Dienstag, 13. November 2007

7. November 2007



Ein Besitzer eines Touristenshops hat mich heute Morgen freudig angequatscht wie eine alte Bekannte. Ich habe ihn korrigiert und gemeint, er meine wohl meine Schwester. Darauf hat er mich nach meinem Namen gefragt und gemeint „Hawa“, dann bete ich sicherlich fünf Mal pro Tag mit meinem Manne. Ich meinte, leider nicht, das würde den sicherlich sehr freuen. Mein Gegenüber erwiderte dann ganz ernsthaft, mit einem fanatischen Glitzern in seinen Augen, aber das sei sehr wichtig, diese spirituelle Vereinigung. Er sei zwar Christ, aber das komme nicht darauf an, auch er bete. Es seien eben zwei Welten in einer: Die Sichtbare und die unsichtbare Spirituelle (fast genau gleich würde das der Ali sagen). Sie hier in Afrika hätten eben beide Welten in sich. Das sei gar nicht so schwierig, richtig angeleitet, werde auch ich zu sehen lernen. Während der ganzen Zeit hielt er meine Hand innig umklammert und zusammen mit dem intensiven Blick, den er mir zuwarf, war ich dann gar nicht mehr so sicher, ob da nicht irgend ein Geist oder etwas zu mir hinüber springen sollte. Mir blieb dann nur noch einzuwenden, dass wir Europäer eben die Eigenschaft, in diese andere Welt zu sehen, an sie zu glauben, verloren hätten, da könne man nichts machen, auch ich sähe diesen Unterschied zwischen den Kulturen. Worauf er meinte, das sei halt vielleicht eine Sache der Entwicklung. Wir Mzungus (Weisse) seien technologisch und überhaupt viel weiter – womit er sich gleichzeitig als rückständig bezeichnete, sich aber dessen wohl nicht bewusst war. Dass ich mich fragen musste, warum er denn meine, seine Sicht der Dinge sei die Anzustrebende. Auch meinen Einwand, dass man mit fünfzig Jahren sein Leben nicht einfach umkrempeln könne, den liess er nicht gelten. Das habe nichts mit dem Alter zu tun Mungu (das kann Gott oder Allah sein), der warte immer auf uns.

Superpower, ein Araber, der glaubt vom Sultan abzustammen, der Quartieralkoholiker hier, hat heute seine gesamte Hab und Gut auf die Strasse hinaus gezügelt. Seine zerschlissene Matratze, nur mehr ein mehrfach zerbrochenes ausgefranstes, schmutziges Schaumstoffstück, und seine ebenso schäbig zerfleckt und zerrissene Bodenmatte bei uns auf der Rampe zum Auslüften und Sonnen ausgelegt. Am Abend blieben ein paar Stofffetzen, Papier und Plastik in der Strasse liegen. Etwas Besonderes ist nicht die Armseligkeit seiner Ware, so leben hier sehr viele Leute, besonders ist einzig die Zurschaustellung der schmutzigen Einrichtung auf der Strasse. Das würde sonst niemand machen, meint Ali. Schmutzige Matratzen sieht man normalerweise nur auf den Blechdächern auslüften. Und wieder wird mir bewusst, dass – so einfach wir auch hier leben – mein Dasein doch gänzlich anders ist als das der Einheimischen.

Gestern bin ich mit Ali sein Haus in den Vororten anschauen gegangen. Den neu gebauten, auf einem Turm stehenden Wassertank; die Leitungen, die einmal die noch zu bauende Küche und das Badezimmer speisen werden, sind bereits gelegt. Auch eine Haustüre für den zweiten Hausteil hat es gegeben, die war bisher nur mit Brettern zugenagelt. Doch immer noch gibt es viel zu tun, bis dieser Teil des Gebäudes bewohnbar sein wird. Die Bewohner des Hauses sind alles Familienmitglieder Alis, genauer verstehe ich das ganze auch nicht. Heute sind nur zwei junge Frauen hier, Alis Mutter ist zurück zu ihrem fünften Mann nach Mangwapani gegangen, sein Bruder und dessen Frau sind für zwei Wochen auf der Insel unterwegs, um den Islam zu predigen. Die Frauen klagen darüber, dass seit drei Tagen kein Wasser mehr durch die kommunalen Leitungen geflossen sei, der grosse Tank leer und nicht aufgefüllt werden könne. Hier schläft man auf Bodenmatten, nicht einmal fleckig zerrissene Schaumstoffstücke gibt es, doch das Haus ist sauber.
Auf der Rückreise im Dalla Dalla steigen wir bald einmal aus, denn ich habe beim Kommen bemerkt, dass ein Mann dort genau die fellbezogenen Stühle herstellt, die meine Schwester unbedingt haben wollte. Ali meint, 7000 Shilling, rund 8 Franken wolle er pro Stuhl. Ich kann das kaum glauben. Obwohl ich Ali recht geben muss, dass diese Rinderfelle wohl nicht allzu lang stabil bleiben werden, bald einmal zerrissen, zögere ich für diesen Preis nicht, zwei grau-weiss gefleckte Stühle auszulesen. Ali organisiert einen PickUp, der gerade vorbeifährt und bereit ist, uns samt Stühlen für 6000 Shilling nach Hause zu bringen. Nun stehen sie im Hof unten, diese Stühle, und wir stellen fest, dass sie wirklich ausserordentlich bequem sind. Dass deren Preis offensichtlich von den Vororten, vom Produzenten, bis ins Zentrum von 7000 auf 55'000 Shilling steigt, finde ich skandalös.

Doch auch schlechte News gibt es zu berichten. Ali stellte gestern gegen Abend fest, dass etwas mit Laila passiert sein müsse. Etwas Schlimmes, meint er, er habe die Katze den ganzen Tag nicht gesehen - erst jetzt fällt mir dies ebenfalls auf. Ali ist sehr besorgt, meint dann aber auch, dass ein Kater, wenn er einem Weibchen begegne, halt auch mal ein paar Tage verschwinden könne. Doch irgendwie fühlen wir beide, dass das nicht stimmen kann. Laila war viel zu ängstlich, ging nach verschiedenen Kämpfen mit anderen Katern kaum mehr aus dem Hause. Einzig auf den Dächern fühlte sie sich sicher. Heute Morgen dann finde ich, er solle doch bei den Nachbarn herumfragen, doch Ali meint, er gehe auf die Dächer. Stellt die Leiter an, steigt auf das unterste Dach, das billige Wellblech knackt, er verschwindet aus meinem Gesichtsfeld und irgendeinmal verliert sich auch das Geräusch. Nach einer Weile kommt mir eine merkwürdige Vorstellung: Ali steigt höher und höher, verschwindet einfach. Vielleicht im Himmel? - Doch nach langer Zeit höre ich das Knacken wieder, Ali erscheint oben an einem Dachrand und meint, er habe schlechte Nachrichten. Laila liege tot unter einem der Blechdächer des übernächsten Hauses. Diese Dächer, die nachträglich über die ursprünglichen, leider oft nicht dichten Flachdächer gebaut wurden, sind untereinander verbunden, ein ganzes Labyrinth, das für uns kriechend oder gebückt begangen werden kann, für eine Katze jedoch ein Paradies ist. Ali verlangt einen Plastiksack, damit er Laila holen könne, denn nach einem Tag unter dem brütend heissen Wellblechdach ist der Kater bereits stark verwest. Wir rätseln beide über die Todesursache. Ali meint, der habe keine äusseren Verletzungen. Wurde Laila vergiftet? Sie zeigte ja keine Anzeichen von Krankheit. Ali ist untröstlich, er hatte eine schon fast unheimlich starke Bindung zu diesem Tier. Schien auch zu fühlen, was passiert ist. Erzählt mir, er sei einfach immer weiter gegangen unter den Dächern. Weshalb gerade in diese Richtung, das könne er nicht sagen. Das habe ihn wie gerufen. Katzen sind eben manchmal hier nicht nur Katzen. Ein Taxifahrer erklärt uns, dass es besser sei, falls man eine Katze überfahre, gleich wieder nach Hause zu gehen, denn dieser Tag werde Unheil bringen. Von anderen Leuten erfahre ich, dass Katzen zwar sehr wohl einfach Katzen sein können, aber ebenso gut auch Dämonen. Das wisse man nie.

1 Kommentar:

mARTin hat gesagt…

Liebe Eva
Habe paar mal vergeblich an deine alte wie neue Emailadresse zu mailen versucht, kommt aber immer mit Fehlermeldung zurück. So versuche ich dich mal so zu erreichen.

Seit 2 Tagen ist es weiss und auch tags über unter Null hier in Bern, die Skiorte jubeln schon und wir haben ein paar Tage Ruhe vom Klimaerwärmungsgeschrei..

hier der Text von vor ein paar Tagen
Hallo Eva

Freue mich immer sehr wenn du wieder wie jetzt Neues und Spannendes von deinem südlichen Leben preisgibst. Toll, dass es nun auch wieder Zeichnungen zu bewundern gibt, die ich und auch andere Porträtisti schon sehr vermisst haben.

Die Reihenfolge mit den neuen Einträge immer obendrauf gehört halt wohl einfach zur Art eines Blogs, das stört mich persönlich kaum, vielleicht weil ich sowieso immer ziemlich kreuz und quer lese. Für aufeinander aufbauende Texte ist es aber natürlich schon nicht die ideale Form.

Das Löschen einzelner Bilder geht bei mir sehr einfach über Dashboard - Post - Bearbeiten - Bild markieren und löschen und allenfalls ein neues reinladen. Kann mir nicht vorstellen wo das Problem liegt, da du ja das genau gleiche Programm bei blogspot hast.

Die Porträtisti sind wie eh und je donnerstäglich am kritzeln, pinseln und klecksen, trinken und plaudern. Werde mein diesbezügliches Facesurfing auch wieder regelmässiger ins Blog stellen.

mit herzlichen Grüssen

Martin