Dienstag, 13. November 2007

6. November 2007


Erst drei Tage ist es her, seit Babs und ihre Familie von hier abgereist sind und bereits ist das fern. Komisch eigentlich, einerseits vergeht die Zeit immer wahnsinnig rasch – andererseits aber habe ich das Gefühl, als sei erst kürzlich Vergangenes bereits weit weg. Zeit hat wohl gegensätzliche Qualitäten, obwohl sehr rasch zerrinnend, schafft sie riesige Distanzen.
Gerade nach der Abreise meiner Gäste fühlte ich mich etwas verloren, unwillig, hier in meinen Alltag zurückzukehren. Doch dann ging es sehr rasch, meine Sachen wieder einräumen, auch wieder anfangen mit meinen täglichen Übungen, Gesang, Gymnastik und Swahili lernen, schreiben, skizzieren manchmal. Und plötzlich bemerkte ich, was mir während meiner Touristenzeit eigentlich gefehlt hat: Die Gelassenheit, die für mich hier so typisch ist. Immer waren Pläne, man will ja in den drei Ferienwochen etwas erleben. Nun jedoch, wieder alleine, geniesse ich plötzlich erstaunt diese eine, mir wichtige Qualität Sansibars. Diese Atmosphäre, die es mir sehr einfach erlaubt, Zuschauer zu werden, aufzusaugen. Ohne Hast, ohne schlechtes Gewissen nichts Produktives zu tun.

Die Ruhe haben, einem Sonnenuntergang zuzuschauen. Heute sehe ich eine ringförmig verschmierte feuerrote Wolke, die sich vor dem grauen Dunst über der Meereskante abhebt. Dass dies ein Überbleibsel der untergehenden Sonne gewesen sein muss, wird mir erst jetzt bewusst. Ein eigenes, eigenwilliges Wesen, dieser Feuerring. Ich setzte mich auf eine Bank neben dem „Afrika House“ und schaue zu. Der Himmel: Von der grauen Dunstschicht gleich über dem Horizont ein Übergang zu Blutrot, dann zu Gelb. Wie das Gelb schliesslich zu Hellblau wird kann ich nicht ganz beschreiben. Nach der Farbenlehre müsste da ein grüner Streifen sein, ist es jedoch nicht. Ich entscheide mich, dass die Farbe zwischen dem Gelb und dem Blau wohl am ersten noch als Weiss bezeichnet werden kann. Ein Schwarm von „Dahus“, einheimischen Segelbooten, die zum Fischen eingesetzt werden, zieht träge hinaus. In Gruppen werden des nachts bei Neumond vor der Stone Town Sardinen gefischt, die Boote bringen sich in Position. Im Finsteren werden Ihre hellen Lampen die Fischschwärme anziehen und unwissende Touristen als gegenseitiges Ufer narren - doch das Festland ist in Wirklichkeit viel weiter entfernt. Langsam erlöscht die rote Wolke, aus dem Feuerring schält sich eine runde graue Wolke heraus, die als dunkler Fleck vor dem helleren Dunstgrau noch lange stehen bleibt. Ich kann mich nicht von dem Bild abwenden. Unheimlich schön scheint mir diese Dämmerung. Wie gescheckt das Meer; vom Wind gestreifte dunkel aufgewühlte Flecken zeichnen sich immer kontrastreicher von den spiegelglatten, hell glänzenden Stellen ab. Der rote und der gelbe Streifen zwischen Dunstgrau und Himmelsblau werden langsam von den sie umgebenden Flächen verschluckt. Bis auf die Stelle, wo die Sonne direkt versunken ist, zeichnet sich nun eine harte Grenze zwischen Grau und dem viel helleren Himmelsblau ab. An der Sonnenstelle selbst passiert merkwürdigerweise genau das Gegenteil, alle vier Farben vermischen sich, die Grenzen verschwimmen, der Kontrast wird gänzlich aufgeweicht. – Dies die Beschreibung eines einzigen Sonnenunterganges. Doch jeder einzelne Abend ist einmalig und wäre eine Erwähnung wert. Merkwürdig ruhig werde ich bei meinen Betrachtungen.

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