Sonntag, 3. Mai 2015

Sansibar, den 27. April 2015







Moddy sagt mir, dass er nun auch aufstehe für das Frühgebet. Und seine Kinder frühmorgens vor der Schule in die Koranschule bringe. Überhaupt habe ich das Gefühl, dass mehr Männer hier ihre täglichen fünf Gebete verrichten als noch vor zehn Jahren, die Moscheen sind voll. – Ich nehme das nicht als alarmierendes Zeichen oder Zeichen des Fundamentalismus. Davon spüre ich kaum etwas. Aber diese Rückkehr zum eigenen islamischen Weg, wie dies Pankaj Mishra in seinem wichtigen Buch „Aus den Ruinen des Empires“ beschreibt, das glaube ich schon zu spüren.

Dank diesem Buch erfahre ich von einer Sicht auf „den Westen“, wie sie die asiatische Welt schon lange hat. Die wirtschaftliche und militärische Vorherrschaft des Westens hat in der übrigen Welt die auf Handwerk beruhenden vorindustriellen Kulturen mit billigen Industrieprodukten kaputt gemacht. Falls die Länder ihre Grenzen nicht freiwillig für westliche Güter öffnen wollten, wurden sie dazu gezwungen. Oder militärisch besiegt. Wie die Chinesen, die ihre Grenzen für den lukrativen Opiumhandel nicht öffnen wollten.
Anfangs war in der übrigen Welt - nicht nur in der Islamischen, in der ganzen asiatischen Welt - unter den Intellektuellen eine Faszination für die neue westliche Art zu leben vorhanden. Man wollte auch zu diesem modernen Lebensstil finden. Freiheit wurde verkündet und die Unantastbarkeit der Landesgrenzen. Dass dies jedoch nur für die westlichen Staaten gelten sollte und dass die in ihren Einwanderungsgesetzen auch überaus rassistisch waren, das haben die Leute erst später bemerkt. Und ihre Konsequenzen daraus gezogen. Man realisierte, das dieser Weg nicht der einzige war, das Wasser gepredigt und Wein getrunken wurde und das Spirituelle ob all dem Materiellen gänzlich verloren ging. Und damit die Moral.
Der Chinese Yan Fu, der anfangs auch von den Neuerungen des Westens begeistert war wird zitiert: „Mit zunehmendem Alter (....) gelangte ich zu der Auffassung, dass der westliche Fortschritt in den letzten 300 Jahren nur zu Egoismus, Gemetzel, Verderbnis und Schamlosigkeit geführt hat.“ Auch der westliche Philosoph Bertrand Russel erklärte: „Der charakteristische Vorzug unserer Zivilisation ist die wissenschaftliche Methode. Der charakteristische Vorzug der chinesischen ist eine richtige Vorstellung von den Zielen des Lebens.“ Hoffen wir, dass die – gerade in China, mit zunehmendem Wohlstand – nicht auch verloren gehen.
Das erinnert mich daran, dass wir uns heute häufig bei den Chinesen beklagen, ihre Währung sei zu tief, unsere westliche Wirtschaft werde mit Billigprodukten aus Asien überschwemmt. - Das haben wir doch eben mit anderen Vorzeichen gehört. Hoffen wir, dass die Asiaten mit uns gnädiger sein werden.

Übrigens wird natürlich auch Afrika von chinesischen Produkten überflutet. Und auch hier wird jetzt manches Handwerk zerstört.
Agba, die Frau vom neuen Lukmaan besitzt auch ein Geschäft mit Frauenkleidern. Sie ist eben für ihren Einkauf nach China gereist. Früher sei sie immer nach Dubai gegangen. Aber jetzt würde man ja auch in Dubai nur noch Sachen aus Asien finden, da gehe man besser direkt dort einkaufen. Auf meine Frage, ob denn diese westliche Frauenkleidung hier überhaupt gefalle, meint sie, natürlich, an Hochzeiten (der reicheren Leute), da werde auch solche Kleidung getragen. Und hebt ihren schwarzen Mantel hoch und zeigt mir ihre westliche Kleidung darunter. Der Schein wird gewahrt.

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