Montag, 11. Mai 2015

Sansibar, den 5.Mai 2015




Auch der folgende Tag war ein wahrhafter Regentag. Praktisch ununterbrochen Regen und um den Mittag herum dann ein Wahnsinnsguss. Ich fühle mich wie ein Fisch an Land, schnappe nach Luft, eine dumpfe Angst nicht mehr atmen zu können. Auch diesmal zeigen sich Undichtigkeiten, die Wassertropfen springen durch die Lamellen der Fensterläden schräg hinauf, diese Wucht, so etwas habe ich noch nie gesehen, meine neue Möblierung im Teahouse oben wird nass, die Nähmaschine bringe ich gerade noch rechtzeitig ans Trockene. Auch entlang des Firstes tropft es hinunter. Nach zwanzig Minuten ist der Spuk vorbei, nach zwei Tagen überhaupt alles, gestern war ein recht heisser Sonnentag. Fazit: Die Dächer sind an verschiedenen Stellen bei Extremregen nicht dicht. Wirkliche Schäden hat es nicht gegeben, mindestens nicht sichtbare, die Dielen aus Kokospalmenholz scheinen sich zu bewähren. Die normalen billigen gestrichenen Sperrholdecken hatten immer sofort Wasserflecken.

Brandgefährlich sei das, meint Muhammad, diese neue Religiosität. Wie ich hat auch er bemerkt, dass sich zwar die Lebensformen hier geändert haben, die Frauen insbesondere viel freier geworden sind, Wir amüsieren uns darüber, dass am Anfang im Lukmaan für die Frauen ein Extraraum hinter einem Vorhang vorhanden war, damit sie ungestört essen konnten. Über solches werden heutige junge Sansibarifrauen nur noch lachen. Sah man vor zehn Jahren noch keine Pärchen alleine, da war immer mindestens ein Bruder mit dabei, so sieht man nun des Abend überall junge Pärchen nebeneinander sitzen, das ist völlig normal, die flirten ähnlich wie bei uns. – Umgekehrt aber diese neue Frömmigkeit. Die ich eher als Trotzreaktion sehe, man fühlt sich von uns in die Ecke gedrängt. Muhammad hingegen, der mir früher oft Bücher von islamischen Denkern ausgeliehen hat, er kam nach langen Jahren in Frankreich als gläubiger und reflektierender Muslim zurück, widerspricht. Ihm ist das äusserst unheimlich. So fange es an. Man kultiviere den Unterschied. Später schüre man den Hass an Andersgläubigen und schon bald sei die Katastrophe da.
Muhammad meint, er sei nur noch hier in Sansibar, wegen seiner Arbeit als Direktor des Ministeriums für Entwicklung. Sonst halte ihn nichts auf der Insel. Eben ist er nach Caracas abgereist an ein Symposium. Anschliessend wird er kurz in Europa Konferenzen besuchen. Ein hastiges Leben. Er erzählt mir, dass ein guter Freund, in seinem Alter, also gut zehn Jahre jünger als ich, eben im Tibet an einem Herzinfarkt gestorben sei. Natürlich beschäftigt ihn das.

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