Donnerstag, 19. Juni 2008

16. Juni 2008


Der Werbespot sei ein einziges Mal, am Samstagabend vor den Nachrichten gezeigt worden, meint Ahmed Talib, der freundliche Programmdirektor von Sansibar-TV. Dürfe aber jetzt nicht mehr ausgestrahlt werden, er habe am Sonntag ein Telefon diesbezüglich erhalten. Warum denn, frage ich unschuldig. Ich müsse verstehen, antwortet er, wir seien hier in Afrika, die Regierung möge Kritik nicht besonders und sie seien ein staatliches Fernsehen. Auch sie hätten in den Nachrichten fast dieselben Bilder gezeigt wie ich, laufende Generatoren, meint er weiter, nur eben anders herum. Wie denn dies zu verstehen sei, frage ich weiter. Da seien eben die Leistungen der Regierung hervorgehoben worden, nicht das Unschöne daran. Okay, ich habe verstanden. Und nehme es dem Herrn Talib auch nicht übel, der kann nichts dafür, Weisung von oben, was will man da in Afrika. Und meint noch, ich solle es doch bei einer privaten Fernsehstation versuchen. Was ich mir auch schon überlegt habe. Oder dann gleich bei TV-Tansania. Die werden das kaum zensurieren. Eher noch eine hämische Freude empfinden über diesen Seitenhieb. Weil man auf dem Festland auch nicht unbedingt glücklich ist über die Sansibarische Regierung. Doch nichts unternimmt, weil man noch mehr Angst hat vor einer anderen.

Am Eingang des Fernsehgebäudes standen heute übrigens zwei Wachmänner mit roten Berets und Maschinengewehren statt nur einem, plus einem zivil gekleideten, mich äusserst feindselig anstarrenden Mann, der aus einem Kriminalfilm hätte stammen können. Typ Geheimdienstler, das war mir sofort klar. Der wollte sehen, wer denn diese Frechheit gebracht habe, unser Rendezvous zwecks Abholung der Quittung war ja bekannt. Das Geld für die zwei weiteren Ausstrahlungen könne er mir leider nicht zurück erstatten, hat der Programmdirektor noch gemeint, denn die Quittung sei bereits geschrieben gewesen. Aber ich könne das dann beim Werbespot für das Restaurant einsetzen, den ich ihm bereits angekündigt habe.
Und den ich übrigens sehr gerne zu drehen beginnen würde. Nur kann man momentan ausser Filmen, in die das Generatorengeknatter passt, überhaupt nichts machen. So beginne ich, mit Ali und Othman über den Inhalt des Werbespots zu diskutieren. Was denn das Besondere sei am Lukmaan, was man hervorheben solle. Ich solle schreiben, hier gäbe es das beste Biriani, den besten Pilau und Tee, das seien die Sachen, die den Leuten am stärksten am Herzen liegen, meint Othman. Ali und ich finden das mit dem „am besten“ wenig originell und möchten eher hervorheben, dass der Lukmaan von morgens früh bis abends spät eine breite Wahl warmen Essens von guter Qualität anbiete. Das könne man nicht garantieren, dass am Abend noch warmes Essen vorhanden sei, wendet Othman ein, offensichtlich betupft über meine Kritik, das heute Abend bereits um acht Uhr nicht einmal mehr Reis erhältlich war, selbst der Tee war ausgegangen. Eigentlich wurde in den letzten zwei Stunden kaum mehr etwas verkauft, da so ziemlich alles ausverkauft war. Was ja auch schön ist. Und die Kritik von schlechter Planung, die hört man nicht gerne. Wenn das Biriani gut sei, dann sei es immer bereits am Nachmittag ausverkauft, meint Othman. Ich finde, da müsse man halt eben statt bisher fünf nun sechs oder sieben Kilos kochen, denn die Zubereitung dieses Gerichtes ist sehr aufwändig, das kann man nicht zweimal pro Tag machen. Othman will das nicht einsehen. Obwohl gerade er es ist, der immer behauptet, nur eine Steigerung der verkauften Essensmenge könne zu einem Gewinn führen. – Nach den bereits sehr aufwändigen Gesprächen um den Inhalt der Werbung entschliesse ich mich, die Sache alleine anzugehen, es ist ja mein Geschenk an den Lukmaan. Othman hat das immer gewünscht und jetzt weiss ich ja, dass Fernsehwerbung hier sehr günstig ist. Die günstigste in ganz Ostafrika, hat der Programmdirektor präzisiert, sie dürften eben nicht mehr verlangen, das sei staatlich vorgeschrieben. Und klagt gleichzeitig über die schlechte Finanzierung durch die Regierung. Zum Glück habe man Freunde, die Chinesen, die momentan die Digitalisierung des Fernsehens vorfinanzieren würden.

Überhaupt die Chinesen. Heute lese ich in der Zeitung „The Guardian“, dass die Zusammenarbeit mit dem Westen zu vergleichen sei mit Reiter und Pferd, wobei mit dem Pferd natürlich die Schwarzen gemeint seien, von Gleichberechtigung sei da keine Spur, die Verträge so gemacht, dass die Armen arm blieben und die Reichen reich. – Wie ganz anders sei da die Zusammenarbeit mit den Chinesen. Die langjährige - das hat ja bereits zu Tansanias kommunistischer Zeit unter Nyerere begonnen - Zusammenarbeit bringe beiden Seiten gleichermassen Gewinn. Und der Geber, also China, stelle beim Geben keine Bedingungen. Zwischen China und Afrika sei abgemacht, dass man sich gegenseitig nicht in die Innenpolitik einmische, auch nicht bestimmen wolle, wie die Hilfe genau eingesetzt werde. – Das kann ich gut verstehen, dass man sich in diesen Punkten prächtig versteht. Sowohl in China wie auch hier werden die Menschenrechte kaum beachtet, Pressefreiheit und so weiter. Das schadet nur der Stabilität des Staates.
Trotz teils berechtigter Kritik an der Zusammenarbeit mit dem Westen: Ich glaube, dass die Afrikaner doch recht blauäugig sind und nicht merken, dass das Interesse der Chinesen vor allem auf ihre Rohstoffe gerichtet ist. Und den riesigen Markt, den man mit Billigstware – so billig kann man im Westen nie produzieren – überschwemmt. Mit Ware, die innert kürzester Zeit nur noch Schrott. Und ein Entsorgungskonzept, hier dringend benötigt, das bringen die Chinesen wohl kaum mit. Das sponsert dann vielleicht irgend einmal die EU, wenn die Lage hier katastrophal genug geworden ist.

Seit ein paar Tagen bin ich stolze Besitzerin eines sansibarischen Motorrad- und Autofahrausweises. Und drehe nun auch täglich meine kleinen Übungsrunden in der Stadt und den Vororten herum. Was erstaunlich viel leichter geht, als ich mir das vorgestellt habe. Einmal im Verkehrsfluss, gleite ich einfach mit und die Verkehrsteilnehmer sind aufmerksamer, als ich mir das vorgestellt habe. Meine spürbare Unsicherheit wird nicht ausgenutzt, im Gegenteil habe ich das Gefühl, dass man mir etwas mehr Platz als anderen übrig lässt. Item, langsam fühle ich mich sicherer und habe sogar zwischendurch Zeit, kurz mit der Hand zu grüssen, wenn mich jemand beim Vorbeifahren erkennt und mir freudig zuruft. Was mich immer wieder erstaunt, habe ich doch das Gefühl, dass ich mit dem Helm auf dem Kopf, einer Tarnkappe gleich, wohl kaum mehr zu erkennen sei.
Zurück zum Verkehr. Hier sind die Regeln einfach, der Grössere ist der Stärkere, hat also Vortritt. Der Lastwagen kommt vor dem Range Rover, dieser vor einem kleineren Auto, dasjenige wiederum vor dem Motorrad, die nächst tiefere Stufe ist das Velo und ganz unten ist der Fussgänger. Respektiert man das, dann ist bereits viel gewonnen und im Prinzip vereinfacht dies das englische Linksfahrsystem gewaltig. - Komplexer zeigt sich das europäische, besser das schweizerische Verkehrssystem, wo das Fahrrad vor den Motorisierten kommt, der Fussgänger ebenfalls vor den Motorisierten, nicht aber vor dem Fahrrad, denn hier verdreht sich das Vortrittsprinzip des Schwächeren, die afrikanische Hackordnug des Stärkeren wird merkwürdigerweise von den schweizerischen Velofahrern ebenso praktiziert.

Bei meinen Motorradtouren stelle ich fest, dass es nun Winter geworden ist. Um fünf Uhr abends, die Sonne ist am sinken, fröstle ich bereits, als ich im T-shirt vom Motorrad steige und des Abends schliesse ich nun die Fenster gegen das Meer hin zu und lege ein zweites Leintuch über das Bett und die kalte Dusche am morgen braucht schon einige Überwindung.

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