Mittwoch, 14. Dezember 2011

3.Dezember 2011




Das Häuserfieber hat mich wieder gepackt, ich kann das einfach nicht lassen. Und dies in einem Moment, wo auch vom geplanten Umbau in Bern neue interessante Ideen gekommen sind, die es zu prüfen gilt.

Heute Morgen sind wir zusammen mit Muhammad, dem Architekten, der früher in Paris lebte, und einem weiteren Mann aus seinem Büro ein Inderhaus mit geschnitzten Veranden anschauen gegangen. Sie beide finden, es habe keine grösseren Probleme oder Schäden, eine Renovation könne man auch nach und nach machen, da eile nichts. Und finden die Architektur des Gebäudes wunderschön. Kaufen also, der Preis von rund 100'000.- SFR ist vernünftig, das Haus ist noch bei keinem Agenten, die Besitzer selber wollen verkaufen. Nur sind das natürlich afrikanische Verhältnisse. Vier Brüder, drei davon gestorben, dafür mit Nachkommen, das werden in der Regel hier viele sein, die alle erbberechtigt sind. Solches kann kompliziert werden. Morgen treffen wir uns zusammen mit einer Notarin mit der Familie, ich hoffe, da kommt es zu einer Einigung. Denn es eilt etwas. Am 10. Dezember kommt ein in England lebender Somalier zurück, der ebenfalls bereits Interesse für den Kauf gezeigt hat. Ich hoffe, das wird den Preis nicht hochtreiben.

Meine Idee: Hier in Sansibar auch ein Standbein haben, man weiss ja nie. Falls ich einmal in der Schweiz verarmen sollte, dann könnte ich immer noch hierher kommen, denn ich will von Ali ein lebenslanges Wohnrecht im obersten Stock. Und vielleicht bin ich ja romantisch, eine Träumerin, doch glaube ich wirklich, dass der Ali, was auch kommen möge, bis an mein Lebensende für mich schauen wird. Selbst wenn ich einmal eine uralte Frau werden sollte. Bereits seine Kultur gebietet ihm das.
Bereits jetzt bin ich natürlich ungeheuer froh, dass ich ihm alles überlassen kann. Als Mzungu ist es unheimlich schwierig, hier die verworrenen Pfade durch die üppig wuchernde Bürokratie zu finden.

Ali ist übrigens auch ein sehr geschickter Lehrer und Patron. Das habe ich gestern gesehen, als er einen der Kellner, der gerade an seinem Mittagessen war, zu uns an den Tisch gerufen hat. Sein Teller war überfüllt mit Speisen, Fleisch, Fisch, Saucen, alles. Er lade ihn hier nicht privat ein, meinte Ali, da wäre das ja noch okay. Hier sei sein Arbeitsort, solche Übertreibungen seien unhaltbar. Das beste aber, und alles in einem ruhigen festen Ton vorgetragen, er sei doch ein guter Muslim (mindestens einer, der Kanzu trägt, also äusserlich). Im Islam jedoch, sei jede Völlerei verboten und Zurückhaltung, Selbstdisziplin gefordert. Wie er denn sein Verhalten mit seinem Glauben in Einklang bringen könne? - Der Junge war gänzlich geknickt und ist zerknirscht mit seinem Teller aufgestanden. Eine geniale Art, Geschäft mit Religion zu verbinden. Ali ist ein guter Redner und die Leute hier sind leicht zu beeindrucken. So schnell wird der das nicht vergessen.

Gestern Abend haben wir über Steuern gesprochen. Die Steuereintreiber seien eben hier unverschämt. Wie Parasiten, die ihren eigenen Wirt umbringen würden. Ein viertel der Einkünfte wollten sie bei der Vermietung einer Wohnung. Und Kosten, die könne man keine Abziehen. Dasselbe im Lukmaan. Wissen wollten die nur, wie viel verkauft würde. Wie hoch dann der effektive Gewinn sei, das interessiere die nicht. Aber dass sie mit ihrem Verhalten Geschäfte kaputt machen würden und dann überhaupt keine Steuern mehr einnehmen, an solches dächten die nicht. Viel zu gierig.
Deshalb müsse man ja eigentlich betrügen, denn wenn man alles ehrlich angebe, dann gehe die Rechnung nicht mehr auf. Das verstehe ich. Und wende ein, dass wohl umgekehrt diese Steuereintreiber eben von vornherein denken würden, dass sowieso jeder nur einen Teil der Einnahmen angebe und deshalb möglichst viel davon wollten. Das ganze beisst sich in den Schwanz. Und hilft natürlich nicht dabei, zu einer ehrlicheren Gesellschaft zu kommen.

Heute wurden wir von einem Polizisten angehalten. Ich habe meinen Helm nicht getragen, das tue ich in der Altstadt normalerweise nicht. Ali musste darauf seine Papiere zeigen und dabei ist herausgekommen, dass sein Fahrausweis seit 10 Tagen abgelaufen ist. Fahrausweise sind hier immer nur für 1 Jahr gültig. Nicht dass man dann nochmals irgendwie geprüft würde, ein neuer Ausweis kostet einfach etwas. Eine weitere Art Steuern einzutreiben. Das ist dasselbe mit der Niederlassungsbewilligung. Die ist recht teuer, praktisch gleich viel wie ein Visa in der Schweiz. Im letzten Jahr habe ich das nicht bezahlt und habe nun also keine Karte als „Resident“ mehr. Das hat Nachteile: Flugzeug und Schiffe aufs Mainland kosten für mich wieder das Doppelte. Und bei der Ankunft mit dem Flugzeug kann ich beim Zoll nicht mehr durch den Durchgang „East African Residents“. Etwas, das mich merkwürdigerweise immer mit einem gewissen Stolz erfüllt hat.

Im Lukmaan hängt ein Bild vom Meer. Heftige Wellen, ein Sturm, und mittendrin ein Schiff. Ich finde das Bild schlecht. Das Wasser zwar lebhaft und etwas verschwommen gemalt, so wie es dem Bewegten entspricht, das Schiff hingegen ebenfalls und so kaum als solches zu erkennen. - Auch Ali findet das Bild schlecht. Ein ehemaliger Fischer aus Nungwi sei zu ihm gekommen und habe gesagt, dieses Bild sei nicht gut. Das Schiff, der Sturm, das müsse doch nächstens untergehen. Und das darzustellen, bald gäbe es da doch Tote, so etwas könne nicht gut sein.

Im Restaurant habe ich einen spanisch sprechenden Schwarzen kennen gelernt. Swahili spricht er kaum, Englisch auch schlecht, ich habe ihn gefragt, woher er komme. Aus Kuba meinte er. Und wohne hier, weil er im Spital Medizin unterrichte. Primitiv sei das hier in Sansibar, die Leute würden ja noch mit den Fingern essen. Überhaupt, die Schulen, Strassen, das Spital sei eine Katastrophe, schlecht eingerichtet, kaum genügend Medikamente. Das sei dann in Kuba schon viel besser. Alles gratis und gut, einzig die ökonomische Situation sei schlecht. Wegen dem Embargo der Amerikaner.
Für mich ein neues Bild von Kuba. Zwar wusste ich, dass der Fidel Castro zu seinen kommunistischen Brüdern immer grosszügig war, der Ali ist in ein Gymnasium gegangen, das von den Kubanern gesponsert wurde, auch Muhammad, der Architekt und Osman, Alis Partner im Lukmaan kommen von dieser Schule. Doch irgendwie habe ich immer geglaubt, Kuba sei arm und rückständig. Ich muss mein Bild wohl revidieren.
In den Lukmaan kommen übrigens auch Chirurgen aus dem nahen Mnasi Moya Spital. Noch in ihren Chirurgenkitteln, doch wohl vor der Arbeit, denn Blut klebt keines daran.

Am Morgen früh kreischt die Frau, die die Strassen reinigt mit ihrer Schubkarre durch die Gassen. Dass da vielleicht ein Tropfen Öl helfen könnte, daran denkt sie offensichtlich nicht. Und der alte Transportmann, dem ich einmal die Reparatur der Achse seines Wägelchens bezahlt habe, weil ich feststellte, dass die kaputt war und ihm viel Mühen bescherte, der grüsst mich auch noch nach Jahren freudig. Der andere Innenstadttransporteur, der grosse starke Mann vom Festland, der bei uns auch sonst verschiedene Arbeiten gemacht hat, dem geht es leider nicht mehr gut. Aufgedunsen sein Gesicht, der Alkohol.

Letztes Wochenende bin ich mit dem Muhammad Tarab-Musik, die traditionelle Swahilimusik, die mehr von der arabischen Kultur als von der afrikanischen hat, hören gegangen. Er ist ein grosser Fan dieser Musik, das waren die Klänge seiner Jugend, bevor er in die Türkei, später nach Paris, studieren ging. – Ich selber mag Tarab nicht besonders. Doch der Spektakel im Alten Fort ist schon sehenswert. Die Musiker spielen eigentlich einen ganz guten Groove, doch die Sängerinnen meist, selten Sänger, singen schmalzig dazu wie bei uns Schlagersänger. Alles verstehe ich zwar nicht, doch meistens geht es um Liebe und Sehnsucht. Spannend ist dann vor allem das Publikum. Das seinen Lieblingssängern Geld bringt und dazu tanzend herumhüpft. Und ganz nebenbei informiere ich mich wieder über die neusten Moden der Sansibarifrauen. Zwar im allgemeinen verschleiert, das schon, doch die Roben darunter sind zum teil recht körperbetont sexy. Und mit Glitzersteinen vollgestickt. Selbstbewusst zeigen sich die Frauen. Tarabvorstellungen seien wie bei uns die Fasnacht, meint Muhammad, hier sei alles erlaubt, was im normalen Leben verboten.

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