Freitag, 16. Dezember 2011

6.Dezember 2011




Ich weiss nicht, ob Mücken intelligent sind oder nicht, doch stechen sie ganz bestimmt mit System. Am liebsten unten bei den Füssen, häufig dicht oberhalb der Fusssohle. Wissen sie, dass sie dort weit weg von der Abwehr und geschützt sind? Ich mindestens, sehe eine Mücke aus dieser Distanz ohne Brille nicht mehr. Und fühle ihren Stich auch kaum im Moment. Schlägt der Ali am Abend wild herum und beklagt sich über Mücken, dann merke ich dies erst am nächsten Morgen an der Anzahl der Stiche. - Unterdessen habe ich das mit der Abwehr übrigens bereits wieder aufgegeben. Das ist wie mit den Ameisen: Man muss mit ihnen leben.

Gestern ist unsere neue Waschmaschine geliefert worden. „Westpoint“ die Marke, Energiezertifikat A, darauf habe ich gepocht, wenn wir schon eine fabrikneue Maschine kaufen. Doch ob dieses Zertifikat echt ist und nicht gefälscht? - Weshalb glaube ich hier weniger daran als in der Schweiz? Auch dort ist es ja nur ein beschriebenes Stück Papier.
Eine neue Maschine nun doch, weil das Schiff mit den Occasionsmaschinen immer noch nicht angekommen ist und ich ja auch noch etwas von der neuen Maschine profitieren möchte. Allerdings startet sie dann auch nicht, als wir sie in Betrieb nehmen wollen. Ein Angestellter der Firma Muzamil, bei der wir das Gerät gekauft haben, kommt vorbei. Er stellt rasch fest, dass es nicht an der Maschine, sondern an der Steckdose liegt, die gestern ein Fundi installiert hat. Die beiden Drähte verwechselt. Und so etwas nennt sich Elektriker. Inzwischen haben wir eine supergut waschende Maschine. Hoffentlich widersteht sie dem Zerfallsstreben Afrikas für eine Weile.
Obwohl es durchaus Sachen gibt, die hier erstaunlich lange überleben. Beispielsweise die Küchentücher, die ich aus der Schweiz mitgebracht habe, da die hiesige Qualität lausig ist. Da hat es uralte, die immer noch zu gebrauchen sind. Trotz intensiver Nutzung in der Restaurantküche. Oder die Unterhosen von Coop Naturaline, die ich Ali immer mitbringe, weil hier alles aus synthetischen Materialien ist. Auch für sie könnte man mit Afrikatauglichkeit werben.

Occasionen werden nun an jeder Strassenecke verkauft. Ausrangierte Kühlschränke, Elektrokocher, Mixer und weitere Haushalthilfen sehe ich. Auch eine uralte Bernina Nähmaschine. Dieselbe, die ich einmal von meiner Mutter geerbt habe und dummerweise gegen eine neue eingetauscht. Für 6 Franken könnte ich sie haben. Allerdings fehlt das Stromkabel und auch der Fusstritt oder Kniehebel mit dem man die Maschine in Betrieb setzt.

Heute fahren wir nochmals mit dem Planer, der die Fundamente der Moschee ausgemessen hat, nach Mangwapani. Ganz erstaunt stelle ich fest, dass in den vergangenen zwei Wochen sehr vieles geschehen ist. Gräben wurden ausgehoben und die Fundamente der Gebäude aus Korallenstein gesetzt. Riesig finde ich die Anlage für das kleine Dorf immer noch. Nicht die Moschee, die ist eher bescheiden, doch die Madrasa, die Schule mit einem Zimmer für Knaben und einem für Mädchen, hat stattliche Formate. Ich kann auch gleich noch filmen, wie ein Lastwagen heranfährt und Zementbausteine für die Wände ausgeladen werden, denn mit dicken Korallenmauern werden heute nur noch die Fundamente erstellt. Der Rest sind für unsere Verhältnisse furchtbar dünne Wändchen. - Das ist auffällig seit meinem letzten Besuch. Die kleinen, mit Zweigen geflochtenen und mit Lehm bestrichenen Häuser werden durch Zementbacksteinhäuser ersetzt, die Palmdächer durch Wellblech. Das ist dauerhafter und verlangt weniger Unerhalt. Auch wenn wir Touristen das bedauern mögen.

Auf der Fahrt nach Mangwapani wird im Auto geschwatzt und gelacht. Ich verstehe bereits wieder erstaunlich viel, würde ich noch einen weiteren Monat bleiben, dann wären meine Lücken gestopft. Zweieinhalb Jahre ohne Swahili sind nicht ideal. Und dazwischen noch vom Chinesischen und Brasilianischen abgelenkt. Ein Wort, das ich häufig aus den Gesprächen im Wagen aufschnappe: „management“, das gefällt ganz offensichtlich. Man will das selber übernehmen, bereits streiten sich verschiedene Clans um die Führung in dieser erst entstehenden Moschee. Der Ali will den Unterhalt der Anlage durch Verkauf von Früchten und Gemüsen gewährleisten, die man im Garten der Moschee anbauen soll. Überhaupt träumt er von einem blühenden Garten dort, zu dem er dann jeweils am Sonntag schauen gehen will. Keine schlechte Idee, der wunderschöne Strand von Mangwapani ist ja ganz in der Nähe und von einem Garten hat er immer geträumt.

Ich befinde mich momentan in einer etwas merkwürdigen Situation, was mich jedoch, ganz afrikanisch bereits, nicht weiter beunruhigt. Hier in Tansania bin ich offiziell verheiratet und eine der zwei Frauen von Ali, alias Salum Sharif Hamad, der Ali ist ja ein Überbleibsel aus seiner Zeit in der Schweiz. Dort hat er sich unter dem Namen Ali Hadschi aus Somalia bei der Aufnahmestelle für Asylanten gemeldet. Ein Salum Sharif Hamad ist zwar in die Schweiz eingereist, darauf jedoch haben sich seine Spuren verwischt, Ausreisebelege gibt es nicht. - In der Schweiz bin ich weder mit Salum Sharif Hamad noch mit Ali Hadschi verheiratet, sondern ledig. Mir soll das recht sein.

Zum Sonnenuntergang treffe ich mich mit Moddy im Tembo Hotel, ich muss mich nun aufmachen. Denn bis ich hier alles abgeschlossen habe, dauert es immer eine Weile, so manche Türe muss verriegelt werden. – Froh bin ich darüber, dass ich inzwischen meine Angst vor Schwarzen wieder gänzlich verloren habe. Nachdem ich erst hier am Strand und später in Paris von zwei jungen Schwarzen überfallen wurde habe ich nämlich, wenn ich alleine einer Gruppe Schwarzer begegnet bin, immer Angst gekriegt. Das war schwierig zu bekämpfen. Inzwischen ist das zum Glück wieder weg. Sansibar ist immer noch eine friedliche Gegend. Und ich als „Bi Hawageniesse ein besonderes Ansehen und damit einen Schutz. Mindestens hier in der Stown Town.

Moddy hat schon wieder finanzielle Probleme. Sein Schiffsmotor wurde gestohlen, klagt er mir, nun könne er nicht mehr arbeiten und für das Schiff schauen, die „Sandra“ ist in einem jämmerlichen Zustand, das ärgert mich. Dafür hat er kürzlich einen uralten verlotterten Wagen gekauft. Wollte ins Taxigeschäft einsteigen, obwohl eigentlich seit Jahren klar ist, dass da nichts mehr zu holen ist, weil es bereits viel zu viele Taxis gibt. Das Auto kann er nun auch nicht wieder verkaufen, weil das nämlich niemand will. Moddy hat noch nicht gemerkt, dass die Ansprüche nun auch in Sansibar gestiegen sind, die Leute kaufen neue Wagen und keine verlotterten Rostkisten mehr. Und da er das Auto nicht mehr verkaufen kann, kann er sich auch keinen Motor mehr kaufen und deshalb fragt er mich um Hilfe. Das macht mich wütend, weil ich dem Moddy schon so häufig geholfen habe. Auch weil ich nicht glaube, dass dieses Geld ihm wirklich zu einer gesicherten Existenz verhelfen wird, er ist einfach kein Geschäftsmann. Ich sage ihm das auch. - Und werde ihm wohl doch helfen.

Im Lukmaan spreche ich heute Mittag mit einem Sansibari, der ursprünglich aus dem Oman stammt. Seit Generationen hier, meint er. Und ja, ein schöner Anblick, als er feststellt, dass ich die nackte Taille und den Piercing bewehrten Bauchnabel einer jungen Touristin anschaue. Ja, muss ich zugeben, ein schöner Bauch. Aber vielleicht hier doch nicht ganz so passend, die Religion. Da werde man sich daran gewöhnen mit der Zeit, meint er. Auch hier in Sansibar. Und rühmt den Lukmaan. Ein sehr gutes Restaurant sei das geworden. Wie immer erfüllt mich dies mit Stolz. Obwohl ich eigentlich nichts dazu getan habe. Ausser zum Durchhalten zu mahnen am Anfang, als alles schwierig war.

Moscheen kümmern sich nicht nur um das geistige Wohl ihrer Schützlinge, nein, meistens sind sie auch das Wasserversorgungszentrum des Quartiers, denn von der öffentlichen Leitung kommt selten Wasser mit genügend Druck. Leute, die von der Moschee ihr Wasser beziehen, zahlen einen monatlichen Beitrag, der für den Unterhalt der Leitungen und Pumpen eingesetzt wird. Daneben können Moscheen auch als Parkplätze dienen. Der kleine Vorhof der Moschee gleich nebenan, beherbergt nun auch Alis Motorrad, jetzt wo unser Eingangsraum als Wohnstube genutzt wird.

Von Simone und Christoph, dem Schweizerpaar, das mich in Jambiani so freundlich als Gast aufgenommen hat, erbe ich die Restposten ihrer Vorräte. Ein schönes Stück Sbrinz und eine Bitterschokolade mit Salz. Ich, normalerweise eine Schokoladenverachterin, freunde mich sofort mit dieser Variante an. Die Leute hier hingegen, mögen schwarze Schokolade überhaupt nicht. Auch dem Ali schmeckt sie nicht, obwohl er doch sonst einen recht europäisierten Geschmack hat. Ich überlege mir warum. Hier in Sansibar gibt es praktisch keine bitteren Speisen oder Getränke. Haben hier weniger Pflanzen Bitterstoffe eingelagert als bei uns? Wie dem auch sei, entweder gibt es hier eine grundlegende Ablehnung der Geschmacksrichtung bitter. Oder man mag bitter nicht, weil man sich dies nicht gewohnt ist. - Den Rohschinken, der mich auch sehr gereizt hat, habe ich dankend abgelehnt. Obwohl Ali viel toleranter geworden ist, mag ich Schweinefleisch nicht im Kühlschrank lagern. Und ohne Kühlung geht das hier nicht.

Auch ich neige bereits zu afrikanischen Lösungen. Nachdem ich heute Abend neben dem Kühlschrank einen grossen Haufen irgendeiner klebrigbraunen Flüssigkeit antreffe, versuche ich den erst mit Papier wegzuwischen. Ohne Erfolg. Deshalb klebe ich ein ganzes Stück Papier darauf, denn ich möchte wirklich nicht in diese Sache hineintreten. Ich werde den Küchenboden aufwaschen müssen. Doch nicht mehr heute, kesho, morgen.

Keine Kommentare: