Sonntag, 3. Juni 2007

31.Mai 2007



31.Mai 2007

Lange Zeit habe ich nichts geschrieben. Auch keine Notizen gemacht in dem Büchlein, das ich immer bei mir trage. Nach dem Einlesen mit dem Text vom 17. Mai jedoch, spinne ich Gedanken weiter, die ich bereits damals gehabt habe. Mehr Belege, neue Beispiele zu meiner Behauptung, dass die Leute hier Schwierigkeiten haben, ihre Träume, ihre Wünsche klar von der Realität zu trennen. - Und von ihrer chaotischen Lebensart, dem Ungeplanten.

Gestern war ich wieder einmal in dem kleinen Laden, der nahe bei unserem Haus liegt, weil ich seit ein paar Tagen ein bestimmtes Produkt erfolglos suche. Sonst gehe ich selten dorthin, denn die Gestelle sind meistens halb leer. So muss das im Ostblock gewesen sein, doch die Gründe dafür sind hier anderer Art. Erhältlich wären die Produkte schon, doch der Besitzer des Ladens hat nicht genug Kapital, um einen grösseren Einkauf zu tätigen. - Nun war ich gestern höchst erstaunt, dass in dem kleinen Raum statt nur ein Warengestell in der Mitte wie bisher, gleich zwei Gestelle den Raum teilen. Natürlich nicht minder leer als vorher die zwei. Nur dass es unangenehmerweise nun kaum mehr möglich ist, sich in einer der Gassen zwischen den Gestellen überhaupt noch richtig zu drehen und die Waren zu betrachten, zu eng sind sie geworden. Offensichtlich hat niemand daran gedacht, dass man Raum und Gestelle zuerst ausmessen müsste, den fiktiven Raum begehen, bevor man sagen könnte, ob ein weiterer Kauf sinnvoll sei. - Da kommt mir wieder der Othmani, Alis Partner in den Sinn, der, sobald er zu einem grösseren Betrag Geld gekommen ist, investiert hat. In eine Klimaanlage, die viel zu klein für den Raum ist und übrigens jetzt, wo es nicht mehr so heiss ist auch nicht mehr eingeschaltet wird – anstatt sich zu überlegen, ob das wirklich nützlich sei. Ob es nicht viel sinnvoller wäre, das Geld in einen grösseren Vorrat an Lebensmitteln zu stecken, damit günstiger eingekauft und gearbeitet werden kann.

Von vielen Geschäften hier kann man sich nicht wirklich vorstellen, dass sie Geld abwerfen könnten. Zum Beispiel das kühl gestaltete Fastfood-Restaurant mitten in der teuren Touristenzone im Shangani-Quartier. Welcher Tourist hat schon Lust auf solch eine zwar saubere, aber absolut unromantische Umgebung? Und für die Einheimischen selbst, ist das Lokal erstens viel zu teuer und zweitens auch noch am falschen Ort gelegen. Selten sehe ich einen Gast in dem geräumigen Lokal. Trotzdem existiert es seit meinem ersten Besuch Sansibars, also seit zweieinhalb Jahren. Hier müsse eben gar nicht jedes Geschäft rentieren, meint Ali. Manche Reichen gefielen sich einfach darin, einen Laden, ein Restaurant oder ein Hotel zu besitzen. Das brauche dann keinen Gewinn abzuwerfen. Genauso wie die zwei riesigen im Rohbau hochgezogenen Bürohäuser gerade neben der Altstadt. Das „Stone Town Conservatory Office“ hat vergeblich gegen die Bauten interveniert; von höchster Stelle, vom Präsidenten, wurde die Bewilligung trotzdem gegeben. Und dann gebaut. Obwohl mindestens zur Zeit hier kaum ein Bedürfnis besteht für soviel Büroraum. Ein Denkmal eben für einen der Reichen.

Nicht alles hier muss also rentieren. Doch auch was sollte, hat Mühe, dies zu tun. Anissa, eine Aussteigerin aus Australien, die seit zwei Jahren in Sansibar lebt und sich auch schon mit einem Ressort an der Ostküste versucht hat, meint, dass solche Lokale für die Einheimischen gar nicht rentieren könnten. Viel zu klein sei die Gewinnmarge, das sei unmöglich. Umgekehrt beteuern mir aber Ali und Othmani, dass die Einheimischen keinesfalls mehr Geld für das Essen ausgeben könnten. Die kämen einfach nicht mehr, bei einer weiteren Preiserhöhung. Zu teuer für die meisten Einheimischen ist das Lokal bereits jetzt, das ist mir schon klar. Gerade all die Büroangestellten und Politiker, die in der Stone Town arbeiten, kommen hierher essen, oder die vielen Guys, die mit den Touristen Geld verdienen, können sich das leisten oder lassen sich in den „Lukmaan“ einladen. Und trotzdem: Vielleicht müsste man eben doch den Mut haben. Gerade dieses Publikum könnte sich wohl auch noch mehr leisten. Das Problem ist eher, dass es die anderen auch nicht tun. Alle Restaurants für Einheimische arbeiten mit sehr niedrigen Preisen und kämpfen sich mühsam durch. Machen sich gegenseitig das Leben schwer, denn alle glauben, ihre Preise gar nicht erhöhen zu können.

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