Dienstag, 14. April 2009

10. April 2009



Als ich die WC-Spülung ziehe, wird mein Rock ganz nass. Eigentlich hätte ich es wissen müssen, am Nachmittag habe ich das WC bereits einmal benutzt. Spülung zwar perfekt, doch schient die vom Kasten herunter laufende Wasserleitung links zwei Löcher zu haben. Und dort spritzen zwei vorwitzige Wasserstrahle seitwärts. Bis zu meiner Abreise am nächsten Tag fällt dann das ganze Rohr einfach ab und giesst sein Wasser über den Badezimmerboden aus. 25 Dollar die Nacht, das war hier in Paje das billigste Angebot. Sauber eigentlich, man darf die Möbel einfach nicht verrücken. Ich tue das mit dem Bett und mit dem Türvorleger. An beiden Orten kommt Sand zum Vorschein. Das Zimmer ist neu, frisch gestrichen und riesig, da hätten gut drei Doppelbetten drin Platz. Momentan steht nur eines drin. Plus ein extrem primitives Gestell, in dem ich meine wenige Habe notdürftig einordne.
Der Angestellte an der Rezeption - abends, wie ich feststelle, ist er auch Kellner - hat eine Brille an und ich halte ihn für einen Stundenten. Er spricht zwar nicht perfekt englisch, hat jedoch sonst alle Manieren, die im Umgang mit den Touristen verlangt werden. Ich treffe ihn am Nachmittag dabei an, als er den Bast von den Kokosnüssen weg schlägt. Was er denn damit wolle, frage ich. Zum Kochen Zuhause meint er. Aha, so ich. Und hat auch zugestimmt, als ich mich beklagt habe, wegen der teuren Preise hier in der Gegend, unter 50 Dollar pro Nacht lasse sich kaum ein Zimmer finden, wer sich denn solches leisten könne? Ich als Weisse, die hier lebe und die Preise und Löhne kenne, fände das einfach teuer. Wir sind uns einig. Er zeigt mir trotzdem zuerst ein primitives Holzhäuschen, „Banda“ wird das hier genannt, für 35 Dollar, bevor mir das normale Zimmer für 25 Dollar gezeigt wird.

Nun sitze ich im Strandrestaurant, habe eben Chipsi plus Salade Nicoise gegessen, das war überraschend schmackhaft, das hätte ich nicht erwartet. Und trinke ein Bier. Alle Wochen einmal erlaube ich mir das. Der Vollmond ist eben orange und fett aus dem Meer gestiegen, die Besonderheit der Ostküste. Der Sonnenuntergang dafür unspektakulär, am eindrücklichsten eigentlich die langen Schatten der Palmen, die sich über den schneeweissen Sand und anschliessend unruhig über das recht bewegte Meer legen. Dunkel ist es jetzt, fast schwarz, das Wasser. Und am Nachmittag doch von einem irisierenden, faszinierenden Türkis mit tiefdunklen Streifen durchwoben, zwischendurch ein weisser Strich dort, wo sich die Wellen am Riff brechen. Erst acht Uhr abends ist es, lese ich gerade an der Computeruhr. Der Wind an der Ostküste immer erfreulich kühlend, ein angenehmes Gefühl, auch genügend Schatten an der Küste, die mit Palmen und Schatten spendenden Bäumen bepflanzt ist. Und Wasserballonreiter, die dieselben oder ähnliche Ballons benutzen, wie unsere Himmelgleiter. Lautlos, Fledermäusen gleich, schweben sie jetzt durch den nächtlichen, vom Vollmond erleuchteten Himmel, in gewagten Pirouetten, zu fliegen scheinen sie, heben ab, ein wahnsinniges Gefühl muss das sein im Vollmondschein, das möchte ich auch, denke ich, die weiss glitzernde Wasserfläche unter sich.
Ich möchte am Strand laufen gehen, dem Vollmondsilber entgegen, den Wind auf der Haut, doch getraue mich nicht. Seit dem Überfall am Strand Richtung Flughafen - Babs und ich waren dumm, das ist klar - bin ich vorsichtig geworden. Bereits in der Dämmerung kehre ich um, wo ich früher noch lange weiter gegangen wäre. Sobald die Strände leer werden, werde ich unruhig und kehre an belebte Orte zurück. Bereits ist es Nacht, als ich durch das Dorf Paje streife. Richtig sicher fühle ich mich nicht mehr. Vor allem, weil ich eine Tasche bei mir trage. Und weiss doch genau, dass mitten in einem belebten Dorf - die Kinder rufen mir „Jambo“ nach, ich sehe fast nichts mehr, die Lichter sind spärlich, doch sie sehen mich, die Augen der Schwarzen scheinen auch im Finsteren noch voll zu funktionieren – nichts passieren kann. Panik kommt nicht auf, doch muss ich mir eingestehen, dass ich mich wieder einmal verlaufen habe und mich nicht ganz wohl fühle, keine Hauptstrassen, keine rechten Winkel, keine Parallelen, die hier recht stattlichen einstöckigen Häuser aus Korallenstein, alle einfach ohne Plan hingestellt. Das überfordert meinen Orientierungssinn. Vor allem nachts. Zum Glück weißt mir der Wind, der vom Meer her weht, den Weg.

Vielleicht - wenn ich einen Schleier umlege, zusammen mit dem weiten afrikanischen Rock, den ich trage, Modell „Mama Vumba“ haben wir das genannt, Ali protestierte, Mama Fischgestank heisse das, das gehe doch nicht, meint er - vielleicht derartig verkleidet würde mich niemand als Weisse erkennen in der Nacht am Strand. - Und geht trotzdem nicht. Welche Frau hier würde schon des nachts alleine an den Strand hinunter spazieren gehen?
Der Mond ist nun bereits ins Blattwerk der umgebenden Bäume hinauf gestiegen und viel kleiner geworden und blickt zerstückelt herunter. Der Meeresspiegel immer noch glänzend und geheimnisvoll. Der Kellner serviert mir eben diskret meine zweiten Frites, ich habe noch Hunger, den Tag über nichts gegessen und das zweite Safari Bier. Ich werde sicherlich gut schlafen, bin leicht und glücklich und schwebend irgendwo zwischen den Welten.

„Mr. Polite, doesn’t follow women at night“, meine ich zu dem Typen, der doch noch versucht, am nächtlichen Strand mit mir Kontakt aufzunehmen, nachdem er sich bei mir mit diesem Namen vorgestellt hat. Er verschwindet rasch. Und bei der Begegnung, ich sehe ihn kommen und zücke meine Taschenlampe – er scheint dies mit einer Waffe zu verwechseln – schrickt er zusammen. Ein Held scheint er nicht zu sein. Ein Risiko ebenfalls nicht.
Das Meer um halb elf Uhr nachts grollt bei Ebbe weit draussen, die Wellen reiben sich entfernt am Riff. Dafür säuselt jetzt der Wind und spielt mit den Blättern der Palmen. Nein, gefährlich sei das nicht, ein Spaziergang am Strand. Wenn ich alle Wertsachen ins Zimmer bringe und nichts mehr auf mir trage, hat der Kellner gemeint. Am Boden schreibend nun. Meinem Zimmer fehlen Tisch und Stuhl. Leider. Ich nehme an, in einheimischem Besitz. Viele Leute hier können sehr gut ohne diese Möbelstücke leben, sie sitzen sowieso meist am Boden. Dass ein Tourist so etwas in den Ferien benötigen sollte, das verstehen sie deshalb nicht. Und die Musik der umgebenden Bars ist nun, ohne die Wellengeräusche, definitiv zu laut. Ich werde morgen umziehen.

Keine Kommentare: