Sonntag, 18. Dezember 2011

16.Dezember 2011








Keki, Keki, rufen die Leute einem dicken Mofafahrer nach, der durch die engen Gassen der Altstadt kurvt. Er lächelt gemütlich dazu. Keki, supu, saladi sind Wörter im Swahili, die eigentlich keine Übersetzung brauchen. Und warum dieser beleibte Mann den Übernamen Keki - was ihn überhaupt nicht zu stören scheint - hat, das braucht auch keine Erklärung.

Bei anderen Wörtern ist es etwas schwieriger. Sawa, betont auf der ersten Silbe beispielsweise, heisst etwas wie ja, okay, ist schon gut. Dass das aber ursprünglich vom Französischen „ça va“ kommt, das hätte ich nicht von selber heraus gefunden.

Orange ist diese Saison Modefarbe, die Frauen mögen knütschorange Kangas und Schleier, häufig mit einem starken Giftgrün kombiniert. Wohl mit ein Grund, weshalb ich dieses Jahr äusserst Mühe habe, Kangas zu finden für meine Sammlung. Diese Farbe mag ja auf schwarzer Haut ganz hübsch wirken, an mir sehe ich sie aber überhaupt nicht. Speziell am Design dieses Jahres sind ferner die graphisch vereinfachten Muster. Tupfen sind sehr beliebt, Zickzackmuster ebenfalls. Nicht mehr so verspielt wie andere Jahre. Und vor allem starke kontrastreiche Farbkombinationen mit teils riesigen Mustern. Die Palme ist wieder à la mode. Allerdings farblich etwas anders, als in dem Modell, das vor ein paar Jahren der letzte Schrei war.

In der Altstadt trifft man gegen Abend immer ganze Gruppen von italienischen Touristen an, die einen Nachmittagsausflug in den Hauptort gebucht haben. Stone Town plus Sonnenuntergang an der Westküste. Erstaunlich viele der Guides sprechen nun ein perfektes Italienisch, man passt sich den Gästen an. Auch Hochdeutsch will man mit mir üben, denn die deutschen Touristen sind ebenfalls häufiger geworden. Und nächstens wird der neue internationale Flughafen auf Sansibar eröffnet, die Landepiste ist bereits fertig, das Gebäude im Bau. Was wird das der Insel bringen?

Gestern haben sich zwei Männer um ein Telefon gestritten, Freunde vom Super Power. Da hat einer ein Messer hervor genommen und den anderen in die Hand geschnitten. Blutspritzer überall im kleinen Gässchen, das am Haus des ehemaligen deutschen Konsuls vorbei geht, ich mag diesen Weg jetzt nicht mehr benutzen. Mindestens bis zum nächsten Regen. - Blut auch in der Hauptgasse heute, vier Männer sitzen am Strassenrand, ich sehe verblutetes Verbandzeug am Boden liegen und gehe rasch weiter. Etwas viel Blut für meinen Geschmack.

Endlich kriege ich heute mein men’s bread, das ich bereits vor Tagen beim Ali bestellt habe. Deshalb so schwierig erhältlich, weil die Männer eben lange nicht jeden Tag arbeiteten, scherze ich. Ali lacht. Sansibaris haben im allgemeinen einen ähnlichen Humor wie ich, das erleichtert vieles. Nein, meint er dann, das Männerbrot sei eben etwas veraltet, heute gäbe es andere Brotarten. Doch immer noch gesund.
Männerbrot heisst das Fladenbrot, weil es in Backöfen ausserhalb der Häuser gebacken wird. Das sei eben traditionellerweise kein Ort für Frauen. Chapatis und Mandazis und weitere Brotarten werden in Pfannen drinnen im Haus hergestellt. Allerdings sind diese Gebäcke dann auch meistens fetttriefend, mir ist das Männerbrot lieber.

Heute Nachmittag gehen wir erstmals zusammen Alis zweite Frau in ihrem momentanen Zuhause bei den Eltern besuchen. Ein strammer Sohn, der Ahmedi. 4 Kilogramm bei der Geburt und auch jetzt noch - nach vier Monaten, zwei Malariaanfällen und, wie es heisst, ein schlechter Esser, Muttermilch hat er nie akzeptiert - sieht der Bube überhaupt nicht krank aus. Kein Wunder, dass die Frau den nur mit Kaiserschnitt zur Welt gebracht hat. Die Familie wohnt in einem einfachen, staubigen und schattenlosen Vorort, keine Bäume weit und breit. Trotzdem ist das Haus innen erstaunlich gross und luxuriös eingerichtet. Polstergruppe und Fernseher und glitzernde synthetische Vorhänge. Nicht nur gerade eine Bodenmatte am Boden wie bei Alis Familie. Die Eltern sind Beamte, beide, und der Vater spielt auch noch in einem Tarab-Orchester mit. Die Frau arbeitet ebenfalls und der Sohn wird von einem jungen Mädchen vom Festland betreut. Wie das hier so der Fall ist, die sind billig. – Ali ist damit nicht einverstanden. Er findet, man könne die Erziehung eines Kleinkindes nicht einem selber-noch-fast-Kind überlassen. Und überhaupt. Was werde denn aus diesen Mädchen, die 15-jährig die Schule verliessen und dann nichts mehr lernten? Er würde es bevorzugen, wenn eine ältere Frau tagsüber zu dem Buben schauen würde.
Auch Moddy hat seine Ansichten dazu, wie Kinder erzogen werden müssen. Als ich ihn frage, weshalb er denn jetzt, wo er ja eigentlich nichts arbeite und seine Frau in Chwaka eine Ausbildung mache und nur am Wochenende nach Hause komme, nicht selber zu seinen Kindern schaue und die der Mutter der Frau überlasse. Er lacht mich ganz ungläubig an. Das könne doch ein Mann nicht, was ich denn meine. Und dass der Marco auch zu seinen Kindern schaut, dass dies die Männer in der Schweiz häufig tun, das findet er äusserst extrem und wohl etwas abartig.

Bei Sonnenuntergang ist die Flut nochmals höher, sie wird nun wohl nächstens den Höchststand erreicht haben. Das halbe Fussballfeld am Strand ist überschwemmt, die Wellen lecken bereits am Tor. Trotzdem wird weiter gespielt - halt teils im Wasser. Und als der Muezzin zum Sonnenuntergangsgebet ruft, wenden sich drei spitzbärtige Fussballer hinter dem Tor gegen Norden und beginnen zu beten.

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