizerisch-bünzlig vor, dass mich das störte. Doch offenbar findet das auch der Mohammad nicht normal. Nur hat der eben lange in Europa gelebt. - Bei den Kleidervorschriften bin ich nicht ganz mit ihm einverstanden. Da müsste man auch viele Touristenfreaks abweisen, die ebenfalls nicht immer proper gekleidet erscheinen. Mohammad ist da eben doch ganz der gebildete Afrikaner. Immer gut angezogen in Hemd und Bügelfaltenhosen, das ist hier nun mal so. Das stelle ich auch heute Morgen fest. Das Publikum jetzt ist sehr anders als dasjenige der Nacht. Büroangestellte und Beamte aus der Umgebung. Auch sie durchwegs in Hemden gekleidet. - Doch eigentlich mag ich die Durchmischung der Gästeschar, finde es schön, dass auch Leute mit wenig Geld hier essen kommen können. Bin auch nicht damit einverstanden, dass vermögende Leute das Niveau immer heben. Da war doch kürzlich ein sehr sanfter, wohl erzogener Lehrer im Lukmaan, der scheu meinte, nein, er sei kein regelmässiger Gast hier, das Restaurant sei eben für ihn etwas teuer. Lehrer verdienen hier miserabel und haben auch keine Gelegenheit, sich ihr Gehalt, wie die übrigen Beamten, durch Schmiergeld zu verbessern. Während oft Männer aus sehr protzigen Karossen aussteigen - womit sie sich diese verdient haben kann ich mir gut vorstellen - die kaum bessere Manieren haben.

Ich bin eigentlich mit den Anstrengungen von Ali und Othman zufrieden, finde, das Restaurant sehe nun wieder viel besser und sauberer aus. Auch das Essen hat eine gewaltige Verbesserung erfahren, seit der Ali am Morgen in der Küche mitarbeitet. Sein neues Birianirezept wird allgemein sehr geschätzt und seit er veranlasst hat, dass die ganze Küche herunter gewaschen wurde, sieht das ganze doch bereits wieder viel vertrauenswürdiger aus. Das Problem ist eben, dass den Othman solches einfach nicht stört, der sieht das gar nicht. Wohl bestätigt er, das Restaurant müsse natürlich sauber aussehen, das sei ganz wichtig. Doch wenn er daran ist, die Speisen zu schöpfen, dann ist das Buffet meist mit Sauce voll gekleckert - ohne dass er das zu bemerken scheint. Eine Überwachung der Angestellten ist so natürlich schwierig, die sind teils sogar reinlicher als er. Da bleibt nur der Ali als gutes Beispiel. Das er zum Glück momentan auch wirklich abgibt. Nur befürchte ich, dass seine Energie, wie immer, nicht eine langatmige sein wird - falls sich nicht nächstens ein Erfolg der Anstrengungen ankündigt und das Geschäft Gewinn bringt. Doch dies liegt immer noch im Dunkeln, Finanzielles überlässt Ali gänzlich dem Othman. - Wir müssen dringend wieder einmal eine Sitzung machen. Obwohl ich mich da immer sehr zusammen nehmen muss und diplomatisch bleiben. Vor allem die Sache mit den vielen gratis Essern ist ein heikles Thema. Die Liste der Speisen, die täglich unentgeldlich an Angestellte, Verwandte – und das ist die halbe Stadt – abgegeben werden, diese Liste wurde noch nie erstellt. Ich muss nochmals darauf beharren.

Ganze sechs Tag ohne Strom nun. Wie lange das noch dauern wird, weiss niemand, Gerüchte sprechen von weiteren zwei Wochen und ich stelle fest, dass sich die Leute jetzt damit abgefunden haben, wie mit manch anderem Unbill, man ist hier schon extrem geduldig. Fundis, Handwerker fügen dem bereits bestehenden Stromkabelgewirr in den Gassen noch Weiteres hinzu, Leute, die es sich leisten können, schliessen ihren Haushalt an einen der grösseren Generatoren an, man richtet sich ein, auch ein paar Internets öffnen wieder, die Leute können ja auch nicht wochenlang ohne Einnahmen leben, und auch ein paar lokale Restaurants haben sich nun irgendwie eine Stromquelle ergattert, was den momentanen Riesenerfolg des Lukmaan etwas dämpfen könnte. Die Auswahl der Geschäfte ist eindeutig wieder grösser geworden, man wollte den paar wenigen, die gute Gewinne gemacht haben, den fetten Braten nicht alleine überlassen.
Auch Ali scheint mit einer unbestimmten Dauer der Stromkrise zu rechnen. Heute Morgen legt er seinen ganzen Wäscheberg in Pulver ein. Ich kann mich immer noch nicht dazu entschliessen, suche meine letzten Wäschestücke zusammen und hoffe, das ganze doch noch einmal mit der Waschmaschine machen zu können.

Montag, 26. Mai 2008

26. Mai 2008


Bei meiner Krautkreation habe ich wohl etwas Pech gehabt. Der angeschnittne Kabis und die Peperoni riskierten ungekühlt zu verderben. Weshalb ich versuchte, daraus Sauerkraut zu machen. Zwiebeln und etwas geraffelten frischen Ingwer habe ich ebenfalls beigefügt, viel Salz und den Saft einer von der Verwesung bedrohten Limette. Und fand dies eigentlich eine interessante Mischung. Mit einem Teller bedeckt und einem Stein beschwert begann das Ganze auch bereits am 2. Tag zu saften. Heute nun, nach vier Tagen, sieht die Gemüsemischung immer noch recht frisch aus, schäumt zwar etwas obenauf und riecht stark alkoholisch. - Vielleicht habe ich statt tropisches Sauerkraut, tropischen Alkohol erfunden, irgendetwas gärt auf alle Fälle. Vielleicht gibt das ja auch eine Art Bier. Da warten wir am besten noch ein paar Tage, was mit dem Ganzen passiert. – Oder hat mir jemand einen Rat? Ich war ja bisher auch in der Schweiz nicht in der Sauerkrautproduktion tätig.

Der sechste Tag ohne Elektrizität. Gestern Sonntag endlich äusserte sich die Regierung zu der Panne. Begonnen habe es in der grossen Zentrale In Dar es Salaam. Die sei jetzt 28 Jahre alt und noch nie revidiert worden, Pannen da möglich. Nach einem Tag sei das Problem auf dem Festland behoben gewesen, dann allerdings, beim Wiedereinschalten des Stromes sei die Zentrale auf der Insel explodiert. Und da seien die einheimischen Spezialisten nun machtlos, auch die Profis vom Festland wüssten nicht weiter, man erwarte eine Equipe aus Norwegen. Die sollte Morgen oder Übermorgen hier eintreffen. In einer anderen Zeitung lese ich zusätzlich, dass nun Stromleitungsdiebe am Werk seien. Gefahrlos, da das Netzt ja momentan ohne Stom, seien bereits an mehreren Stellen Kabel herausgeschnitten worden, irgendwo ganze 200 Meter. Da sei beim Wiedereinschalten damit zu rechnen, das kleinere Zellen dann immer noch ohne Strom seien. Und ich frage mich, wie man so weit kommen kann, Starkstromkabel zu stehlen. Da habe es auch schon Tote gegeben, meint Ali. Wozu das Ganze, das nützt doch im Haushalt gar nichts und wem soll man das denn verkaufen? Wir kommen darauf, dass vermutlich das Kupfer darin lockt, das zu einem guten Preis verkauft werden kann. Nun hoffe ich nur, dass die Panne behoben werden kann, solange noch ein paar Stromleitungen intakt geblieben sind.

Auch sonst gibt es manche, die vom Stromunterbruch profitieren. Die Wasserträger, die den Leuten Wasser von weit her liefern, denn auch die städtischen Pumpstationen sind ausgestiegen, ein grosser Teil der Bevölkerung leidet nun darunter, dass es kaum Wasser gibt. Und wäscht sich im Meer. Oder überhaupt nicht. Das teuer erstandene Wasser der Träger wird zum Kochen verwendet. Auch die Elektro-Reparaturwerkstätte hinter dem Lukmaan hat mehr Arbeit. Normalerweise werden hier Kupferspulen gewickelt, doch im Moment versuchen sich alle fundis mit der Reparatur von Generatoren. Die könnten den elektrischen Teil der Maschinen flicken, meint Othman. Sei es der Motor, der Probleme habe, dann müsse man zu einem anderen fundi gehen. Auch die Kerzenverkäufer machen im Moment ein gutes Geschäft, Petrollampen sind hier eher selten zu sehen. Rund vier Franken zahle ich heute für eine solche, denn meine Kerzenlampen sind noch nicht ganz perfekt, werden durch die Hitze der Kerzen deformiert, da muss ich mir etwas einfallen lassen. Vier Franken, das sei zuviel Geld für die Leute, meint Ali, die könnten sich das nicht leisten. Obwohl auf die Dauer der Kauf von Kerzen viel teurer sei als die Anschaffung von Brennsprit. Doch so weit rechnet man hier gar nicht erst, denn Geld in Reserve für solch eine ungeplante Anschaffung, das haben nur ganz wenige.

Mindestens könnten sie sich entschuldigen, die von der Regierung, empört sich Othman. Und den Leuten in der Stadt Wasser mit Tankwagen bringen. Auch Kerzen, oder Lampen, das wäre doch das Mindeste. Doch soweit würden diese Leute eben nicht denken. Und ich bin erstaunt und froh, dass die Finsternis in der Stadt nicht vermehrt zu Diebstählen geführt hat. Ein Leichtes wäre es jetzt, im Finsteren zu entkommen. Auch auf der Polizeistation arbeitet man des nachts übrigens mit Kerzenlicht. Und im Spital, befinden meine Freunde, gäbe es sicher keinen Generatoren. Für solche Notfälle habe die Regierung doch nicht vorgesorgt, an so was denke man nicht bevor es passiere. - Andere denken daran. Im äusserst teuer gebauten neuen Gebäude der Bank of Tanzania, das traditionelle Stilelemente gelungen mit modernen vereint, brennt in der Nacht das Licht. Auch in anderen privaten Unternehmen laufen die Computer und die diesmal von den Dänen geleiteten Renovationsarbeiten im Hafen laufen normal weiter und die des nachts hell erleuchtete Hafenanlage zeugt davon, das offensichtlich auch die ihre eigenen Notgeneratoren mitgebracht haben.

Ich muss feststellen, dass man die Augen durch Training wohl nur wenig verbessern kann. Ich taste mich halbblind durch die finsteren Gassen, während die Leute rings um mich herum sich recht geschmeidig bewegen. Ich habe schon immer das Gefühl gehabt, dass die Schwarzen in der Nacht viel besser sehen als wir. Ist dies wohl jemals durch Studien erhärtet worden? - Stosse ich auf meinem Weg ins Restaurant auf eine Lichtquelle, die Hotels und der Arabische Laden lassen die Lampen in der Gasse brennen, so treffe ich immer auf eine ganze Schar von Menschen. Das Licht zieht sie an wie die Moskitos.

24. Mai 2008


Meine neuste Tätigkeit ist die Kreation von Lampen. Von Kerzenlampenmodellen besser gesagt. Der obere Teil einer abgeschnittenen PET-Flasche gibt eine trichterförmige Lampe, die in der Hand gehalten, aber auch auf dem Deckel der Flasche erstaunlich gut abgestellt werden kann. Für den vorhandenen Kerzenständer entwerfe ich einen Schutzschild gegen den Wind. Auch da ist ein Röhrenteil einer PET-Flasche hilfreich. Rechaudkerzen gibt es hier leider keine zu kaufen, der gängige Typ ist eine rund 20 cm hohe weisse Haushaltskerze, leider häufig beim Kauf bereits gebrochen, die Preise sind steigend, von 15 Rappen das Stück sei man nun bereits bei 20-30 Rappen angelangt, berichtet mir Zak. Ein weiteres Kerzenlichtmodel ist nahe liegend, die halbierte Schale einer Kokosnuss, während die Kreation mit dem kaputten Wassereinlauf-Teil der Waschmaschine, der sich bestens als zweier-Kerzenleuchter eignet, schon etwas origineller ist. Meine neuste Kreation habe ich aus einem leeren Milchbeutel gemacht. Die silbrige Innenfläche eignet sich konisch nach aussen gebogen bestens als Reflektor – so hoffe ich doch, den Härtetest hat dieses Model noch nicht bestanden. - Es ist offensichtlich: Auch heute Samstag ist kein Ende des Stromunterbruches in Sicht und man beginnt langsam, sich auf eine längere Dauer dieser Ungemach einzurichten. Bis heute keine offizielle Information darüber, was genau passiert ist. Dafür blühen die Gerüchte um so bunter. Während manche meinen, der Schaden in Dar es Salaam sei bereits wieder behoben, erneut ein Problem sei beim Einschalten hier in Sansibar passiert, berichten andere, dass es bis nach Aruscha hin keinen Strom mehr gebe, also quasi in ganz Tansania. Genaues weiss niemand, Radio und Fernseher sind ohne Strom nur wenige in Betrieb, die Verbreitung von Nachtrichten ist nicht ganz einfach. Manche Leute berichten nun sogar, dass es wohl doch der schon lange erwartete und befürchtete Bruch der Unterwasserleitungen im Meer gewesen sei. Diese Kabel versorgen Sansibar vom Festland her mit Strom. Südafrikanische Taucher seien bereits daran herauszufinden, wo genau der Schaden denn sei. Ich spotte etwas, wahrscheinlich dort, wo die Fischer die elektrokutierten Fische tot an der Oberfläche abschöpfen könnten.....

Dass die grossen Generatoren der Hotels in der Nacht abgestellt werden habe ich bereits die vorletzte Nacht bemerkt, aber eigentlich geglaubt, dass der Strom irgendwie gespeichert werden könne, so dass die Gäste die ganze Nacht über das Licht anzünden könnten bei Bedarf. Doch Ali hat wohl recht, wenn er dies bezweifelt. Heute Morgen höre ich um fünf Uhr den Muezzin nicht Lautsprecher verstärkt – und damit eine Runde angenehmer als gewöhnlich - in der frühen Stille zum Gebet rufen. Auch die Moschee erhält ihren Strom nämlich von den Hotels. Vielleicht mit Absicht und Rücksicht auf ihre Gäste stellen diese ihre Generatoren erst rund 10 Minuten nach dem Gebetsruf wieder ein......

Schon vor dem nun drei Tage andauernden Stromunterbruch habe ich festgestellt, dass die Leute hier momentan ungewöhnlich viel Zeitungen lesen. Ganze Trauben von Menschen scharen sich um die Tafeln, an denen die Zeitungsverkäufer die Titelseiten mit den Schlagzeilen aushängen. Gierig wird dies gelesen. Erst gestern habe ich dann begriffen weshalb, ich bin ja hier sehr schlecht über die Weltgeschehnisse informiert, ab und zu im Internet der e-Bund, aber sonst. Die Zeitungen hier bringen eben fast ausschliesslich afrikanische Politik und da verstehe ich zu wenig davon.
Vor zwei Wochen also, wird mir erst gestern besorgt berichtet, vor zwei Wochen, da hätten Separatisten der Oppositionspartei in Pemba die Fähre besetzt, die hauptsächlich Agrargüter von Pemba auf die Schwesterinsel Unguja, das wir gemeinhin als Sansibar bezeichnen, bringt. Es sei zu Ausschreitungen gekommen, Leute der CUF, der Oppositionspartei, die in Pemba die Mehrheit hat, hier in Sansibar aber noch nie, mindestens offiziell nie, gegen die Regierungspartei siegen konnte, seien festgenommen worden und des Hochverrates angeklagt. Denn die wollten ein unabhängiges Pemba, sich von der Schwesterninsel Unguja trennen. Unsinn, das findet auch Ali, der ja von Pemba stammt, denn Pemba lebe ja vom Export der Nahrungsmittel, die auf der viel touristischeren Schwesterninsel gebraucht werden. Die Blockade der Schiffe bringe den Leuten überhaupt nichts, schade ihnen nur selber, das seien ein paar verwirrte Seelen, die das angezettelt hätten. Von anderer Seite höre ich aber, dass es sich immerhin um 12'000 Randalierer gehandelt habe, bei einer Bevölkerungszahl von rund einer Million auf beiden Inseln zusammen, doch eine nicht ganz vernachlässigbare Anzahl Unzufriedener. Meine Informanten, Leute vom Festland, die in der Tourismusbranche arbeiten, einer davon der Zak, sind sehr besorgt. Man sehe ja, was solches dem Tourismus schaden könne. Kenia, auch Simbabwe, da komme dann niemand mehr, solche Streitigkeiten seien gefährlich. Und Zak erzählt mir, dass hier viele Leute nichts gegen einen Krieg hätten, das sogar wünschten. Jedes Mal vor den alle 4 Jahren stattfindenden Wahlen würden die Leute sich hier Pässe machen lassen. In der Hoffnung, dass es zu Ausschreitungen komme, diese auch provozierend, denn dann könne man als politischer Flüchtling ausreisen und habe Chancen, in Europa oder anderswo aufgenommen zu werden. Ich finde dies zynischen Unsinn. – Zuerst. Doch als ich an den Nachtwächter im Film Darwin’s nightmare denke, da werde ich plötzlich unsicher. Empört habe ich ihm zugehört, wie er berichtet, damals, als Tansania mit Uganda Krieg gehabt habe, damals sei es gut gewesen. Arbeit im Militär, Geld, das Leben sei einfach gewesen. Das wäre gut, wieder einmal so ein Krieg, jetzt sei das Leben hier viel zu schwer. Mich hat diese Aussage entsetzt. Und ich frage mich jetzt, ob Zak mit seiner Behauptung vielleicht doch recht hat.
In der Nacht wache ich auf und denke über das Ganze nach. Nein, auch mir ist nicht wohl dabei. Eben gerade sah man in Südafrika, wie leicht unzufriedene Menschen aufgewiegelt werden können. Geschäfte von eingewanderten Leute aus Simbabwe wurden geplündert. Anstoss waren Probleme, die sich aus der momentan starken Einwanderung aus diesem Krisenland ergeben. Doch die betroffenen Geschäftsbesitzer waren sicherlich bereits alteingesessene Simbabwer. Die es zu etwas gebracht haben und deshalb den Neid der Einheimischen geweckt. – Hier ist eine ähnliche Situation: Ein grosser Teil, vielleicht ein Drittel der Bevölkerung Sansibars, stammt von der viel ärmeren Schwesterninsel Pemba. Die Leute sind nach der Revolution vor rund 40 Jahren hier eingewandert und recht häufig eben auch erfolgreich. Wenn da nun wirklich solche Gefühle aufbrechen.......
Zak meint später, dass man vom Festland her natürlich keine Abtrennung von Sansibar wünsche und deshalb die Regierungspartei unterstütze. Das seien ja dieselben Leute, die Leute der Insel und die des Festlandes, das sei bereits früher, vor dem Anschluss Sansibars ans Festland so gewesen.
Während Ali und viele andere das anders sehen, sich durch den Zusammenschluss des sehr viel kleineren Sansibars mit Tanganika betrogen fühlen, glauben – wahrscheinlich nicht ganz zu Unrecht – in dieser Union kein Gewicht zu haben. Sicher ist, dass die meisten Leute hier von der äusserst korrupten Regierungspartei genug haben, also schon deshalb für die Opposition sind, denn mehr als zwei Parteien gibt es hier nicht. – Nein, das wolle man nicht, eine Abspaltung Sansibars, denn dann hätte man ja die Araber gleich vor der Haustüre, meint Zak. Effektiv nehme auch ich an, dass der Einfluss Omans und anderer Arabischer Länder, die hier ja früher die herrschende Klasse stellten, sofort steigen würde bei einem Sieg der Opposition. Und dies scheint niemand zu wollen, auch die Amerikaner nicht. Weshalb die jetzige Regierung gestützt wird, wie schlecht auch immer die sei.

23. Mai 2008



Seit rund 40 Stunden sind wir nun bereits ohne Elektrizität. Immer noch greife ich - sinnlos natürlich - zu Lichtschaltern oder öffne Wasserhahnen. Auch unser Wassertank ist nun leer. Zum Glück haben wir wenigstens im Hof unten noch fliessendes Wasser, das kommt direkt von der Moschee. Wir sind damit privilegiert. Heute Morgen sehe ich viele Frauen mit Wassereimern zu den öffentlichen Zapfstellen laufen, denn die meisten Leute haben privat keine Generatoren, also auch keine Möglichkeit, das Wasser tief aus dem öffentlichen Leitungssystem, das leider keinen Druck hat, herauf zu pumpen. Im übrigen ist es sehr ruhig in der Stadt, als ich nach acht Uhr morgens zum Lukmaan laufe, um einen Gewürztee mit Milch zu trinken. Die meisten Läden bleiben geschlossen. Viele Waren, die gekühlt werden müssen, verderben nun langsam. Auch die Büros blieben geschlossen, meint Mohammad, der Architekt, gestern Abend. Kein Strom, der Staat kann sich keine Generatoren leisten und die Angestellten kommen sowieso nicht ins Büro. Von den rund 100 Angestellten sei kaum jemand an seinem Arbeitsplatz. Da gäbe es auch für ihn nichts mehr zu tun, Zwangsferien. Aber dies alles sei ja den hohen Regierungsleuten egal. Die hätten Generatoren selbst in ihren Privathäusern, würden ebenso wenig unter dem Stromausfall leiden, wie die Touristen, die im allgemeinen in mit Generatoren ausgerüsteten Etablissements einquartiert sind. Also kein Problem. Daran, dass seit zwei Tagen nicht mehr richtig gearbeitet werden könne, dass dies ein Ausfall für die Wirtschaft des Landes, an solches würden diese Regierungsleute erst gar nicht denken. Auch die Sache mit der Information: Nie in solchen Fällen werde die Bevölkerung auch nur aufgeklärt darüber, was genau passiert sei und wie lange das ganze voraussichtlich andauern werde. Die Leute würden schlichtwegs nicht für mündig genommen, die sollten halt warten und schauen, wie es weiter geht. – Wieder einmal eine Klagerunde im hellen Neonlicht des Restaurants gestern Abend. Viele Leute scharen sich noch spät abends dort, denn Zuhause erwartet sie Finsternis. Als ich gegen acht Uhr aus dem gut erhellten Touristenquartier quer durch die Altstadt laufe, treffe ich fast vollkommene Finsternis an. Kerzen erleuchten spärlich die wenigen Läden, die trotzdem noch Eier, Brot, Reis und natürlich Kerzen anbieten. Leute, die im Finsteren vor den Häusern sitzen, teils höre ich das, teils fühle ich es mehr, meine Augen haben Mühe, etwas zu erkennen, zum Glück kenne ich den Weg nun gut. Ab und zu gespenstisches Blau in einem Fenster. Natels lassen sich gut als Taschenlampen verwenden und narren mich erst als Fernseher, die ja unmöglich heute laufen können. Natürlich brauchen diese Telefone so ziemlich Strom. Deshalb sind alle Stecker im Lukmaan, die nicht für Apparate eingesetzt werden, von diesen Dingern besetzt, man kommt sein Telefon ins Restaurant laden. So wie ja auch ich meinen Computer im Internet zurücklasse bis er wieder genug Energie geschöpft hat. Da sind die Leute sehr grosszügig.
Heute gehen wir spät zu Bett. Ich habe Angst davor, in der Nacht aufzuwachen und dann wach, ohne lesen zu können, stundenlang herum zu liegen – grundlos eigentlich, denn normalerweise schlafe ich ja hier sehr gut. Und wache so auch wirklich auf, zwei Katzen streiten sich geräuschvoll. Daneben stelle ich aber fest, dass nun alle Generatoren ausgeschaltet sind, leise höre ich das Rauschen des Meeres, wunderbar ruhig ist es jetzt. – Auch hier scheinen wir zu den Glücklichern zu gehören, denn Mohammad freut sich über die nächtliche Ruhe im Moment. In seinem Quartier würden normalerweise die ganze Nacht Radios, Fernseher und Stereoanlagen in voller Lautstärke laufen gelassen. Die Leute hier hätten einfach keine Erziehung, nähmen überhaupt nicht Rücksicht. Das bestätigt auch Ali, beide haben in Europa gelebt und kennen die Regeln dort, haben die Nachtruhe schätzen gelernt. Hier sei das unmöglich. Die Polizei komme sowieso nur, wenn es etwas zu verdienen gäbe, also sicher nicht in solch einem Fall. Obwohl eigentlich diese Gesetze der Briten immer noch gültig seien.

Und nochmals haben wir Glück. Denn einerseits ist der Mond im Moment fast voll und erhellt die Stadt in der Nacht etwas und zweitens ist im Moment Winter, man kommt also recht gut ohne Ventilatoren oder Klimaanlagen aus. Allerdings nur, wenn man die Fenster offen lässt. Das muss ich eben bemerken, denn ich habe diese wegen dem lärmigen Generatoren des Chinesischen Restaurants in unserer Strasse geschlossen. In den Tropen wird jeder geschlossene Raum innert Kürze stickig feucht und heiss.

22. Mai 2008


Wir sitzen eben gerade im Hof beim Nachtessen - es ist heute spät geworden, etwa 10 Uhr, das Restaurant braucht jetzt mehr Zeit - als die Lichter im Haus zu flackern beginnen, plötzlich ganz ausgehen, nur die Neonröhre im Gang sendet noch eine Weile ein gespenstisch blasses Licht aus, bis auch das erstirbt. Wieder einmal ein Stromausfall. Die ganze Stadt liegt im Dunkeln, wir tasten uns zu den Notkerzen durch, die an verschiedenen Orten im Haus deponiert sind, Zündhölzer ebenfalls, nur sind die leider von der Feuchtigkeit hier etwas müde geworden, es braucht mehrere Versuche, bis endlich eines Feuer fängt. Inzwischen sind auch die zwei grossen Generatoren der Hotels in der Umgebung angesprungen, ein tiefes Brummen und kurz darauf gehen dort die Lichter wieder an. Ausnahmsweise bin ich froh um das neu renovierte Indische Hotel gleich um die Ecke. Wo einfach so, ohne Bewilligung, ein Stockwerk hinzu gefügt wurde und darüber dann noch eine Dachterrasse mit Restaurant. Geschlossen, mit Fenstern und Klimaanlage. Welcher Tourist, so frage ich mich, hat Lust, hier auf der Insel so eingesperrt zu speisen? Gerade in luftiger Höhe, das Haus ist jetzt höher als alle in der Umgebung, hätte der Wind vom Meer her, vielleicht zeitweise noch durch Ventilatoren unterstützt, das Lokal zur Genüge gekühlt. Die protzige Renovation – alles ist teuer gemacht, zwei kitschige, vollkommen unpassende Bronzelöwen bewachen, nebst Wachleuten, den Eingang rund um die Uhr – ist überhaupt nicht nach meinem Geschmack. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das den Mzungus gefällt. Aber vielleicht lieben eben reiche Inder prunkvollen Kitsch. Mody erzählt mir, das sei wunderbar, dieses Hotel. Er sei schon einmal im Restaurant oben gewesen. Die Leute hier sind eben immer sehr leicht zu überzeugen von protzig-luxuriösen Sachen. Ich nehme mir vor, das Restaurant doch auch einmal von innen anschauen zu gehen. Vor allem die Sicht von der unerlaubt erhöhten Dachterrasse aus interessiert mich. - Doch eigentlich war ich beim Stromausfall. Dieses Hotel nun, ein ganzer freistehender Häuserblock, hat ringsherum viele kitschige Lämpchen angebracht, so dass nun unsere nähere Umgebung bestens ausgeleuchtet ist, wenn man des Abends nach Hause kommt. Selbst jetzt, bei einem Stromausfall.
Heute Morgen beim Erwachen, höre ich das Brummen der Generatoren immer noch. Das muss etwas Grösseres sein. Othman weiss dann zu berichten, dass es einen Kurzschluss in Dar es Salaam gegeben habe. Was zu einem Kurzschluss in Fumba, dem Ort, wo der Strom auf der Insel ankommt, geführt habe. Das daure sicher zwei Tage, bis das repariert sei. So leiden wir uns eben diese zwei Tage mit dem Lärm der vielen Generatoren, hoffen, dass es nicht noch länger dauert, und gehen selbst unseren Morgentee ins Restaurant trinken, denn dort kocht man ja mit Gas. - Nein, soviel mehr Gäste werde das nicht geben, meint Othman. Die Leute hätten ja alle noch einen Kohleherd im Haus, für Zeiten, wo der Strom ausfalle, das sei kein Problem. Höchstens vielleicht, weil viele andere Restaurants geschlossen hätten, denn nicht alle haben sich wie der Lukmaan einen Generatoren geleistet. Doch auch hier gibt es momentan keine Jogurts zu kaufen, die Kühlschränke brauchen zuviel Energie, der Generator reicht gerade für die Beleuchtung und das Funktionieren der Ventilatoren. Was mich daran erinnert, dass auch ich besser heute keine Milch und kein Jogurt einkaufe, denn das hält sowieso nicht. Man muss sich anpassen. Selbst mit dem Speisezettel.

Mittwoch, 21. Mai 2008

21. Mai 2008


Die Spatzen schwatzen laut in der Passionsfruchtpflanze. Ich schaue näher hin und entdecke ein Männchen, das sein Gefieder mächtig aufplustert, tänzelnd herumhüpft und einen grässlichen Krach von sich gibt. Ganz offensichtlich will es das Weibchen daneben beeindrucken. Dieses scheint zwar interessiert zu sein, doch hat das Männchen nicht genug Ausdauer, gibt seinen Werbetanz bald einmal auf und das Weibchen fliegt gelangweilt davon. Jetzt, allein in den Zweigen, ist das Männchen nur noch ein dünner Strich, sieht nicht besonders gut genährt aus. Der hat in Sansibar sowieso keine Heiratschancen, ein Habenichts, mindestens bei den Menschen würde das kaum klappen.

Hunde und kleine Affen scheinen hier die neuste Mode zu sein. Etliche dieser Herumhänger, die mit Touristen geschäften oder sie anbeteln, haben sich Jungtiere angeschafft. Ich schaue dem mit gemischten Gefühlen zu. Häufig haben sie effektiv bei den Reisenden Erfolg mit ihren Tieren. Doch befürchte ich, dass sie ihren Spass an diesen sehr bald einmal verlieren werden. Was passiert dann mit ihnen? Bereits jetzt scheint mir vor allem die Haltung der jungen Äffchen alles andere als artgerecht. Häufig werden sie im Lukmaan beim Essen einfach ins T-Shirt gestopft, das Shirt in die Hosen, so dass sie nicht entweichen können. Dort bleiben sie dann mit ihrem fiependen Klagen und Schubsen, bis es ihnen wieder gelingt zu entweichen.


Gestern Abend wurde ich von einem Grüppchen Touristen auf der Strasse angesprochen. Ich sei doch sicherlich eine Einheimische. Ob ich ihnen im Quartier ein gutes Restaurant empfehlen könne? So weit ist es also schon. Merkwürdig, ich kann mich gut erinnern, wie mir das plötzlich in Paris so ergangen ist. Irgendeinmal bewegt man sich in einer Stadt wohl mit solcher Sicherheit, mit solcher Selbstverständlichkeit, dass man von den Leuten als Einheimische wahrgenommen wird. Diesmal kam sicherlich dazu, dass ich im Finsteren alleine aus einem kleinen dunklen Gässchen der Altstadt auf die Hauptstrasse heraus trat. Das getrauen sich hier wenige Touristen. Und ist auch besser so. Nicht weil das um diese Zeit, es war acht Uhr, gefährlich wäre wegen Überfällen. Gefährlich ist es für Fremde sobald es finster ist, sich in den vielen Gässchen zu verirren. Häufig sind die ja auch über weite Strecken kaum beleuchtet. Deshalb empfehle ich dem Männergrüppchen auch nicht den Lukmaan. Dort hat es am Abend zwar schon Ausländer, aber eben nur sesshafte. Selten gelangen Touristen im Finsteren bis dorthin, die bleiben meistens im meernahen Shanganiquartier, wo auch wir wohnen, und selbst hier vorzugsweise auf den gut beleuchteten Hauptstrassen.

Anschliessend mit Ali und Othman eine Diskussion über Hexerei und Magie, wir können ja nicht immer nur über den Geschäftsgang des Restaurants diskutieren. Beide sind überzeugt davon, dass es Zoombies, Scheintote gäbe. Ich finde, doch nur in den Filmen. Das wollen sie aber nicht gelten lassen. Es gäbe Leute hier, die diese Hexerei praktizierten, an Begräbnisse gingen und die Toten stehlen würden. Die könnten die anwesende Trauergemeinde - eine riesige meist, die während Tagen im Haus des Verstorbenen bleibt - überzeugen, dass der tote Körper noch da sei. In Wirklichkeit aber, hätten sie den gestohlen und an einen geheimen Ort gebracht. Dort hielten sie viele dieser Scheintoten gefangen, die hätten keinen eigenen Willen, kein Bewusstsein mehr, die müssten wie Roboter machen, was der Hexenmeister wolle. Für ihn arbeiten, auch sexuell würden sie missbraucht. Ich frage, woher sie denn von diesen Orten wüssten. Man gibt mir zur Antwort, es gäbe eben Leute, die diese Hexer durchschauen könnten. Ich finde, solch eine Person sollten sie mir aber dringend vorstellen. Das können sie aber nicht, denn damit wollen sie nichts zu tun haben. Und Ali meint, dass man mit uns Mzungus, uns Weissen, sowieso nicht über solches diskutieren könne. Was uns nicht genehm, was uns unheimlich sei, da sagten wir einfach, das existiere nicht. Wenn wir etwas nicht sehen könnten, dann glaubten wir einfach nicht daran. - Dasselbe später mit der Magie. Wir kommen auf David Copperfield, den sie auch kennen, zu sprechen. Ich sage, das seien alles gut gemachte Tricks, doch sie glauben an Höheres. Warum man das denn nicht lernen könne? Weil das das ganze Geschäft kaputt machen würde, antworte ich, wenn wir wüssten, wie das funktioniert. Ganz abgesehen davon, dass es sehr wohl Lehrbücher für Magier gebe. Man müsse sich eben einen Lehrmeister suchen. Doch das wollen sie nicht glauben. Wenn man solches lernen könnte, dann gäbe es Schulen dafür, das sei eben mehr, das sei etwas anderes. Wir kommen zu keinem Schluss, ich kann ihre Gutgläubigkeit nicht verstehen – dies bei Leuten, die doch einigermassen gebildet sind – und sie werten wohl mein Nichtglauben als typisch weisse Arroganz.

19. Mai 2008



Heute Morgen erstmals wieder blauer Himmel, nur einige harmlose Wolken über dem Horizont, das Meer ist aufgewühlt und leuchtet türkisblau, in der Ferne dunkelblau, von weissen Schaumkrönchen kontrastreich geziert. Ein starker Wind aus dem Südwesten weht, ein angenehmer Wintertag steht bevor. Superpower, unser Alkoholikernachbar hat einen guten Tag, bereits sehe ich ihn seine gewaschenen Kleidungsstücke sorgfältig auf dem Rasen des Africa House ausbreiten. Ich wandere der Küste entlang, die heute menschenleer ist und plötzlich kommt mir diese Szene aus dem Film der Gebrüder Cohen in den Sinn: Der gescheiterte Filmautor in Los Angeles, der an der einsamen Küste sitzt, das mysteriöse Paket, das ihm sein Freund anvertraut hat neben sich, und nur wir Zuschauer wissen, das darin der Kopf einer ermordeten Frau sein muss. Diesem Filmautor also kommt am menschenleeren Strand die blonde Schönheit entgegen, die ihn von einer Foto seines tristen Hotelzimmers aus immer so verführerisch angelächelt hat. „Barton Fink“, mein Lieblingsfilm der Gebrüder Cohen. Leider kann ich ihre heutigen Filme nicht mehr anschauen gehen, die sind mir zu gewalttätig. Da wird Grusliges nicht mehr nur angedeutet, die Ausmalung der Fantasie des Betrachters überlassen, sondern platt gewalzt.
Etwas Surreales hat der hell erleuchtete Strand, auch die Fischerboote sind bereits längst im Hafen gelandet ich bin heute spät. Und blass, sehr blass nur mehr die Szene aus dem Buch „L’etranger“ von Camus. Hitze, Einsamkeit, gleissendes Licht, dieses Unwirkliche, etwas verrückt machende,........ich muss dieses Buch dringend wieder einmal lesen.

Othman erklärt mir gestern, weshalb die Frau, ein Gast des Restaurants, ihr Biriani kaum angerührt zurück gelassen haben. Meine Erklärung, logisch eigentlich, dass sie sein Biriani nicht gemocht habe, denn Ali und ich finden seit Monaten, dass man an dieser Leibspeise der Sansibaris etwas ändern müsse, das richtige Rezept einfach noch nicht heraus gefunden habe. – Nein, meint Othman, dem sei nicht so. Die Frauen hier, die würden sowieso kaum essen in den Restaurants, die seien sich nicht gewohnt, in der Öffentlichkeit zu essen. Die würden einfach ihre Ehemänner oder Partner in ein Lokal begleiten, damit diese Gesellschaft hätten. Und dann natürlich auch etwas auswählen, normalerweise das teuerste Gericht, wenn sie schon eingeladen seien. Und dann eben stehen lassen, weil sowieso nicht hungrig.
Mit dem ersten Teil bin ich nicht ganz einverstanden. Es gibt sehr wohl Frauen, die in den Lukmaan essen kommen, es gibt sogar manche, die dies auch alleine tun. Allerdings stimmt es, dass dies nicht allgemein der Fall ist. So kommt zum Beispiel Othmans Frau nie ins Lokal, obwohl sie gleich um die Ecke wohnt. Eine junge Verwandte, die als Haushaltshilfe bei der Familie wohnt, wie das hier Brauch ist, kommt das Essen in das Restaurant holen und bringt es nach Hause. Für viele Frauen stimmt das wohl schon, darauf weist auch der hohe Anteil an Take Away hin. Teure Offroader parkieren häufig vor dem Eingang, eine Frau steigt aus und kauft das Essen für eine ganze riesige Familie ein.
Beim zweiten Teil kann auch ich ohne Einschränkungen einwilligen. Lädt man jemanden ein, so wird der ziemlich sicher etwas Teures auswählen. Bereits der Schulknabe, der mir einmal bei starkem Regen vorjammerte, er sei am verhungern, hat ohne Zögern Biriani bestellt, als ich ihm sagte, er solle sich etwas holen. Auch der Zack nimmt sich Pilaui na kuku, Gewürzreis mit Huhn und Huhn ist hier das teuerste Fleisch. Doch dies ist mir egal, das freudige Strahlen der beiden, hat mich dafür entschädigt. Auch Othman, den ich nach unserem gemeinsamen Einkauf in Dar es Salaam in ein gutes Lokal einlade, wählt sich etwas Teures. Einen riesigen Fisch und ein Biriani. Und kann beides unmöglich fertig essen, obwohl ihm der Ali tapfer hilft. – So versteht der Othman eben sehr schlecht, wenn ich ihm sage, wir Mzungus, wir Weissen, hätten nicht gerne Reisenportionen, denn da fühlten wir uns verpflichtet, mehr zu essen, als wir eigentlich Hunger hätten, denn bei uns sei es nicht höflich, Speisen im Teller liegen zu lassen. Und wenn ich daran denke, wie uns als Kindern erklärt wurde, dass wir unsere geschöpften Teller immer gut ausmachen müssten, denn in Afrika, da gäbe es Kinder - damals war das in Biafra, das ist wohl von der Landkarte verschwunden, ich sehe nicht mehr, wo das liegen könnte - also in Afrika, da würden die Kinder verhungern, sterben wie Fliegen, einfach weil sie nicht genug zu essen hätten. – Das scheint mir heute ziemlich zynisch. Vor allem, weil es ja nicht so ist, dass jetzt keine Leute in Afrika mehr hungern. Selbst in Sansibar haben nicht alle genau das und soviel zu essen, was sie gerne möchten. Doch hier scheint es zum guten Ton zu gehören, Speisen zu verschwenden. Schon lange habe ich den Plan, die fertig gegessenen Teller im Restaurant zu fotografieren. Am besten noch auf dem Tisch stehend. Reis auf dem ganzen Tisch verstreut, Knochen ebenfalls, häufig auch Fleisch und Gemüse in einem wild durchmischten Brei auf dem Teller stehen gelassen. So dass ganz bestimmt niemand mehr Lust hätte, daran weiter zu essen.

Sansibar, den 18. Mai 2008

Eine weitere Nacht mit starken Regenfällen. Mehrmals werde ich vom eindringlichen Trommeln auf die Blechdächer geweckt, doch merkwürdig, trotzdem schlafe ich hier meinen tiefen gesunden Sansibari-Schlaf. Geräusche mischen sich mit meinen Träumen, bis sie ganz alleine dastehen, kurz als Wirklichkeit erkannt, um alsbald wieder zu verblassen. Die ganze Nacht lang. Einen merkwürdig anderen Schlaf als in der Schweiz habe ich hier. Genug Zeit heute, bei einem dieser Auftaucher aus dem Meer der Träume kurz eine dumpfe Angst zu empfinden. Diese Wassermassen. Wenn das nicht mehr aufhört, das Meer wie bei der Sintflut einfach anzusteigen beginnt, so weit weg ist das ja gar nicht, ich höre es fünfzig Meter weiter grollen. Und die riesigen Wolkentürme, die man oft am Himmel sieht. Aus dem ebenmässigen Bild der friedlich sich flach am Horizont lagernden Wolkenherden ragen manche wie mahndende Finger Atompilzen gleich in den Himmel hinauf. Diese Wolkenturmspitzen, die bis auf 10'000 m Höhe hinauf reichen durchquert man in den Tropen häufig mit dem Flugzeug. Ein heftiges Rütteln des ganzen Flugkörpers, wie wenn man auf etwas Festes, auf Materie gestossen wäre. Diese Wolkentürme also, sehe ich schwer über mir. Ein Gefühl des Erstickens, eine dumpfes Unbehagen – und kurz darauf bin ich wieder im Reich der Träume.
Heute Morgen wache ich mit Halsschmerzen auf. Fühle mich auch etwas fiebrig. Und nie werde ich Modys Antwort vergessen, als ich mich, seit drei Tagen in einem doch recht komfortablen Hotelzimmer eingesperrt, darüber beklagte, das diese Regenzeit mühsam langweilig sei. Ich solle an all die Leute denken, die jetzt nicht am Trockenen seien, kein dichtes Dach über dem Köpf hätten. Ich denke daran, wie man ganze Quartiere der Stadt - in Senken gelegen, gänzlich ungeeignete Standorte für Häuser eigentlich, doch hier gibt es keine Planung - bei Regenzeit aus dem Flugzeug jeweils tief überschwemmt sieht. Und ich denke an die verschiedenen Jungen, die ich bei meinen Frühmorgenspaziergängen noch schlafend antreffe. Auf Wellkartonstücken im Rasen des Africa House, ein Tuch über den Kopf gezogen, der Mücken wegen.

Trotz meinem Unwohlsein entschliesse ich mich, den von der letzten Gipseraktion weiss verschmierten Boden im unteren Zimmer zu reinigen. Zwar habe ich die grossen Plastikstücke, die die neu gekauften Matratzen umhüllten, vorsorglich beiseite getan und benutze sie auch bei meinen Maleraktionen. Doch die Handwerker hier scheinen solches nicht zu kennen, bereits ein grosses Stück Plastik ist wohl ein Luxus. – Hier muss ich unserem Maler ein Kränzchen winden. Der malt nämlich ohne Abdeckbänder Linien perfekt gerade, spart Steckdosen problemlos aus und tropft selbst beim Deckenmalen nicht auf den Boden. Obwohl der 2 Meter-Mensch, immer in einen feuerroten Overall gekleidet und deshalb gut erkennbar, eigentlich gar nicht als Maler arbeitet, sondern als mkokoteni, als Handwagenbesitzer. Mit dem Gefährt liefert er den Leuten in den schmalen Gassen der Altstadt, wo keine Autos mehr durchkommen, ihre Güter. Auch unsere Waschmaschine und den Kühlschrank hat er hierher transportiert. Schnell und zuverlässig, er ist einer der wenigen hier, dem man unbesorgt seinen Hausschlüssel anvertrauen kann. Einen Riesenkranz hat er verdient. Übrigens hat er es auch abgelehnt, sich dieser Wand, in der ein früherer fundi dem Verputz Zement beigemischt hat, was auf den alten Kalksteinmauern nicht haftet, auch dazu führt, dass alle Farbe abgestossen wird, zu widmen. Man weiss das, doch Zement ist eben billiger und einfach erhältlich, die Verarbeitung gibt weniger zu tun. Und ich selbst habe zu wenig Fachwissen, um solches kontrollieren zu können. Unser Maler also, lehnte es ab, sich an dieser Wand zu versuchen. Er habe das schon lange nicht mehr gemacht, meinte er ausweichend, er wisse nicht mehr recht wie.........Ich nehme an, er wusste genau, dass da sowieso nichts hilft. Denn der vor einer Woche angebrachte Gipsputz beginnt bereits wieder hässliche Blasen zu werfen.
Der mkokoteni kommt mit seiner Familie vom Festland, aus einer Gegend, in der es nichts als Landwirtschaft gibt, keinen Handel, kein Gewerbe, keine Fabriken, keinen Tourismus. Und wenn da eine Ernte ausgefallen sei, wegen Trockenheit oder sonstigem Unbill, da habe man einfach gehungert. Nein, so habe er nicht leben wollen.

Englischer Humor scheint etwas mit dem Afrikanischen gemeinsam zu haben. Auf dem Fährschiff nach Dar es Salaam - die Schnellboote schaffen die Strecke in zwei Stunden und deren Innenraum ist einem Flugzeug nachempfunden, Fernsehmonitore überall - werden immer Filme gezeigt. Letztes Mal war es eine englische Serie: „Mr. Bean“. Ich habe schon davon gehört und bin deshalb neugierig. Und schnell enttäuscht, denn diese Abenteuer des ungeschickten, manchmal auch absichtlich fiesen Mr.Bean finde ich überhaupt nicht lustig. Doch der Ali lacht manchmal – obwohl der ja wirklich nicht einer ist, der häufig lacht. Und am Strand schaue ich später mit dem Mody auf ein Boot mit dem Namen „Mr.Bean“. Eines der vielen kleinen Schiffe, das Touristen ausführt. Und frage ihn, ob er denn diese Englische Serie kenne. Ja natürlich, das sei sehr lustig. Da haben wohl die ehemaligen Kolonisatoren auch gleich ihren Humor auf der Insel zurückgelassen.

17. Mai 2008


Sand wird nicht nur von den Stränden weggeschwemmt, wie man dies am Nordzipfel der Insel, bei Nungwi gut sieht und teils auch an der Ostküste. Mit hohen hässlichen Stützmauern versuchen die Besitzer ihr teueres Land direkt am Meer davor zu schützen, von der Brandung langsam weggenagt zu werden. Besonders grimmig greifen die Wellen jeweils direkt dort an, wo die Stützmauern enden, modellieren einen Graben, so dass sich auch der nächste Landbesitzer gezwungen sieht, Massnahmen zu ergreifen. Auch Schlimmeres kann man beobachten: Ferienbungalows, die so dicht ans Meer gebaut wurden, dass sie bei einer Springflut unterspült werden und in sich zusammensacken. – Doch hier, an unserem Strand beim Afrika Haus ist das Gegenteil passiert. Die dicken Abwasserleitungen die noch vor Weihnachten gut sichtbar über den Sand gelaufen sind und dann in der Tiefe verschwunden, diese Leitungen sind jetzt nur noch als Gehwege knapp erkennbar, fast gänzlich von Sand zugedeckt. Das muss mit dem Südwestmonsun zu tun haben momentan, dem starken Wind der Richtung Küste bläst.
Heute Morgen stelle ich fest, dass im Sand tiefe Gräben ausgeschwemmt wurden. Und merke beim zweiten Blick, dass dies überall dort passiert ist, wo das Regenwasser ins Meer strömt. Letzte Nacht hat es ein paar Mal stark geregnet, da ist wohl viel Wasser abgeflossen, wie kleine Canyons sehen diese Gräben aus. Überhaupt geht es hier dem Winter zu. Am Morgen sehe ich Männer, die sich frierend in ihre Kapuzenshirts hüllen. Ich finde das zwar übertrieben. Am Abend jedoch schliesse auch ich die Fenster auf der Meerseite, der starke Wind bläst mir kalt. Und ziehe zum Schlafen ein T-shirt an.

Mein Kampf mit der Schneckenplage hält an. Jeden Tag, vor allem dann, wenn es kurz geregnet hat, wimmeln hunderte dieser kleinen Schnecken auf dem Boden herum. Keimlinge und Jungpflanzen haben keine überlebt, diese kleinen Dinger raffeln die Haut der Stängel dicht über dem Boden a, aber auch bis einige Zentimeter darunter einfach ab, was zarte Pflanzen unweigerlich zum Absterben bringt. Ich versuche, die Schnecken mit frischer Apfelschale auf einen Teller zu locken, doch diese bevorzugen ganz offensichtlich Lebendiges. Dafür kann ich dann ganze Klüngel von Schnecken einsammeln, die sich unter dem Teller versteckt haben, das ist auch eine gute Methode. Doch das ganze scheint mir hoffnungslos. So beschliesse ich, die Erde, die ich für Jungpflanzen verwenden will, erst zu sterilisieren, fülle sie auf das Kuchenblech und drehe den Ofen während einer halben Stunde auf 200 Grad. Und hoffe, dass das reicht. Man muss sich zu helfen wissen, hier gibt es keine Gartenerde zu kaufen. Wie so vieles, das man dann eben improvisieren muss.

Eben gerade ist es wieder stockfinster geworden. Ein gewaltiger Regenguss geht nieder. Zum Glück habe ich mich vor einer halben Stunde entschlossen, meine Haare in der Sonne im Hof zu waschen. Mit Sonne geht das viel leichter, Haare waschen mit kaltem Wasser ist immer noch etwas, das mich Überwindung kostet. Doch im Hof unten geniesse ich das dann fast. Ganz nackt eine Dusche nehmen, hier sieht niemand herein. Höchstens die Passagiere der kleinen Flugzeuge, die über die Altstadt hinweg fliegen und Touristen bringen. Doch die sind viel zu hoch, um das genauer zu sehen. Das Nacktsein reizt mich überhaupt mehr als in der Schweiz. Wissend, das ringsherum Männer, überhaupt Leute, denn auch die Frauen schauen Stringbekleidete Touristinnen entsetzt an, ganz in der Nähe sind und nichts davon wissen. - Oder in meinen weiten langen Gewändern ohne Unterhosen an den Strand spazieren gehen. Irgendwie hat das seinen Reiz. Meine Rache wohl an diese prüde Gesellschaft.
Ich habe Hunger, wollte eigentlich in den Lukmaan essen gehen, doch bei Regen geht man hier nicht hinaus, da wartet man besser eine Weile.

Freitag, 16. Mai 2008

14. Mai 2008


Wieder ein Jahr älter. Ganz unbemerkt, oder mindestens fast, denn hier werden die Geburtstage nicht gefeiert und in der Schweiz haben auch nicht viele Leute daran gedacht.
Gestern gingen Ali und ich zusammen an den Strand von Mangwapani. Mein erstes Bad im Meer, das Wasser war wunderbar. Essen dann im Restaurant auf einer kleinen Plattform zwischen den Bäumen über dem Strand. Wir sind die einzigen Gäste. Diese traumhafte Bucht rentiert wohl nicht wirklich für das Serena Hotel. Macht sich aber gut, den Gästen des Luxushotels einen solchen Palmenstrand anbieten zu können. Robinson Crusoe. Einzig Fischer laufen manchmal zu ihren Booten und wenn man genau schaut, entdeckt man plötzlich irgendwo Frauen im Gebüsch.
Erstmals eine emotionslose Diskussion über Religion. Ali meint, dass es für einen Muslim Pflicht sei, seine Religion weiter zu geben, zu verkünden. Für das, was dann der andere damit mache, dafür sei er nicht verantwortlich, aber ein richtiger Muslim habe die Verpflichtung die Nachricht zu verbreiten. - Wir verfolgen das Gespräch nicht weiter. Ich frage mich, ob für ihn die Sache nun erledigt sei, da er seine Pflicht getan. Oder ob er mir nur erklären wolle, weshalb er derartig insistiere. Zu einem Ende kommen wir nicht, doch ich habe schon das Gefühl, dass Alis Ansichten sich etwas gemässigt haben. So gefällt ihm meine neuste Kleiderkreation, obwohl die noch etwas von den Oberarmen sichtbar lässt. Auch findet er plötzlich, eine Frau in der Küche des Lukmaan, das wäre vielleicht doch ganz gut. Wo er doch vorher fand, entweder Männer oder Frauen als Angestellte, beides gehe nicht.

Am Montag waren wir in Dar es Salaam einkaufen für das Restaurant. Ich dachte vor allem an den Kühlschrank, die beiden mehr an ihre Warmhaltebehälter. So haben wir schliesslich eine Art Wagen gekauft, „Bain Marie“ getauft, will heissen, die einzelnen Behälter werden von heissem Wasser ringsherum warm gehalten, so wie man dies bei uns häufig bei Buffets in Hotels sieht. An und für sich keine schlechte Idee, acht Behälter an einer Heizquelle, nicht alles einzelne Töpfe.
Die Sache ist teurer, als ich das eigentlich vorgehabt habe, mit dem versprochenen Mietzins investiere ich nochmals 5000.- in den Lukmaan. Mein Vertrag hingegen, in dem ich fordere, dass jetzt immer einer der beiden Partner dort sein muss, auch fordere, dass Energie möglichst sparsam eingesetzt werden soll und endlich ein gutes Zahlungssystem eingeführt wird, mein Vertrag also, der wurde noch nicht unterschrieben. - Immerhin hat sich der Ali Gedanken gemacht über das Zahlungssystem. Seine Idee scheint mir nicht schlecht: An jeden Stuhl soll eine Nummer angeschrieben werden, hinter dem Buffet ein Brett mit Nägeln für all diese Nummern. Dort können dann die Zettel am richtigen Ort aufgespiesst und bei der Bezahlung gesammelt werden. Nur existiert weder dieses Brett, noch hat der Maler die Nummern auf die Stuhlrücken gemalt. – Es geht also schon etwas. Ich bin einfach auch ungeduldig. Und es nervt mich zu merken, dass der Ali sich Beschäftigungen sucht, damit er nicht anfangen muss, mit dem geordneten Zeitplan im Lukmaan. So hat er zum Beispiel heute den Maler hierher kommen lassen, damit er die Decke mit den Wasserschäden ausbessert und den Hof streicht. Ich finde, der Hof sei nicht wirklich notwendig, aber okay, unser fundi macht das gut und billig, die 15 Franken Lohn dafür gönne ich ihm gerne.

11. Mai 2008



Bei meiner Morgenbegrüssung der nun doch bereits recht zahlreichen Pflanzen im Hof, stelle ich im grossen gemauerten Becken, in dem die Passionsfrucht wächst und bereits den ganzen Hof überwuchert und Früchte gibt, fest, dass ein paar Bohnen, die Ali einmal hineingeworfen hat, nun gekeimt sind. Daneben nutzen wir den Ort um Küchenabfälle zu Kompostieren und damit die Erde zu verbessern. Neben den Bohnenkeimlingen bemerke ich eine ganze Ansammlung winzig kleiner Schnecken, mit zugespitzten Häuschen, wie wir dies von den Wasserschnecken kennen. Hier scheint es aber die normale Schneckenform zu sein, man trifft da auch riesige Exemplare an. Erfreut sehe ich also diese winzigen Schnecklein und denke, dass die wohl als Abfallverwerter festgestellt haben, dass es hier immer viele Frucht- und Gemüseabfälle hat. Bis ich genauer hinschaue und bemerke, dass der ganze Schneckenklumpen am dicksaftigen Stängel der frisch gekeimten Bohne frisst. Als ich ihn berühre, bemerke ich, dass er bereits gänzlich durchgenagt und schlaff ist, sich einfach aufheben lässt. Ähnliches habe ich bisher in der Schweiz nur von sogenannten Eulen, dunkel gefärbten Engerlingen gesehen. Als ich begriffen habe, dass diese süssen Schnecklein nicht am Abfall interessiert sind, sondern an meinen Pflanzen, werde ich wütend, suche nach einem Suppenlöffel in der Küche und beginne die Tiere in einen Becher einzusammeln. Hunderte sind es bereits, bemerke ich, teils noch winzig klein aber doch bereits gefrässig. Und überall dort, wo die fetten Bohnen keimen. Die übrigen Unkrautkeimlinge scheinen sie wenig zu interessieren. Hingegen auch meine Zierpflanzenstecklinge, die ich neu in den Boden gebracht habe, werden attackiert. Der grösste Teil ist bereits welk, die Stängel durchgefressen. Eine verschwenderische Art der Nahrungsgewinnung finde ich, die welken Schösslinge nämlich interessieren dann nicht mehr. Wie verrückt sammle ich nun diese Winzlinge ein, überbrühe sie im Becher mit siedendem Wasser und habe doch etwas ein schlechtes Gewissen dabei. Aber genug Wut auch. Später schaue ich wieder bei dem nun aufgelockerten Boden nach und sehe nun Schnecklein, die sich aus dem Boden wieder an die Oberfläche kämpfen. So sind sie besonders gut sichtbar, mit ausgebreiteten Fühlern. Eine neue Sammelaktion beginnt. Komme ich wohl heute noch dazu etwas anderes zu machen, als meine zarten Jungpflänzlein zu verteidigen?

Im kleinen Raum hinter der Küche, wo die Abwaschmaschine steht, ist wieder der kleine Plastikdeckel über dem Ablauf abgehoben. Ich habe mich oft gefragt, weshalb wohl der Ali manchmal diesen Ablauf öffne. Bis er mir erklärt, dass nicht er dies tue, sondern die Mäuse. Die kämen dort aus der Kanalisation herauf, denn der Deckel sei leicht und deshalb einfach zu öffnen. Da müsse ich ein Becken darauf stellen. Ist wohl wahr, so wie das aussieht. Zum Glück habe ich keine Angst vor Mäusen. Obwohl: Das was Laila, unser Kater manchmal nach Hause brachte, war schon recht eindrücklich. Schon eher Ratten.

Ali ist momentan sehr häufig im Lukmaan. Und beobachtet vieles, denn wir versuchen ja immer noch heraus zu finden, weshalb hier kein Verdienst. Denn das Restaurant hat einen guten Ruf jetzt, das beweist bereits das „Mama Lukmaan“, mit dem ich häufig auf der Strasse begrüsst werde, man kennt das Lokal. Auch der Zak berichtet mir, dass das Restaurant nun gut laufe, das fänden alle Leute. Für ihn sei es zwar etwas teuer, eine Schale Bohnen für 60 Rappen, dafür aber gut. - Ali also berichtet mir, dass das doch zu weit gehe. Die ganze Verwandtschaft vom Othman komme nun gratis im Restaurant essen. Die jungen Männer aus den Vororten extra am Abend mit dem Auto in die Stadt um im Lukmaan Biriani, die Leibspeise der Leute hier und auch das teuerste Gericht, zu holen. Da müsse man eingreifen. Obwohl das natürlich nicht einfach sein werde, ohne die Leute zu beleidigen.

Sansibar, den 10. Mai 2008


Es gibt auch Gutes zu vermelden. Das Lavabo in der Küche, das ich bei meinem letzten Aufenthalt sicherlich zehnmal auseinander genommen habe, besser zusammengesteckt und isoliert, das sich aber dadurch nicht erweichen liess und einfach weiter tropfte, also dieser Ablauf rinnt plötzlich nicht mehr. Keine Ahnung warum aber freuen tut es mich natürlich. Auch die Ameisen in der Küche, die vorher die kleinste Brotkrume, selbst noch mir gänzlich unsichtbare Zuckerkristalle aufgefunden haben, scheinen ob der langen brotlosen Zeit ausgewandert zu sein - vielleicht nach Europa - bisher habe ich keine einzige angetroffen. Inshalla, so Gott es will, sind diese Probleme nun definitiv gelöst.

Auch das feucht-warme Klima hier hat durchaus positive Auswirkungen. Daneben, dass es Algen und Pilze an den Hauswänden wunderbar spriessen lässt, ist es auch sehr wohltuend für meine Haut, die kaum mehr fettende Cremes braucht und die Haare, die ganz von selbst immer lockig fallen. Wobei hier vielleicht auch die salzige Luft das ihre tut. Sie allerdings nicht nur im positiven Sinne. Viele Küchengeräte aus Metall sind während meiner Abwesenheit verrostet.

Gestern Morgen erstmals seit meiner Ankunft ein Platzregen. Kurz und heftig. Plötzlich wird es tiefschwarz, das Trommeln der dicken Tropfen erstickt alle übrigen Geräusche. Seither hat es noch drei Mal kurz und wie aus Kübeln gegossen, doch dann kommt die Sonne rasch wieder und lässt die Landschaft dampfen. Ich habe dabei nirgendwo im Haus Wasser durch die Decke dringen sehen, die Dächer scheinen also noch dicht zu sein. Wobei der Regen diesmal auch schnurgerade, vollkommen ohne Wind heruntertropft, was das Risiko von Wasserschäden verringert.

„Mama Lukmaan“ werde ich häufig gerufen. Überhaupt werde ich oft begrüsst, gefragt, wie es in Ulaya, in Europa gewesen sei. Meist in Swahili angesprochen, für einfache Konversationen reicht das nun. Nicht immer weiss ich allerdings genau, um wen es sich handelt, mit dem ich spreche. Das ist aber nicht weiter peinlich, denn die Namen kommen in den Begrüssungsformeln nicht vor, ich kann mir da keine Blösse geben. Auch sind diese Rituale derartig formell, dass es mir einfach fällt, mein Nichtwissen zu verbergen. Unakumbuka, erinnerst du dich? Bei meiner Ankunft am Flughafen vor einer Woche – es war genau die Zeit des Freitagsgebetes, meine Chauffeure waren nicht abkömmlich - wurde ich am Taxistand sofort in Swahili angesprochen. Offensichtlich kannte man mich auch da. Und der Preis von 12 Franken ist wohl der Preis, mit dem man heute rechnen muss. Das letzte Mal waren es noch 10 Franken, aber die Teuerung hier ist ja rasend und in Dar es Salaam habe ich auch 2 Franken mehr bezahlt als das letzte Mal.
Gestern Abend betrachte ich den Sonnenuntergang vom Garten vor dem Africa House aus. Drei junge Frauen, in Mänteln zwar, doch sind sie nicht weit, sondern körperbetont geschnitten, nicht bodenlang, sondern nur bis unter die Knie und auch nicht nur schwarz, einer ist braun, fallen mir auf. Unter den Mänteln werden Jeans getragen und sogar die Kopftücher wirken irgendwie koketter. Die drei Frauen also kommen alleine in die Gärten und setzen sich nahe der Quaimauern, dort wo die Jungen daran sind ins Wasser zu springen, es ist Flut jetzt, ins Gras. Ihre helle Haut, aber schwarzen Augen und Hackennasen verraten mir, das es sich um Frauen aus den vereinigten Emiraten handeln muss. Ich bin etwas erstaunt ob ihrem selbstbewussten Benehmen. Ohne männliche Begleitung so nahe bei den halbnackten tropfnassen Männern, die ihre Kunststücke vorführen, sitzend, das erstaunt mich etwas. Ich beschliesse, dem Grüppchen zu folgen, ich vermute, das müssen Gäste des fünfstern Hotels Serena Inn sein. Reiche Omanis auf Besuch bei ihren Vorfahren. Ich muss sehr lange warten bis sie sich erheben, es ist schon fast ganz dunkel, die meisten Besucher der Anlage sind bereits nach Hause gegangen. Meine Verfolgungsjagd ist dann sehr kurz, direkt hinter den Gärten gehen sie die steile Wendeltreppe zur Bar des Africa House hinauf. Ich bin darüber sehr erstaunt, folge ihnen jedoch nicht weiter, denn die Versuchung ein Bier hier zu trinken - das gehört an diesem Ort einfach dazu, oder einen Gin Tonic - die wäre einfach zu gross. Ich will mir das noch etwas aufsparen. Ob wohl oben in der Bar die Familie gewartet hat? - Auch in den arabischen Ländern scheint sich die junge Generation der Frauen zu emanzipieren. Selbst bei den hiesigen jungen Frauen fällt mir auf, dass viele nun enger geschnittene, nicht mehr schlabberig-weite Mäntel tragen.

Alles im Fluss, Veränderungen überall. Sichtbar hier vor allem auch in dem Öffnen und Schliessen von neuen Restaurants und Läden. Zwei neue Lokale sehe ich im Shangani Quartier, beide scheinen nicht eben gut zu laufen. Wobei nun auch nicht Touristensaison ist. Das Livingstone, das Restaurant mit der lauschigen Terrasse gerade am Meer, es gehörte einer Tochter oder einem Sohn des Präsidenten, wurde erst vor einem Jahr eröffnet und ist bereits wieder geschlossen, die ganze Einrichtung wurde ausgeräumt. Dabei war das doch sehr teuer und auch recht geschmackvoll gemacht. Existiert nicht mehr. Und heute Morgen stelle ich fest, dass dort bereits an einer neuen Einrichtung herum gebastelt wird. - Was mich zum Lukmaan führt. Dort hat es eigentlich immer Gäste, mehr als jemals zuvor, gerade auch viele weisse Tramper. Ob er nun doch in irgend einer Neuausgabe eines Traveller Books aufgeführt ist? Und jetzt, da Ali dafür gesorgt hat, dass geputzt und frisch gestrichen wurde, sieht doch alles wieder ganz gut aus. Verglichen also mit anderen Restaurants, die ich meist leer oder fast leer antreffe, verstehe ich einfach nicht, weshalb der Lukmaan keine Einkünfte bringt. Der müsste das einfach, welches Lokal sonst sollte es dann.

7. Mai 2008



Heute Morgen bin ich zu spät, stelle fest, dass das Meer bereits viel zu hoch gestiegen ist, an den fast überall maroden Quaimauern leckt, vor dem Serena Hotel an die vorgelagerten Felsblöcke, da gibt es kein Durchkommen mehr. Schade. Ich habe den Gezeitengang hier immer noch überhaupt nicht begriffen, gestern war ich doch eine halbe Stunde später draussen, um sieben, und da war bis am Ende des Spazierganges kein Risiko, dass das Wasser zu hoch steigen könnte. – Noch etwas ist anders: Waren bis jetzt des Morgens häufig etwas Wolken und vor allem der starke und kühlende Südwind, der kusi, der das Meer aufwühlte, so ist das Wasser heute spiegelglatt, blauer Himmel, Sonne bereits, das sehe ich an den Booten weit draussen im Meer, hier ist es noch zu früh. So bringt es auch nichts, die Haustüre offen stehen zu lassen, damit der Wind durch den Hof streichen kann, es bleibt schwül. – Obwohl ich nicht klagen will. Im allgemeinen ist das Klima perfekt, wobei man auch jetzt die volle Sonne meidet. Selbst meine Pflanzen, mindestens ein Teil von ihnen, wohl die, die normalerweise im Urwald unter Bäumen wachsen, kriegen einen Sonnenbrand, weshalb ich im Moment fleissig daran bin, Pflanzen zu zügeln, denn nun wird wieder die Südseite des Hofes beschienen, die Sonne steht im Winter hier im Norden.
Und nehme mir vor, die Sache mit den Gezeiten dringend einmal nachzuschlagen. Die Leute in den Tauchclubs haben sicher Zeittabellen. Damit ich meine Spaziergänge besser planen kann. Obwohl ich gestern festgestellt habe, dass eigentlich auch ohne die Forodhani Gardens einige Orte besucht werden können, an denen sich der immer spektakuläre Sonnenuntergang beobachten lässt. Gestern bin ich über den Markt in den Hafen gelaufen und von dort zurück Richtung Altstadt. Auf dem Weg dann im Mercuries eingekehrt, die Aussicht ist auch hier perfekt, eigentlich müsste man immer eine Kamera bei sich haben, dauernd filmen, aber wer will das alles, und hat Zeit dazu, jemals sehen. Doch in meinem Gehirn werden sie sicherlich eingebrannt bleiben diese Bilder, so häufig habe ich hier zugeschaut, nichts eilt mehr, einfach da sein, staunen. Oder auch skizzieren. Im Moment kommen vor allem Leute ins Bild. Das ist natürlich schwierig, denn die wissen nicht, dass sie Model sind und laufen dann meist im dümmsten Moment einfach weg. Zum Glück weiss ich so langsam, wie Menschen aussehen, kann sie in meiner Erinnerung fertig zeichnen. Helfen tut ebenfalls, dass es bis zum Schluss der Skizze meist schon fast finster ist, so wird das ganze Bild laufend dunkler, Fehler können besser korrigiert werden. Mir gefallen diese dunklen Malereien, besser Filzstiftskizzen, das leere Blatt wird Kontrast, da muss man aufpassen, dass nicht gleich alles ausgefüllt wird. Nur habe ich etwas Bedenken, dass meine Stifte nicht lange ausreichen werden und ein Nachschub hier schwierig zu finden. Auch Oelkreiden habe ich dummerweise keine hier gelassen. Ich werde irgendeinmal auf Gouache umsteigen müssen, stelle ich fest.
Zwischen dem Mercuries und den Forodhani Gardens sitzen die Leute auf den Quaimauern an der Strasse. Die wissen sich zu behelfen, wenn die Gärten am Meer geschlossen sind. Mir ist das zu unbequem, mir werden nur die paar Touristenrestaurants mit Meerblick bleiben. So wird mein Leben hier teurer. Statt einen wundervollen Kokosnussaft für 30 Rappen, bezahle ich nun 1 bis 2 Franken für eine Cola oder sonst etwas. Und komme natürlich in Versuchung, Bier oder einen Sundowner zu bestellen, aber bisher ist das noch gut gegangen. Erstaunlicherweise.

Othman und Ali wollen einen neuen Anlauf nehmen mit dem Lukmaan. Othman hat festgestellt, dass die Leitung des Restaurant ihn ganz alleine überfordert, es wurde beschlossen, dass wieder beide mitmachen sollen. Das sei die einzige Chance, denn sonst müsse man schliessen und das ganze investierte Geld sei verloren, denn was bekommt man schon für gebrauchtes Mobiliar? Das wollen beide nicht. Und ich versuche nun, zu verhindern, dass nicht wieder die gleichen Fehler passieren, dass beide überall dreinreden. Ich möchte, dass sie die Verantwortungen klar aufteilen, etwa Othman Küche und Einkauf, Ali Gaststube, Hygiene und Dekoration. Aber das ist alles so schwierig in diese Schädel zu bringen. Beide wollen nun die gemeinsamen Probleme beim ersten Versuch vergessen haben, obwohl mir da der Ali dauernd klagen gekommen ist. Wenigstens eine Zeittabelle aufstellen, wer wann dort sein soll, das müsste man.
Ich bin bereit, nochmals den Mietzins zu bezahlen bis an Weihnachten und einen neuen Kühlschrank, denn die Occasionsruinen sind ausgestiegen, den Glaceeisschrank haben sie verkauft um davon die Reparaturen der übrigen zu bezahlen. Nur hat das wenig genützt, schon wieder ist alles kaputt. Ich finde, das Reparieren da nichts mehr bringt, besser ein neuer Kühlschrank. Auch einer, der weniger Energie braucht, denn hier haben sich die Elektrizitätskosten verdoppelt, das werden sie mit all ihren Gerätschaften zu spüren bekommen.

Othman bringt ebenfalls aufs Tapet, dass man besser wieder mit Kohle kochen solle, das Gas sei zu teuer. Dass auch die Kohle vorher nicht günstig war, das hat er vergessen. Dass dadurch die ganze Küche und auch die Gaststube von Rauch durchzogen, die Hitze manchmal unerträglich, die Gäste sich beklagt haben und es für das Küchenpersonal in dem kleinen Raum schlichtwegs die Hölle war, auch daran will er sich nicht mehr erinnern. Da bin ich kategorisch dagegen. Schon nur, weil ich kein Holz verbrennen will. Gerade hier in Afrika, wo die Bäume völlig planlos einfach abgesabelt werden wenn Bedarf.
Jetzt habe ich auch im Sinne, mitzureden, mag nicht nur zuschauen. Obwohl ich natürlich Angst habe, dann plötzlich viel zu stark mit in diesem Geschäft zu stecken. Momentan wird fleissig geputzt, etwas gestrichen, die Angestellten haben einheitliche weisse Hemden gekriegt, man spürt den neuen Wind. Das war auch notwendig, das ganze sah etwas vernachlässigt aus, das fanden auch manche Gäste. Obwohl ich doch erstaunt bin, wie viele hier sesshafte Weisse immer noch – und seit langem – treue Kunden sind.

Ich setze eine Art Vertrag auf, was meine Erwartungen von dem Neuanfang sind. Bessere Organisation zwischen den beiden, keine unüberlegten Einkäufe mehr, Geräte die ersetzt werden müssen, sollen möglichst wenig Energie verbrauchen, denn ganz offensichtlich sind die Energiekosten mit mehr als der Hälfte der Ausgaben viel zu hoch. Dass der Einkauf von besseren Sachen hier schwierig ist, merke ich auf einer Einkaufstour mit den beiden durch die Läden wegen Warmhaltepfannen, die möglichst nur mit Isolation arbeiten, keine Energiezufuhr benötigen. Das scheint unmöglich zu sein. Meint doch Othman bereits, dass es hier nicht möglich sei, einen Thermoskrug zu kaufen, in dem der Gewürztee auch wirklich ein paar Stunden warm bleibe. Wir finden Geräte, die mit einer Rechaudkerze oder mit einer Art Brennspritkocher warm gehalten werden, doch will ich erst wissen, wo man denn solche Kerzen kaufen kann und wie viel dieses Sprits man täglich verbrauchen würde und was eine Flasche davon koste. - Der Verkäufer hat keine Ahnung. Auch der im nächsten Laden nicht.
Ich fahnde im Internet nach „Professionellem Küchenmaterial Sansibar Dar es Salaam“ und „Kühlschränke Sansibar Dar es Salaam“. Was ich finde sind die Homepages von Touristenhotels, Ressorts und Restaurants, sonst nichts. Das scheinen die einzigen zu sein, die hier Homepages betreiben. Ich vermute, dass diese Leute ihr gesamtes Material in Europa - Dubai soll auch sehr gut sein - einkaufen und in einem Container hierher schiffen lassen. Wir werden uns mit Afrikanischen Lösungen begnügen müssen.

Mein Computer braucht Strom. Fluchend drücke ich an dem neuen Zwischenstecker herum, den Ali gekauft hat, denn der gehört zu der Marke Peut-êterli, einer extrem verbreiteten Sorte hier. Der funktioniert nur, wenn man lange genug daran herumdrückt. Wir haben doch einen sehr guten Zwischenstecker gehabt. Der sei verschwunden, meint Ali, wahrscheinlich sein in Kanada lebender Freund, der hier auf Besuch war. Ich bin ärgerlich über solchen Diebstahl. Ali findet, das sei nicht wirklich Diebstahl, der habe den einfach gebraucht. Habe halt viele europäische Geräte. Letztes Mal, als ich zurück kam, waren die Gabeln und Löffel weg. Die Messer nicht, denn die Leute brauchen hier beim Essen keine solchen. Verwandte waren einmal zu Besuch. Und den Koffer, in dem ich meine Stoffresten verstaut habe ist auch nicht mehr da. Den habe er jemandem gegeben, der den gebraucht, meint Ali, der Stoff sei jetzt dort im Gestell. Je nun, das war nicht mehr der schönste Koffer, sowieso.

Die Bettler habe ich auch bereits wieder getroffen. Besser sie mich. Gestern in der Gasse die Frau, die mir einmal ein grosses Theater vorspielen kam, sie sei sehr krank, habe Krebs, Schmerzen, verliere viel Blut, müsse dringend ins Spital nach Dar es Salaam. Sie spielte ihre Krankheit mit solchem Geschick, dass ich zwar nicht ganz sicher war, aber trotzdem ein schlechtes Gewissen gehabt hätte, nicht zu helfen. 50 Dollar gab ich ihr damals, das ist hier viel Geld. Und reiste dann mit Babs und Familie nach Pemba. Am übernächsten Tag klopfte sie bereits wieder beim Ali an die Türe und wollte Geld. Der gab natürlich keines mehr. – Nun also treffe ich sie in der Gasse und sie frägt mich, ob ich mich an sie erinnere. Merkwürdigerweise tue ich das, ist es doch im allgemeinen für mich schwierig, die Gesichter der Schwarzen zu unterscheiden. Vor allem, wenn ich jemanden nur einmal gesehen habe. Ich meine, ja, natürlich erinnere ich mich, es sei okay und gehe. Heute Morgen klopft sie an die Türe hier und will wieder ihre story vorbringen, matatizo, Probleme, sie spricht Swahili mit mir. Trotzdem antworte ich ihr nun in Englisch. Sage ihr, was ich von Leuten wie ihr denke, wie enttäuscht ich sei ob ihrer Art, sich Geld zu erschwindeln. Da dürfe man dann nicht erstaunt sein, wenn nicht mehr geholfen werde auch in lebenswichtigen Situationen. - Keine Ahnung, ob sie diesmal begriffen hat. Aber mir hat es gut getan.
Auch den Verrückten treffe ich auf dem Markt. Den Mann, der Ali einmal den Finger in der Türe eingeklemmt hat. Ich bin gerade dabei, den Saft einer Kokosnuss zu trinken, hier mein Lieblingsdrink. Und soll auch sehr gesund sein. Der Verrückte also starrt mich aggressiv an, macht komische Faxen und verlangt Geld. So sicher nicht, meine ich, mit diesem Blick. Als ich fertig getrunken habe bitte ich den Kokosnussmann, mir das Fleisch vorzubereiten. Die Schale mit dem Kokosnussfleisch reiche ich dann dem Verrückten. Wenn er Hunger habe, meine ich. Erstaunlicherweise nimmt der erfreut die Schale und verschwindet.

Ich habe im Sinne, mir heute Abend ein Bier zu genehmigen. Und will dann doch wieder nicht. Bin irgendwie schon stolz darauf, hier alkoholfrei zu leben. In der Schweiz wäre das schwierig. So bestelle ich im Tembo Hotel, meinem heutigen Sonnenuntergangsstandort, eine Cola Light. Natürlich auch zu Touristenpreisen. Ich bin spät dran, beeile mich, die ankernden Boote im Abendlicht zu skizzieren, kein Licht auf dem Tisch und ich habe die Kontaktlinsen an, da sehe ich vor allem in der Dämmerung kaum mehr in die Nähe. Das gibt eine komisch unkontrollierte Malerei. - Ich schaue das eben nochmals ohne Linsen an. Der Motor des Bootes etwas zu klein, die Perspektiven stimmen nicht überall, aber gar nicht so schlecht. Ich habe im Moment ein gutes Selbstvertrauen beim Zeichnen. Das gibt den Sachen Schwung. Kurzes intensives Schaffen also bevor es ganz finster ist. Etwas selbst auferlegter Stress. Das brauche ich wohl hier. Gibt mir das nötige Adrenalin im Blut. Dann schaue ich in der Dämmerung zu, wie zwei Fährboote, eines davon die Aziza II, geladen werden. Diese Murkserei wieder, auch hier ist die Rampe zu steil, ein Lastwagen schafft es einfach nicht, gräbt sich mit den Hinterrädern gänzlich im Sand ein. Der Container Hafen scheint immer noch nicht in Betrieb zu sein, ich habe bisher keine grossen Schiffe im Hafen gesehen. Der Ladekran ist wohl immer noch kaputt, oder der neu gelieferte auf mysteriöse Weise bereits verschwunden. Da ist alles möglich. Deshalb werden die Güter - wie bereits vor Weihnachten - alle auf Lastwagen verladen, die Lastwagen in alte, kleine Fährboote, die direkt am Sandstrand neben dem Tembo Hotel anlegen, die Güter anschliesssend von Dar es Salaam auf die gleiche Weise nach Sansibar gebracht. Jetzt sind die Lastwagen alle leer. Was produziert denn Sansibar heute noch, das man exportieren könnte? Der Warenstrom ist einseitig vom Festland auf die Insel. Ob das aufgeht auf die Dauer?

Nacht nun, Neumond und viele, viele Sterne, auch diese merkwürdigen hellen Nebel dazwischen, die ich in der Schweiz noch nie bemerkt habe. Wunderschön.

5. Mai 2008




Sehnsucht, Gedankenfetzen, Bilder. Wahrgenommen, doch meist verloren, bevor festgehalten. Heute Morgen versuche ich es. Ich fühle mich stark nach dem Morgenspaziergang, die bleierne Schwere, die mich befallen hat nach meiner Ankunft, hat der frische Morgenwind weggeblasen.

Zawadi höre ich unten die zwei Wegfrauen, die allmorgentlich die Gassen wischen, sagen. Anarudi, zawadi. Sie ist zurückgekommen. Und Geschenke wollen sie. Auch der Bugaloo im Lukmaan begrüsst mich so. Ali meint, das sei nur so eine Redensart, wenn jemand von einer Reise zurück komme. Da bin ich mir aber nicht so sicher. Tue heute Morgen trotzdem so, antworte hauptsächlich mit einem herzlichen Lachen, obwohl mir diesmal die Swahili Wörter und Wendungen viel einfacher wieder einfallen. Problemlos bereits mache ich bei den komplizierten Begrüssungsformeln mit. Offensichtlich bleibt die Sprache doch langsam in meinen Gehirnwindungen kleben. Dies mindestens ein gutes Gefühl.
Ali geht nun wieder nach dem Frühgebet ins Restaurant. Das ist schön einerseits. Andererseits muss ich wieder alleine auf meine Morgenspaziergänge gehen. Wobei: ist einfach ein Umgewöhnen. Es wird halt etwas später, halb sieben, sieben Uhr, bis ich es dann schaffe.

Ich zügle mit meinem Computer hinunter in den Durchgang. Ali hat hier eine kleine Empfangshalle inszeniert. Ein Tischchen zu den zwei Ziegenfellstühlen hinzu gekauft, zwei Palmen auf die Innenseite des Eingangs gestellt, das alles sieht schön aus. Trotzdem merke ich, dass es mir da nicht wirklich wohl ist. Trotz dem kühlenden Winterwind, der vom Süden, vom Meer her durch unser Haus streicht. Schade nur, dass im hiesigen Sommer, der wirklich brütend heiss ist, der Wind leider von Norden her weht, durch die Häuser der Stadt abgebremst, ja gehindert wird, bis zu der Hofseite unseres Hauses, vorzudringen. Ich geniesse den frisch gekochten Sansibari Gewürztee und stelle fest, dass weder der niedrige Tisch, noch der zu hohe Fellstuhl, noch der dunkle Durchgang für mich der richtige Ort zum Schreiben sind. Ich werde wieder hinauf zügeln.

Ich bin sowieso am Umrichten. Man muss das behutsam angehen, ich will ja den Ali nicht verletzen. Für denn Empfang war diese Anordnung überraschend und auch schön, doch habe ich bereits gestern die erste Palme aus dem dunklen Durchgang in den Hof gezügelt, die zweite wird bald folgen, das Tischen vermutlich auch. Ein Bebe ist irgendwo furchtbar am Kreischen. Dem Klang der Stimme nach kann das nur wenige Wochen alt sein. - Übrigens stimmt es nicht, dass afrikanische Mütter ihre Kinder nie schreien lassen. Natürlich tun sie das. Viel häufiger sogar als Schweizer Mütter. Anders ist lediglich, dass die Kinder fast immer an irgendeiner Frau angebunden sind oder auf dem Schoss von Geschwistern, manchmal auch Vätern sitzen. Obwohl: Dieses Bild werde ich so rasch nicht vergessen. Als wir Othmans altes Haus anschauen gegangen sind - es war zu verkaufen, nicht schlecht eigentlich, doch fand ich es viel zu teuer, viel hätte geändert werden müssen - da fanden wir die Frauen im Vorraum und dann, in einem der Zimmer eingeschlossen, Othmans Sohn alleine halb nackt auf schmutzigen Lacken liegend, apathisch auch, ein trostloses Bild. Allerdings muss ich sagen, dass der nun wohl zweijährige Sohn unterdessen oft stolz vom Othman in das Restaurant geführt wird und dort bereits recht selbständig ist, gesund aussieht und ohne grosse Fürsorge gut zurecht kommt.

Bereits habe ich wieder Pläne, weiss gar nicht, wo anfangen - und so geht es mir auch wieder gut. Ich habe meinen Sansibari Blues überwunden: Komme ich hier an, dann sehe ich jedes Mal derartig vieles, das gemacht werden müsste, sehe die Leute hier tatenlos dem fortschreitenden Zerfall ihrer Stadt, ihrer Häuser, überhaupt ihrer Umwelt zuschauen, so dumpf irgendwie, dass dies auch mich lähmt und deprimiert.

Wo anfangen? Die WC-Spülung ist kaputt, die Elektrizität in der Küche funktioniert ebenfalls nicht mehr und man müsste einen fundi, einen Handwerker organisieren, der unserer Waschmaschine ein neues Ersatzteil einbauen könnte. Das sieht in der Schweiz vielleicht nach nichts aus, doch hier sind dies alles gewaltige Probleme. Ali, zum Glück, ich wüsste ja nicht wo schauen, organisiert den Elektriker, der bastelt, zu zweit basteln sie einen ganzen Tag lang in der Küche, ich verzweifle, der Schmutz, die sind skrupellos, und die Lösung am Abend ist dann lächerlich. Das hätten wir fast noch selber zustande gebracht. Hässliche Leitungen, irgendwie gezogen. Wenn man das Licht im Hof anzündet, dann muss man es auch im Hof wieder löschen gehen. Wird dieselbe Lampe hingegen in der Küche angezündet, so muss man zurück in die Küche gehen, um sie zu löschen. Je nun, nicht aufregen, es gibt ja wieder Licht, ein neuer Schalter irgendwo, die zwei alten funktionieren jetzt nicht mehr und das Licht im Vorratsraum auch nicht, aber es geht ja, man sieht ja etwas weniges auch mit dem Küchenlicht und der Kühlschrank kühlt immer noch und der Herd heizt und die Waschmaschine wäscht – vielleicht, das habe ich noch nicht ausprobiert, aber mindestens ist Strom drauf und das Bebe kreischt immer noch, was will man da noch mehr?

Der Morgenspaziergang. Im Moment ist am frühen Morgen Ebbe. Angenehmer kühler Wind, die Leute hier finden das schon kalt, viele Wellen, die Fischerboote kämpfen sich vom nächtlichen Fang zurück nach Hause. Ein Boot landet eben an und wird von einer kleinen schwarzen Katze laut miauend begrüsst. Ich verstehe etwas von Maskottchen, dem Tier wird ein kleiner Fisch zugeworfen, den es gierig verschlingt. Hier warten Katzen auf die heimkehrenden Fischer, nicht wie in Belize Pelikane, Möven und Fregattvögel. Schade eigentlich, ich mag das Kreischen dieser Tiere an den Meeresküsten. Hier gibt es kaum Vögel, ich verstehe das nicht. Einzig die vielen Raben und auch Spatzen in der Stadt. Ein anderes Bebe beginnt zu schreien, es hat sicherlich wieder vier neue Kinder in der Strasse, seit meinem letzten Aufenthalt. Im TippuTipp Haus, dem besetzten Haus gegenüber - das heisst zwar hier nicht so, ganz normale Familien die Bewohner, bezahlen einfach keine Miete - leben immer mehr Leute. Zwei schwedische Studentinnen würden momentan die Umnutzung des zerfallenden Gebäudes, das dem Staat gehört, studieren, meint Mohammed. Und: man müsse das Gebäude jetzt retten, in fünf Jahren sei das dann zu spät, der Palast bereits derartig zerfallen, dass man froh sein müsse, wenn der Präsident auch aus diesem noch ein Hotel für seine Tochter, Tante oder Cousine mache. So sei das. Und will trotzdem glauben – der Mohammed meine ich – dass in fünf Jahren wahrscheinlich doch etwas geändert habe. Denn nun werde das Stone Town Conservatory Office neu organisiert. Die Angestellten, die insgesamt alle nichts tun, ausser ab und zu die hohle Hand hinhalten, wenn jemand ein Baugesuch oder Abrissgesuch benötigt, denen würde eine kontrollierende Behörde darüber gestellt. Das werde ändern. – Ich finde das optimistisch, sage aber nichts. Kann mir sehr wohl vorstellen, dass auch diese übergeordnete Behörde einfach da sein wird, um Schmiergeld einzutreiben. Doch man sollte besser hoffen.......

Das Problem mit den ernsthaften Gesprächen hier: Fast unweigerlich kippen sie in Deprimierendes, in Klagen. Darüber, dass in Sansibar – ich denke generell in Afrika – dieses Clandenken herrscht. Grössere Einheiten als die Familie, das ist ihnen zu abstrakt. Das Gefühl, eine Gesellschaft zu sein, eine Nation, das gibt es in Afrika einfach nicht. Man denkt, man sorgt für die Familie, die Sippe, wenn man sich da nicht unbeliebt gemacht hat, dann ist man gut aufgehoben, da kann nichts passieren. Man schaut ja für einander. So schaut beispielsweise der Präsident sehr gut für seine grosse Familie, Arbeit, Häuser, Autos an nichts soll es mangeln. Das macht überhaupt jeder hier so, der in einer günstigen Position ist. Und derjenige, der das nicht ist, würde das natürlich genauso machen, falls er einmal in eine solche Position kommen sollte. Es gelingt ihm deshalb nicht recht, solches Verhalten zu verurteilen, weil es ja umgekehrt auch für ihn gänzlich normal. Natürlich manchmal die Faust im Sack, wenn es ein Beamter allzu toll treibt. Aber trotzdem: Grundsätzlich wird solches Verhalten hier meistens toleriert. – Nun hat dies ja auch einmal funktioniert. Damals, als man in kleinen Dörfern weit entfernt voneinander gelebt hat. Heute ist dem nicht mehr so. Globalisierung, der moderne Staat. Schulen, Spitäler für alle, Strassen auch, einen ausgebauten Hafen und Flughafen. All dies braucht grössere Einheiten als die Familie. Doch dies will sich noch nicht recht festsetzen in den Köpfen hier. Mindestens nicht bei den Leuten, die noch nie in Europa gelebt haben. – Die Rückkehrer sehen das eher. Der Ali, der Mohammed auch. Mein Taxifahrer in Dar es Salaam, einer Stadt die momentan wirklich boomt, sagt mir, neu hier sei, dass nicht nur Inder und Weisse Geschäfte aufmachen würden, neu seien die vielen schwarzen Rückkehrer aus Europa, die hier investieren würden. Und oft auch erfolgreich seien. - Doch eine Hoffnung. Man muss hoffen.

Über den Morgenspaziergang. Ich denke daran, dass die kaputte WC-Spülung noch bis Morgen warten muss, die Wäsche ebenfalls, ich bin nun am Schreiben. Einzig den Vorhang werde ich noch fertig nähen für den Lukmaan. Ali hat mich darum gebeten. Er möchte den an der Küchentüre aufhängen. Damit man nicht mehr so gut hineinsehen könne, das sei dort alles viel zu stark „worn out“. Ich finde, das sei gut. Besser jedoch wäre eine Küche, die punkto Sauberkeit nichts zu wünschen übrig lasse, eine Küche, die gezeigt werden dürfe. Er findet, aber der Boden sei gänzlich kaputt, die Wände, kaum sind es sechs Monate, dass sie neu gestrichen wurden, müssten auch bereits wieder neu gemacht werden, das sehe alles schrecklich aus. Ich muss zugeben, dass eine geplättelte Küche einfacher zu reinigen wäre, frage mich aber gleichzeitig, welcher fundi das hier so machen würde, dass die Kacheln nicht sofort wieder hinunterfallen würden. Genau so wie der neu farbig zementierte Boden sofort voller riesiger wüster Löcher war, keine Ahnung, wie das geschehen konnte. Ausser dass es sich wohl eher um Sand, denn um Zement, gehandelt hat. Vergessen wir es. Der Vorhang wird genäht. Noch heute. Und ich ertappe mich dabei, dass ich auch nicht ganz meine normalen Qualitätsansprüche anwende – obwohl er nicht schlecht aussieht. Man wird nachlässig. Ich stelle mir vor, wie dieser Vorhang innert Kürze fettig verschmutzt sein wird und nach mehrmaligem Waschen sehr bald wohl nur noch ein Lumpen.......

Der Morgenspaziergang. Der war schön.
Ein paar Leute, die ihre Morgengymnastik machen, Im Serena und Tembo Hotel bereits Gäste, die frühstücken. Der security man am Strand davor begrüsst mich. Eine Gruppe Jugendlicher spielt auf dem Strandstreifen vor dem Starehe bereits Fussball, die Sonne geht eben erst auf. Ich sehe ein neues Fährschiff, das beladen wird, Sahara II heisst es, noch nie gesehen und kleiner als alle mir bisher bekannten. Mehr als 6 Autos wird das kaum laden können. Ich bleibe stehen, und schaue dem Verlad zu. Die Rampe des Schiffes ist viel zu steil, zwar können die Autos diese mit Mühe erklimmen, doch oben, beim Übergang zum Schiffsboden ist der Buckel derartig steil und hoch, dass selbst der Offroader daran aufschlägt. Das nächste Auto, dessen Besitzer dem Treiben zugeschaut hat, ist ein Kleinwagen mit kurzen Beinen. Er hätte es wissen müssen. Murkst aber seinen Wagen dann trotzdem mit Ach und Krach auf das Boot, der Boden schlägt der ganzen Länge nach auf. Vielleicht ist der Öltank dabei kaputt gegangen, vielleicht auch sonst was abgerissen, wen kümmert das jetzt, da wird frühstens in Dar es Salaam darüber gebrütet, wenn der Motor nicht mehr recht will.
Ich schaue zu. Zuschauer also wieder, das ist ein guter Anfang. Meine Lebensgeister werden zurückkommen, ich fühle es. Man darf einfach nicht zuviel denken hier, das stimmt schon: Die Weissen denken zuviel. - Und trotzdem: Ich bin nun mal so. Finde das auch nicht nur schlecht, habe Mühe mit all dieser Nachlässigkeit, all dieser Gleichgültigkeit. Und Ali bringt mir eine Flasche Wasser, meint auf meine Frage, wie es gehe im Lukmaan, es gehe gut, „Zanzibari way“ eben und lacht. Ich bin froh, dass er sich nun entschlossen hat, auch wieder mit zu helfen beim Lukmaan. Beunruhigen tut mich, dass der Othman seine Energie verloren zu haben scheint. Wir wollen heute zu dritt über die Zukunft des Restaurants sprechen. Sie erwarten sicherlich auch, dass ich bei den dringend notwendigen Investitionen, kaum ein Kühlschrank funktioniert mehr, auch die Warmhaltepfannen die meisten kaputt, vieles muss ersetzt werden, alles ist hier so vergänglich, mithelfe. Dazu bin ich bereit. Doch diesmal möchte ich mehr mitbestimmen. Vor allem gute Angestellte braucht es. Einen neuen Koch. Seit zwei Monaten haben sie nur Hilfsköche. Die sind zwar ehrlich, aber unfähig, kein einziges Gericht schmeckt zweimal gleich. – Die bisherigen Köche scheinen alles grosse Diebe und Betrüger gewesen zu sein. Die waren halt auch an der Quelle.

„Pengine kesho“, vielleicht Morgen, das Swahili kommt jetzt wieder recht flüssig. Wörter fehlen mir schon noch, doch immerhin weiss ich nun, dass ich sie einmal gekannt habe und wenn sie dann jemand sagt, dann ist es ein Aha-Erlebnis. - Nicht so mit dem Gurt gestern. Ich brauche einen Gurt. In einem Touristenshop frage ich danach. Nein, leider hätten sie keine. Aber vielleicht das Wort auf Swahili? Ich verstehe so etwas wie Kondom. Mindestens versteht die Frau im einheimischen Laden nebenan Kondom bei dem, was ich ausspreche. Bleibt aber erstaunlich gelassen. Weder geniert noch empört oder verlegen lächelnd meint sie: nein, Kondome habe sie keine. Irgendwie schaffen wir es dann doch noch, uns zu verständigen.
Superpower unten in der Gasse scheint Opfer gefunden zu haben, ich höre ihn referieren. Er hat Glück, im Moment sind nur sehr wenige Touristen hier, die Stadt wirkt etwas ausgestorben. Und die Einheimischen wie Moskitos, stürzen sich auf die wenigen Mzungus, alle wollen etwas. Alle brauchen etwas, klagen, die Regenzeit, wenige Touristen im Land, diese Zeit insbesondere, da haben alle kein Geld. Auch Mody fragt mich um Hilfe und dass ich den Zak darauf ansprechen könnte, dass er mir die 100 Dollar, die ich ihm als Geschäftskapital ausgeliehen habe, zurück zahlen könnte, daran wage ich jetzt gar nicht zu denken.

Bruchstücke. Eigentlich wollte ich vom Einkaufen sprechen. Vor dem Mittag habe ich den genähten Vorhang in den Lukmaan gebracht und den Ali gebeten, mich nach Mlandege zu fahren. Mit der Lampe, deren Schalter nicht funktioniert. Im Elektro-und-sonst-noch-vieles-Laden, in den ich normalerweise gehe, ist nur der Besitzer anwesend. Er kann mir nicht weiter helfen, das waren immer seine Angestellten, die Stecker und Schalter montiert haben. So verweist er mich zu einem nächsten Laden. Auch dort kann mein Problem nicht gelöst werden, auch hier werden nur die merkwürdigen Einwegschalter angeboten im Moment, die eigentlich zu kaum etwas nütze sind. Wahrscheinlich ist eine ganze Ladung chinesischer Billig-Elektro-Schrott gekommen und niemand hat da so genau geschaut, wozu diese Schalter zu gebrauchen, bevor sie eingekauft wurden. Doch auch in diesem Laden werde ich freundlich an einen weiteren verwiesen. Einen Inder. Und da funktioniert es. Ich bin zwar dann mindestens eine halbe Stunde dort bis alles erledigt ist, doch immerhin. Kompetent wird mir erklärt, wie genau ich den bereits vorhandenen Schalter montieren soll, ja, das wird gar für mich erledigt, bzw. mir erklärt, dass ich das schon richtig gemacht habe, doch vielleicht sei ja auch die Birne......Man geht eine Steckdose suchen, eine neue Glühbirne, und wirklich, jetzt glüht sie, die Birne. Also nur das, ich fühle mich etwas stupid. Allerdings braucht all dies seine Zeit, denn der Inder, bzw. einer der Inder, da ist eine ganze Sippe, Vater, Söhne, Cousins, Frauen, Kinder im Laden, also „der Inder“ muss jedes Mal zum Nachbarn hinüber gehen, denn Glühbirnen hat er selber keine, aber kein Problem, da organisiert man sich. Am Schluss frägt er mich, ob ich schon lange hier wohne, er habe mich noch nie gesehen, ich antworte, noch nicht so lange und stelle fest, dass dies wohl der Shop der sesshaften Mzungus ist, zwei weitere Weisse, Rat und Material holend und offensichtlich mit dem Ort bestens vertraut, kommen in der Zeit vorbei. Kann man weiterempfehlen, das ist wahr. Auch der Preis: 1 Franken für zwei neue Glühbirnen, die Beratung und Montage des Schalters gratis und als ich zu Hause ankomme, stelle ich fest, dass es drei Glühbirnen gewesen sind, denn auch in der Lampe steckt jetzt eine bestens funktionierende. Eh voila, ein guter Morgen also. Wobei ich sagen muss, dass es eine ganze Reihe guter Indischer Läden gibt. Vor allem auch im Computer- und Telefonsektor. Die wissen ebenso viel, wie die Händler in der Schweiz. Ich gehe dann durch die lange Darajani-Marktstrasse Richtung Lukmaan, ich möchte noch Stoff für ein paar Hosen kaufen. Und finde ein Stück, das mit witzigen Elefanten bedruckt ist. Mal schauen, was es daraus gibt.