Dienstag, 13. März 2018

2018.03.12, Sansibar

Salum hat mir schon den nächsten Fall unten ins Erdgeschoss gelegt, eine arme süsse Waise die Hilfe braucht, und irgendwie hilft das auch mir, doch des nachts kann ich trotzdem nicht schlafen. Nun vor allem diese Schuldgefühle. Nicht kapiert zu haben, als er nach dem  Erwachen aus der Narkose seine Zunge ausspucken wollte, die war ihm im Weg, dann hat er nochmals erbrochen, wackelig war er auch. Ich kann mich noch gut erinnern, ich bin ihm überall hin gefolgt, weil ich Angst hatte, er könne irgendwo hinunter fallen. Aber kapiert habe ich nichts. Auch nicht, als er plötzlich nach drei Tagen seine normale Nahrung verweigerte, ich habe ihn mit Leckerbissen verführt. Schon gedacht, ich sollte den Tierarzt rufen. Aber dann eben auch wieder, nein, nun bin ich schon so weit, wie die Mgeni unten, die zweite Frau vom Salum, die mit ihren Kindern wegen der kleinsten Unpässlichkeit ins Spital rennt. Weitere zwei Tage habe ich gewartet, bis mir klar war, dass da wirklich etwas nicht stimmt. Und da war es zu spät. Nichtwissen ist auch eine Schuld.

Der namenlose Kleine

Nicht eingreifen ebenfalls, bei allem, was man sieht das schlecht ist. So hasse ich es, dass die kleinen Knaben hier mit Stecken die Katzen jagen. Gestern wieder habe ich erlebt, wie eine Katzenmutter in panischer Angst davon gerannt ist. Und die Knaben wollten zu dem ganz jämmerlich miauenden Kleinen. Ich habe sie ausgeschimpft, ja sie hätten Katzen nicht gern, meinten sie. Ich sagte ihnen, dass sie „mbaya sana“, sehr böse seien. Sie waren dann doch etwas irritiert und haben einen Mann, der herum stand gefragt. Der meinte, eher widerwillig, wohl wegen mir, sie sollten aufhören. Genau so entstehen all die Katzenwaisen, so verlieren die Mütter ihre Kleinen, die dann jämmerlich verenden. - Umbringen tun die Einheimischen die Katzen übrigens nicht. Sie geben sich auch Mühe, sie nicht zu überfahren. Nicht immer aus Liebe zu den Tieren. Vielmehr, weil sie glauben, dass es Unglück bringe, eine Katze zu töten. Das sei nicht der Islam, meint Salum, das sei Aberglaube. Immerhin scheint der Mohammed ein grosser Katzenliebhaber gewesen zu sein.

Dann wieder die Wut gegen den Tierarzt. ER musste das wissen. Weshalb hat er trotzdem operiert?

Salum meint, Schicksal sei das, ich dürfe mir da keine Vorwürfe machen. Im Islam glaubt man, dass das ganze Leben im voraus bereits in einem Buch festgeschrieben ist. Und solange man nicht mit böser Absicht etwas tue, sei das eben etwas, das man gar nicht habe verhindern können.
Und Ueli aus Myanmar meint, meine Geschichte erinnere ihn an eigene Geschichten, wo er glaubt, einen fatalen Fehler gemacht zu haben.  Dann jeweils sinniere er über das chinesisch-taoistische Wu-Wei nach - das “Nicht-Handeln” und die Kunst, so zu leben. Ohne einzugreifen die Dinge in ihrer richtigen Art und ihrer Natur entsprechend sich entwickeln zu lassen, “Sachen zu machen ohne zu handeln”. So lernen wir auf dem Weg der Konsequenzen und Handlungen….und wann wir lernen können und müssen wissen wir oft nicht.


Keine Kommentare: