Dienstag, 26. Juni 2007

22. Juni 2007


22.Juni 2007

Die kühle Winterzeit hat nun endgültig begonnen. Seit gut zwei Wochen hat es keinen Regen mehr gegeben. Häufig recht starke Windböen, vor allem in der Nacht. Sie lassen die Fensterläden der vielen verlotterten Häuser hier unruhig klappern. Am Morgen braucht es einige Überwindung, mit dem jetzt kalten Wasser zu duschen, denn auch die Temperaturen sind des Nachts und am frühen Morgen schon fast kühl. Ich muss ein Thermometer kaufen, es wird schwierig zu sagen, wie warm es wirklich ist. Mindestens ist Josephine, meine Swahili Lehrerin, darüber erstaunt, dass ich, die doch aus einem kalten Land komme, finde, es sei nun kühl. Doch nach drei Monaten Tropen hat sich mein Körper eben an die hiesigen Temperaturen gewöhnt.
Eigentlich ein sehr angenehmes Klima momentan. Unangenehm ist das lange Ausbleiben von Regen. Alles ist sehr staubig geworden und die drei Häuser, die in unserer Umgebung im Moment renoviert werden, bringen zusätzlichen Schmutz mit sich. Jeden Tag liegt eine dicke Schicht Staub auf dem Fussboden. Überhaupt habe ich das Gefühl, dass die Wohnung hier viel schneller schmutzig wird. Doch vielleicht wäre das auch in der Schweiz schlimmer, wenn wir dauernd die Fenster weit geöffnet hätten. Schliesslich sind wir hier im Shangani-Quartier verwöhnt, praktisch alle Gassen sind asphaltiert. Wobei da natürlich immer Stellen offen bleiben, sich irgendwo grosse Löcher im Aspahlt auftun.
Ein weiteres Problem ist das Giesswasser für die Pflanzen. Unser Wasser, das wir von der gegenüberliegenden Moschee beziehen, ist sehr salzhaltig, zu nahe offensichtlich ist die Wasserfassung vom Meer gelegen. Die Pflanzen vertragen das schlecht. Ohne Regenwasser müssen wir jetzt das Giesswasser von der Fassung beim Restaurant herbringen, dort ist die Wasserqualität viel besser. Das Teewasser übrigens ebenfalls, das Getränk schmeckt sonst merkwürdig. Einzig für Suppen eignet sich unser „vorgesalzenes“ Wasser.

Auch unser Nachbar, der Besitzer des “Mazons Hotel“ rechnet offensichtlich damit, dass die Trockenheit hier andauern wird. Er hat seinen riesigen Industriegeneratoren, gross wie ein Container, wieder repariert. Damit konnte er während der trockenen Zeit letzten Herbst verschiedene Hotels mit Strom beliefern, denn die staatliche Stromversorgung war zusammengebrochen. Täglich wurde für vier Stunden der Strom abgestellt, weil die Stauseen auf dem Festland – Sansibar bezieht seinen Strom von dort – leer waren. Ein Problem, wie Ali meint, das seit mindestens zehn Jahren hier ungelöst sei. Und da beklage man sich nun über die Klimaveränderung. Da sei doch ganz anderes daran schuld.
Zwei Nachmittage bereits ist dieser Generator, der einen fürchterlichen Krach macht, und den man auch hier, eine Häuserzeile entfernt davon noch hört, wieder gelaufen. Ich verstehe nicht, wie man solch ein Ding mitten in dem Touristenquartier dulden kann. Wenn ich Gast vom „Mazon’s Hotel“ wäre mindestens, würde ich dort schleunigst wieder ausziehen. Ich beschwere mich bei der Rezeption darüber, dass dieser Generator jetzt, wo es doch gar keine Stromausfälle gebe, laufe. Man beschwichtigt mich, dass sei nur eine Revision. Ali hingegen meint, die hätten vielleicht kein Geld, um ihre Stromrechnung zu begleichen, aber noch etwas Dieselbenzin übrig. Man weiss sich hier eben zu helfen....

Heute Morgen habe ich in unserem Badezimmer Jagd auf Moskitos gemacht. Nachdem ich fünf Stück erwischt hatte, war ich ganz zufrieden und um mich mit dem tapferen Schneiderlein zu messen, das doch ganze sieben auf einen Streich getötet hat, habe ich mich noch etwas mehr angestrengt und dann sogar noch eine sechst Mücke erwischt. Als ich aber dann eine siebente und eine achte wahrnahm gab ich auf, schloss die Fenster und sprühte Chemie. – Auch Josephine beklagt sich über die vielen Moskitos momentan. Die kommen eben nicht während der grossen Regen, sondern danach. Im Februar seien doch vom Staat her, mit Hilfe der Amerikaner alle Häuser behandelt worden. Sie verstehe nicht, weshalb die Mücken sich bereits wieder derartig vermehrt hätten. Doch dann stellen wir fest, dass es wohl sehr viele Moskitos hat, doch umgekehrt kaum Leute mit Malaria. In den Nachrichten hätten sie gemeldet, dass die Malaria in Sansibar am abnehmen sei. Und fragen uns dann, ob es wohl möglich sei, dass dieses Insektizid nur spezifisch auf Mücken wirke, die diese Krankheit übertragen. Ich kann mir das nicht recht vorstellen, will dem jedoch nachgehen. Dafür sprechen würde auch, dass, wie es heisst, Malariamücken nur in der Dämmerung und des nachts aktiv sind. Die momentane Mückenzunft jedoch, ist fast den ganzen Tag über sichtbar. Und auch hungrig.

Lukmaan, das Restaurant hat immer noch grosse Mühe. Selbst an guten Tagen, wo alles Essen verkauft wird, ist am Abend kaum genug Geld da, um die laufenden Kosten zu decken. Das sei doch nicht möglich, finde ich, man müsse herausfinden, wo denn genau das Geld hingehe. Das sei halt, erwidert Othmani, als wir zu dritt zusammensitzen, weil da immer noch Schulden von den Vortagen bestünden. Ich bestehe darauf, dass man jetzt einmal ein paar Tage genau aufschreiben müsse, was ausgegeben worden sei (was sie auch tun) und damit vergleichen, wieviel der Speisen dann effektiv auch verkauft, beziehungsweise bezahlt würden. Denn entweder seien die Preise einfach zu tief, die Kosten zu hoch, oder zu viele Speisen würden ohne Einnahmen von den Angestellten oder auch den zugehörigen Familien gratis verspeist. Oder irgendjemand sei nicht ehrlich und stehle Geld – auch an dies muss man hier leider immer denken. Dann wisse man wenigstens, wo das Problem sei. Die Lösung allerdings ist dann ein weiterer Schritt. Die Preise könnten, wie man mir beteuert, unmöglich erhöht werden, denn sonst habe man einfach keine Kundschaft mehr. Auch das Senken der Kosten dürfte schwierig sein, doch wenigstens wüsste man nach einer genauen Analyse, wo genau die höchsten Kosten sind. Beim Gas sicherlich, das kostet täglich etwa 35.-SFR, aber das ist schwierig zu umgehen, denn in der kleinen Küche kann unmöglich mit Holz oder Kohle gekocht werden, das gibt einfach zuviel Rauch und Hitze, diese Erfahrung hat man bereits gemacht. Auch bin ich prinzipiell gegen diese Brennstoffe. Sansibar ist mit seinen 400 Einwohnern pro Quadratkilometern sowieso bereits sehr dicht besiedelt, der Druck auf die Natur ist riesig, die Wälder haben keine Zeit sich zu erholen. Also selbst wenn man hier vielleicht 20.- pro Tag sparen könnte, bin ich dagegen. Auch die Tatsache, dass die Lebensmittel auf der Insel zu einem grossen Teil importiert werden müssen und teuer sind, ist schwer zu umgehen. Schlussendlich: Zu viele „Mitesser“ oder gar Diebstahl. Auch hier ist eine Lösung nicht einfach.
Ich fühle, dass Ali langsam resigniert. Ungern nur geht er des Morgens auf den Fischmarkt oder Poulets kaufen. Immer diese Verhandlungen, weil da bereits Schulden bestehen. Er wolle nicht irgendeinmal auf einem riesigen Schuldenberg sitzen bleiben. Ich verstehe ihn. – Bereits am nächsten Tagen erzählt uns Othmani wieder eifrig über seine neusten Ideen. Man müsse investieren, eine Friteuse kaufen, der Geruch von Chipsi, das ziehe die Leute einfach an. Und überhört meinen Einwand, dass auch sehr viele Strassenverkäufer genau diese Frites anbieten würden. Dabei keine Miete zu bezahlen brauchten und auch sonst weniger Kosten hätten. Wie wolle er denn mit diesen konkurrieren können? Seine Chipsi müssten einfach teurer sein, sonst hätten sie vom ganzen keinen Gewinn. – Fastfood sei auch gut, befindet Othmani weiter, frisch gemachte Sandwiches und Burger, das komme bestimmt gut an. Auch diesen Einwand, dass man sich entscheiden müsse, ob man ein Fastfood- Restaurant oder eben ein Restaurant mit etwas gehobeneren Speisen sei, das überhört er einfach. Meinen Einwand, dass mehr Auswahl bei den Speisen nicht notwendigerweise eine grössere Kundschaft bringe, sondern dass umgekehrt sehr viele verschiedene Speisen auch eine grössere Kundschaft benötigen würden, denn sonst müsse man sicherlich zuviel wegwerfen oder verschenken, findet bei ihm kein Gehör. Ganz abgesehen davon, dass eine sehr grosse Vielfalt an Mahlzeiten auch mehr zu tun gibt und schwieriger zu berechnen ist. - Ali und ich haben alle Mühe, ihm irgendwie verständlich zu machen, dass kein Moment für Experimente und neue Investitionen sei, sondern eine Zeit, in der man versuchen müsse, die Fehler herauszufinden, zu eliminieren und das ganze zu stabilisieren.
Ich frage mich jetzt, ob wohl Alis Partner ein typisch afrikanischer Geschäftsmann ist. Kreativ, viele Ideen immer, doch irgendwie ohne jegliches systematisches Denken. Und ohne Ausdauer. Funktioniert etwas nicht gerade von Anfang an, dann probiert man halt einfach etwas Neues aus. Das dabei sehr viele unnütze Kosten entstehen übersieht er grosszügig.

Unten in der Gasse werden wieder einmal grosse Mengen von langen Armierungseisen angeliefert. Wie häufig hier, die alten Häuser müssen verstärkt werden, will man – was zwar nicht erlaubt ist, doch systematisch getan wird – ein weiteres Stockwerk darauf setzen, oder eine Dachterrasse. Zum Glück sieht man dies von unten, von den Gassen her recht wenig. Ist man jedoch auf einem der Dächer, so sieht man sich von lauter hässlichen, neu und mit schlechtem Geschmack aufgepfropften Dachterrassen umgeben. Wenigstens scheinen sie in diesem Quartier hier um die Stabilität der Gebäude besorgt zu sein. Nicht selten nämlich bekamen die alten Gemäuer Schwierigkeiten, wenn ohne Verstärkung aufgestockt wurde. Oder fielen sogar zusammen. Da hat man offensichtlich etwas gelernt.
Ich erinnere mich daran, wie ich vor zweieinhalb Jahren hier in Sansibar auf einer Dachterrasse stand, als sich das stärkste Erdbeben ereignete, das ich bisher erlebt habe. Das war sehr eindrücklich, eine diffuse Angst, noch Stunden danach war ich zittrig. Doch damals haben alle Gebäude standgehalten, obwohl es gedröhnt und gekrost hat in der Altstadt.

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