Montag, 19. November 2007

17. November 2007



Zum ersten Mal seit dem Ramadan mache ich am frühen Morgen wieder einen Spaziergang. Mein Weg führt an den nahen Strand, denn ich hoffe, jetzt bei Ebbe den Spaziergang um die Shangani Landspitze herum machen zu können und die Häuser, die Meffert beschreiben hat, auch von der Meerseite her betrachten zu können. Doch ist der Wasserstand nicht tief genug, gibt den Weg nicht frei. Nie werde ich dieses Gezeitenspiel richtig begreifen, zu kompliziert sein Wirken. So gehe ich gegen Süden über die dort hervorschauenden algenbezogenen Felsplatten und schaue den Fischern in ihren winzigen Einbäumen zu, die nahe dem Ufer im Wasser dümpeln. Wie viele Arten des Fischfanges es doch eigentlich gibt. Gestern zeigte mir ein Mann hier stolz seine Beute, vom Land aus mit einer Schnur gefangen. Das könne auch noch viel mehr sein, meint er. Und ich müsse aufpassen, von hier aus südlich sei es gefährlich, Militärgebiet. Ich verspreche ihm, nicht mehr weiter zu gehen. Eine weitere Fangtechnik benötigt eine ganze Gruppe von Leuten, meist sind das Frauen. Sie waten bis zur Brust - natürlich samt Kleidern und Schleiern - ins Wasser hinaus und ziehen zwischen sich ein Netz wie eine Barriere mit. Ob dies grossen Erfolg verspricht, bezweifle ich. Dann in tiefer Nacht mit Fische anlockenden hellen Lampen, aus alten Segelbooten oder heute auch Booten mit Motor. Die Fischer mit Auslegerbooten wiederum, erweisen sich als wahre Meister der Segelkunst. Und schliesslich der industrielle Fischfang. - Ein Wunder, dass ob all diesem eifrigen Nachstellen doch noch ein paar Fische überleben können.

Heute sind es vor allem die ersten Sonnenstrahlen, die ich mit meiner Kamera in Bildern einzufangen versuche. Im Park, zwischen dem Laub der Baumkronen gebündelt herab schiessend, kreieren sie ganz eigene Bildkompositionen. - Ich bewundere die hier oft ringförmig angelegten, fast geschlossenen Kreise der gemauerten Parkbänke. Eigentlich eine sehr intelligente Form, die zu geselligem Zusammensitzen einlädt. Viel besser als gerade gezogene Bänke.

„Peace Memorial Museum“. Sogar Öffnungszeiten hat es hier angeschlagen. Der einer Moschee ähnelnde Bau wurde von einem englischen Architekten anfangs des Jahrhunderts inmitten eines kleinen Parks erbaut. Europäisch-arabisierender Baustil, wie er hier im Süden der Altstadt häufig vorkommt. Ich frage mich, was die vielen, gegen den Parkrand ausgerichteten Kanonen wohl bei diesem „Friedensmuseum“ zu suchen haben, doch habe ich mir noch nie die Mühe genommen, dies mit einem Besuch des Museums abzuklären.
Gegenüber und viel kleiner, ein anderer weisser Bau. Das Naturhistorische Museum, entnehme ich meinem Stadtplan. Angeschrieben steht aber nirgendwo etwas, auch keine Öffnungszeiten und ich kann mich auch nicht daran erinnern, die Eingangstüre jemals offen gesehen zu haben. Einzig der grosse schwarze Elefant mit seinen schneeweissen Stosszähnen, eine Skulptur neben der Eingangstüre, lässt mich an die angekündigte Bestimmung des Gebäudes glauben. Die verlotterten Volieren im Garten ebenfalls - einen Vogel habe ich dort noch nie gesehen. - Doch ein Besuch erübriget sich; wie ich Herrn Mefferts Führer entnehme, sind sowohl das Naturhistorische Museum, wie auch das Peace Memorial Museum nicht mehr in Betrieb.

Mein Spaziergang geht weiter, quer durch die Altstadt hinunter zum Hafen mit seiner kunterbunten Mischung von Boote. Ein grosses Containerschiff verlässt eben den Hafen. Dazwischen verankert, sehe ich die alten, jetzt nicht mehr funktionstüchtigen verrosteten Fracht- und Passagierschiffe des Staates neben den modernen Schnellbooten, die nun die Insel mit dem Festland verbinden. Dazwischen dümpeln die mit orangem Plastikdach beschatteten Holzboote für Touristen, die Fischerboote, mit Kisten und Netzen und meist auch Kleidern, die bunt an allen möglichen Orten zum Trocknen ausgelegt sind. Diese Farben- und Formenvielfalt. Noch nie habe ich bisher einen Hafen gesehen, in dem vom Riesenschiff bis zum kleinen Holzboot alles friedlich zusammen ankert.

Gedanken zu der Vergänglichkeit der Dinge. Bestens informiert, dank dem neuen Stone Town Führer, weiss ich nun ob der Pracht, des Reichtums dieser Stadt noch vor gut 50 Jahren. Wie rasch doch alles dem Zerfall anheim gestellt ist. Ganz besonders hier in Sansibar. Geschäfte, die neu öffnen und ein halbes Jahr später wieder schliessen, Bauruinen, die gar nie fertig gebaut werden. Soviel Geld, dass einfach vernichtet wird, weil fehl investiert. Es muss wohl sehr viel Geld vorhanden sein, wenn solches von einer Volkswirtschaft getragen werden kann. Doch kann es das hier wirklich?

Gerade neben den Forodhani Gardens bewundere ich den kleinen Gemüsegarten, der vor kurzem noch eine öffentliche Rasenfläche war. Jemand hat den einfach umgegraben und jetzt wachsen hier Spinat und weitere Gemüse. Mir gefällt der kleine Garten. Das Prinzip, öffentliches Land einfach zu beschlagnahmen hingegen weniger, den meist wird dies auf weniger sanfte Weise getan. Da kann durchaus eine öffentliche Freifläche einfach überbaut werden oder Händler bauen um ihren fahrbaren Markstand Bretterbuden, schliesslich auch festere Installationen. Meist ohne Folgen. Ein grosser Teil der Vororte ist auf ebendiese Weise entstanden, ohne Planung, ohne rechtlichen Besitz. Othman beispielsweise erklärt mir, dass das Haus seiner Mutter nicht ganz einfach zu verkaufen sei, denn das Land hätten sie nie gekauft. Das drücke natürlich auf den Verkaufspreis.

Sonntagabend scheint der Abend der Frauen zu sein. In den kleinen Gärten vor dem Afrika House lagert eine Gruppe von Frauen auf einer Bodenmatte im Rasen. Vor sich verschiedene Gefässe mit Speisen, daneben brennt ein kleiner Kohlegrill. Ein üppiges Picknick ganz ohne Männer. Auch in den Forodhani Gardens treffe ich einige auf Matten lagernde Frauengruppen an, kleine Kinder, die herumrennen. Erfreut stelle ich fest, dass die Spielzeuggewehre, mit dem Geld, das den Kindern am Ende des Ramadans gegeben wird gekauft, wohl langsam alle zerbrochen sind. Erleichtert kann ich meine Spaziergänge wieder machen ohne dauernd zuschauen zu müssen, wie Knaben Krieg spielen, sich gegenseitig diese Plastikschusswaffen an die Schläfe halten. - Speziell unangenehm hier in Afrika, wo häufig Bilder von tötenden Kindersoldaten publik werden. Und wo Phantasie und Realität sehr nahe beieinander stehen.

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